121. Sympathie und Antipathie und ihre Bedeutung in der Natur

Sympathie und Antipathie und ihre Bedeutungen in der Natur.



Die Pythagoräer, und unter ihnen vorzüglich Empedokles, in seinem großen Gedichte über die Natur der Dinge, haben den Ursprung aller Wesen von Monas — Gott, hergeleitet, deren vornehmste Eigenschaften er Freund- und Feindschaft nannte. Auch Heraklitos und Hippasus lehrten, in der Welt herrsche ein allgemeiner Krieg, eine beständige Uneinigkeit, und Alles werde durch Zwietracht erzeugt und regiert. Platon (im Gastmahle) läßt den Pausanias die Liebe zweifach beschreiben, eine himmlische und eine gemeine, und der Arzt Eriximachus, der die Rede seines Vorgängers fortsetzt, versteht darunter die zwei Grundwesen der Natur, wovon das bessere die Ursache aller harmonischen Verbindung ist, das andere aber allerhand Trennungen und Missstimmungen veranlaßt. Demnach, sagt er, ist die Herrschaft des Amor nicht blos auf das Herz des Menschen einzuschränken, sondern sie breitet sich über alle tierischen Körper, über alle Erzeugnisse der Erde und über die ganze Natur aus. So hat die tierische Natur ihren Amor, und mit diesem hat es die Arzneikunde zu tun. In der Tonkunst wird mittelst geschickter Vereinigung ungleichartiger Töne und Zeitmaße der Einklang hervorgebracht. — Es müssen beide Künste, die Musik und Arzneikunde, dahin sehen, daß sie die verschiedenen Neigungen der Menschen oder ihren zwiefachen Amor, ihrem Zwecke gemäß lenken. Endlich gehört auch das Wahrsagen in das Gebiet des Amor, durch welches die Menschen ihre Gemeinschaft mit den Göttern unterhalten. Sie ist bestimmt ihren bessern Amor, d. i. die wohlgeordnete Bewegung der Seele, als die Quelle der Frömmigkeit zu befördern und im Gegenteil alle regellose Neigungen, als Werke des bösen Amor zu heilen. Die wohltätigen Folgen für die menschliche Gesellschaft bewirkt der bessere Amor und dieser erwirbt uns selbst der Götter Freundschaft. Diese Lehren, auf welche sich jene des Pythagoras und Platon gründen, stammen von einer viel altern Weisheit her, die wir schon im fernen Orient ausgesprochen finden; daß der Geist des Menschen mit der ganzen Natur, mit allen ihren Wesen und Kräften in geheimnisvoller Beziehung stehe, daß des Menschen Seele nach dem Schema der Welt gebildet (oder vielleicht besser umgekehrt), und daß in dieser nichts enthalten ist, was nicht in der Seele entsprechende Saiten rührte. Aber alle die geheimen Fäden, womit die Kräfte hin und wieder wirken aus der Höhe und Tiefe nach dem Mittelpunkt, dem Menschen, reichen im gewöhnlichen wachen Zustande nur verworren in das Selbstbewusstsein herein. Das vorzügliche Gebiet der Sym- und Antipathie ist das weite Gebiet des Gemütes, das im Wachen von der äußerlichen Sinnestätigkeit und durch den physischen Glanz der Sonne überstrahlt, nur in einer Art von Dämmerschein schwimmt, so daß es seiner eigenen Zustände nicht recht bewußt wird und den geheimen Rapport gar nicht kennt, der zwischen der Großwelt, die es umgibt, und ihm selbst stattfindet. Erst im Schlafe, wenn das einzelne, die Oberfläche reizende Objekt abgeschnitten ist, geht von innen die geistige Sonne auf und die unsichtbaren Fäden werden sichtbarer, welche zwischen dem Makro- und Mikrokosmus ausgespannt sind. Denn die Seele ist, nach dem von Leibnitz gewählten Bilde, der Spiegel der Welt, auf den Nahes und Fernes zusammenstrahlt.


Hieraus und nach unzähligen anderen schon im Altertum ausgesprochenen Ansichten geht hervor, daß die ganze Natur durch ein geheimes Band umschlungen ist, und daß alle Dinge in dem unermesslichen Räume mit einander in genauer Verbindung und gegenseitiger Abhängigkeit stehen, was die Alten Sympathie genannt haben. Die Anziehung und Abstoßung sind nur analoge Ausdrücke von Freundschaft und Feindschaft; von Liebe und Haß; von Ausdehnung und Zusammenziehung; von Sym- und Antipathie. — In dem ganzen Reiche der Natur, in der organischen wie in der anorganischen Natur sind die gegenseitigen einander anregenden Beziehungen sichtbar und meistens so auffallend, daß man dieselben nicht blos im Großen, sondern auch im Kleinen von jeher leicht beobachten konnte. Wie in der Luft die und gleichen Verteilungen der Elektrizität die Wetterveränderungen, den Sturm und Blitz bedingen, so walten im flüssigen Elemente, und auch im festen der Metalle und Steine, die verschiedenen Kräfte, die sich als magnetische und elektrische Anziehungen u. in den mannigfachsten Beziehungen der Sym- und Antipathie offenbaren. — In dem organischen Reiche sind jene Beziehungen meistens noch deutlicher. Pflanzen und Tiere sind sich Urgegensätze, aber durch die von der Natur ihnen angewiesene Lebensunterhaltung mittelst der Nahrung, durch Arznei und Gifte entstehen jene speziellen Sym- und Antipathien. Denn beide Reiche sitzen sich einander voraus und bedingen gegenseitig ihre Existenz nicht nur überhaupt, sondern in allen Zuständen des Lebens, der Gesundheit und Krankheit. Ebenso offenbaren sich die Sym- und Antipathien nicht weniger in den Pflanzengattungen und Arten untereinander, wie unter den Tieren insbesondere. Die Feindschaft des Kohls und der Raute ist zum Sprichwort geworden, sowie der Weinstock sich umbeugt, wenn Kohl in seiner Nähe wächst. Die männliche und weibliche Palme vergehen, nach Kircher, wenn eine ohne die andere steht. — Die Tiere und vor Allem der Mensch werden durch die Nerven, ihre Lichtträger, eist recht befähigt, die feinsten und entferntesten Einwirkungen der Naturkräfte zu empfinden und in sympathische oder antipathische Verhältnisse einer allgemeinen Wechselwirkung zu treten.

