120. Meinungen über den Sitz der Seele

Meinungen über den Sitz der Seele und über den gegenseitigen Einfluß des Leibes und der Seele.



Endlich hat man sich auch um den Sitz der Seele gestritten. Die Platoniker vorzüglich zu Alexandrien lehrten, daß in einem jeden Teile des Leibes die Kraft der Seele ganz sei; allein man sage, daß sie da wirke, wo sie sich eines Werkzeuges bedient, besonders aber da, wo das Werkzeug seinen Anfang nimmt, als z. B. die Empfindungskraft im Gehirn. Unstreitig eine der richtigsten Ansichten. — Parmenides, Epikur und Lucrez setzten dm Sitz der Seele in die Brust. Diogenes Apolloniates meinte, die Seele wohne in der großen Hoylader des Herzens. Hippokrates und Ausonius haben den vernünftigen Teil der Seele nach dem Herzen selbst verlegt. Nach Plutarch haben Mehrere das Herz, Andere den Herzbeutel zum Wohnsitz der Seele gemacht. Viele alte Ärzte und Philosophen haben die Herzgrube, praecordia, oder auch das Zwerchfell für den Sitz der vernünftigen Seele angenommen; von dem letzteren erkannten sie schon, daß es eine besondere Gemeinschaft mit den Hirnhäuten habe. — Empedokles suchte die Seele in der Substanz des Blutes, was auch schon Moses und die Juden taten. Platon und Demokrit hielten den ganzen Kopf für den Sitz der Seele. Strato setzte ihn zwischen die Augenbrauen, van Helmont nimmt an, daß sein Lebensgeist vorzüglich in der Magengegend herrsche, besonders dann, wenn die übrigen äußeren Sinne ruhen. Er kannte das magnetische Polversetzen oder das verstärkte Hervortreten des inneren Sinnes in der Magengegend bei somnambulen Erscheinungen, und glaubte, daß immer der eigentliche Sitz der Lebens- und Wärmekraft dort sei. Andere nahmen das Gehirn überhaupt als den ausschließlichen Sitz an; Andere wieder die einzelnen Teile desselben. So setzte Descartes den Sitz in die Zirbeldrüse, Andere setzten ihn nach dem Ursprung der Nerven, Andere, wie Sömmerring, in den Dunst der Gehirnhöhlen. — Über den gegenseitigen Einfluß des Leibes und der Seele gab es wieder abweichende Meinungen, wie immer noch. Man ließ entweder nach der materialistischen Ansicht mehr dem Leibes oder nach der spiritualistischen, mehr dem Geiste das aktive Regiment. So meinte Epikur, die Seele würde weder wirken noch leiden, wenn sie nicht materiell wäre. Anaxagoras spricht zuerst von einem verständigen Wesen, welches der Materie Ordnung und Bewegung gebe. Pythagoras versinnlichte die Seele als Zahl, welche sich selbst und damit auch den Körper bewege. Aristoteles sah gleichfalls die Seele für die Ursache der Bewegung in ihrem Körper an, aber dieser wirkt auf die Seele zurück. Durch diesen gegenseitigen Einfluß entstand jenes Aristotelische System, — Systema influxus physici, — vermöge welchem der Geist des Menschen Bewegungen in dem Leibe und die sinnliche Empfindung Ideen hervorbringe. Wie es geschehe, gestand man, das wisse man nicht, indessen sei es genug zu wissen, daß Bewegungen des Leibes auf vorhergegangene Bewegungen in der Seele, und Empfindungen der Seele auf vorhergegangene Bewegungen im Körper erfolgen. Der letzte Grund des Lebens ist wohl immer wie jetzt noch das unbekannte Etwas gewesen —die Lateiner nennen es qualitas occulta, infanda, die Hebräer das Werkzeug der göttlichen Allmacht. Später wurden darnach die Ansichten über Harmonie, Sympathie und Magnetismus, je nach der spiritualistischen oder materialistischen Seite gebildet, bei welchen aber jene qualitas occulta noch ebensowenig ins klare Licht gebracht ist. Die Wirkungen jenes Wechseleinflusses, sowie jene des Magnetismus, sind gleich jenen der alten Magie und der damit verbundenen Zustände noch keineswegs zur Harmonie übereinstimmender Ansichten und einer vollständigen Enträtselung gebracht.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1