Das allgemeinste Band der Wechselwirkungen ist nun den Alten vorzüglich die Luft, der Äther, gewesen, so daß durch sie auch die Einflüsse der Gestirne auf alles Irdische und ganz vorzüglich auf den Menschen geschehen. Denn nicht blos die Massen waren in den Himmelskörpern ohne gegenseitige Bedingungen der Bewegung, — also Anziehung und Abstoßung, erkannt; nicht blos die eigene Achsenbewegung und mit dieser Drehung die Fliehkraft, — sondern auch die Wirkungen des Gestirnlichtes, ohne welches die Welt eine ewige Nacht sein würde und ein immerwährender dumpfer Schlaf, ohne welches kein organisches Leben, keine Blume, kein Tier. Es ist daher erhebend, wie die Alten schon und zwar in sehr früher Zeit, ganz besonders den Menschen hervorhoben, welcher als Bild Gottes mit der ganzen Natur in einem steten Wechselverkehr lebe, und nicht blos mit der irdischen, sondern ebenso auch mit der himmlischen, der Gestirnwelt. Ja noch mehr, sie erkannten die sym- und antipathischen Verhältnisse des Menschen sogar mit der Gottheit, worüber die kluggewordene Zeit jetzt so schweigsam geworden ist. — „Stände aber die Natur mit jener höhern Welt in keiner Verbindung, so würde auch eine Einwirkung von dort auf den Menschen nicht möglich sein. Derselbe Schöpfer bildete die Erde und das Weltgebäude, Pflanzen und Tiere nach einem Plan und legte in die Entwickelung irdischer, als Naturkraft sich ausbildender Seelen den Keim zu solcher Vervollkommnung, daß sie dadurch bis an die Grenzen einer Welt reichen konnten, die nicht mit Augen gesehen werden kann — darum eben ist der Geist des Menschen Geist und keine bloße Seele, weil die Harmonie des bessern Jenseits in seinem Innersten anklingt, und ihn schon hier, wenn er nicht taub sich dagegen macht, über alles blos Kleinliche und Äußere hinweghebt. Herzerhebend ist also im Magnetismus das so sichtbare Anstreben gegen jene Grenze des irdischen Sinnes; gegen jene Schranken, die den Menschen umgeben und ihn abhalten, sich ganz in jene Sphären zu schwingen, woraus Alles, was er hat, ohnehin schon ihm zukommt.“ D. E. Bartels, Grundzüge einer Physiologie und Physik des animalischen Magnetismus. Frankfurt 1812.

Der Gegensatz von Sympathie ist die Antipathie, das Abstoßen u. und beim Menschen die Art anders zu empfinden und zu handeln, indem die sich begegnenden Gemütsstimmungen und Temperaturzustände des Lebens völlig wie die feindlichen Pole des Magneten einander abstoßen. Daß diese Gegenstrebungen der Antipathie in den magischen Zuständen viel offener hervortreten, war gleichfalls von jeher recht gut erkannt und wir beobachten bei den magnetischen Erscheinungen auf eine merkwürdige Weise die Antipathie auffallender als selbst Hie Sympathie. Die leisesten Missklänge in psychischer und physischer Hinsicht werden bemerkbar, nicht nur zwischen einander unbekannten Personen; zwischen ungleichen Standes- und Bildungsverhältnissen; sondern auch bei bekannten und oft sich nahe verwandten Personen. Die stärker aufgezogenen Saiten der Nervenfiebern bedingen eine so feine Gemütsstimmung, daß nicht nur lautere Pulse der Blutsbewegung, sondern auch die abweichende Geistesrichtung und der innere Stand der Gemüter an sie anklingen und abstoßende Kräfte an den Magnetisierten veranlassen, was diese in dem gewöhnlichen Leben nicht gewahr werden, wenn nicht schon ohnehin eine vorwaltende Reizbarkeit, oder eine gewisse Jdiosykrasie vorhanden ist. Diejenigen, die nie mit solchen Personen verkehrt haben, halten Alles für Spielwerk oder Affektation, und zweifeln ebenso, wie über die magischen Wunder, die das Altertum ebenso gut gekannt und gewirkt hat, wie die heutigen Magnetiseure. — Allein wie diese von der Harmonie der Sphären nichts wissen, welche „des Wohllauts mächtige Gottheit zum geselligen Tanz ordnet an des Rhythmus goldenen Zügeln,“ so vernehmen sie wohl um so weniger die stillen Töne und den leisen Hauch, die auch in den Schwachen mächtig sind, daß auch sie oft ergreift der Strom des erhabenen Gesangs und der begeisterte Takt, den alle Wesen Gott schlagen.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1