119. Über den Ursprung der Seele

Über den Ursprung der Seele; Präexistenz und Verwandlung nach älteren Ansichten.



Woher kommt die Seele? Wir haben schon gesehen, daß die meisten alten Philosophen die Seele von der allgemeinen Weltseele herleiteten, besonders gehören dahin Timäus von Lokris, Pythagoras, Platon. Platon sagt: Gott habe die Bilder, oder die Urbegriffe in die menschliche Seele von allen Dingen gelegt, wie überhaupt in die Weltseele, von welcher sie ein Teil sei. Diese Bilder werden aber in ihr verdunkelt, wenn sie in die finstere Höhle des Leibes gelange; der Leib sei das Gefängnis und das Grab der Seele. Auch Heraklit hielt alle Seelen nur ausgegangen von der allgemeinen Weltseele. Die Kirchenväter, Lactantius, Synesius u. hielten die Seele für einen Teil des göttlichen Wesens, und die Theosophen sagten: sie sei ein Feuer aus dem unendlichen Meere des Lichtes entsprungen. Alte und neuere Philosophen nahmen die Präexistenz der Seelen an, so daß sie schon vor ihren Leibern existiert hätten, und Pythagoras scheint der Erste dieser Ansicht gewesen zu sein, der behauptete: die Seelen wanderten aus einem Leibe in einen andern, so lange, bis sie endlich durch diese Metempsychose völlig gereinigt, mit Gott als dem absolut reinen Lichte wieder vereinigt würden. Dieses Vorhersein nahmen auch Vorrates und Platon an. Bei der Erschaffung wurden nämlich nach Platon den Seelen Sterne zu Wohnungen angewiesen und nach und nach kamen sie in die eigentümlichen menschlichen Leiber. Die ein reineres Leben führen, kehren in bessere Sterne zurück, die Bösen aber werden in immer niedrigere Tiere verwandelt, bis alles Böse bezwungen sei. Das Lernen sei also auch auf dieser Welt nichts Neues, sondern nur ein Wiedererinnern an das, was man schon einmal gewußt habe. „Es gibt in der Tat, sagt Sokrates (Phädon), ein Wiederaufleben und ein Werden der Lebenden aus den Toten und ein Sein der Seelen der Verstorbenen, und zwar für die Guten ein Bessersein, für die Schlechten aber ein schlechteres.“ „Eben das folgt auch, spricht Kebes einfallend, nach jenem Satz, Sokrates, wenn er richtig ist, den du oft vorzutragen pflegtest, daß unser Lernen nichts anderes ist, als eine Wiedererinnerung, und daß wir deshalb notwendig in einer früheren Zeit gelernt haben müßten, wessen wir uns wieder erinnern, und daß dies unmöglich wäre, wenn unsere Seele nicht schon war, ehe sie in diese menschliche Gestalt kam, so daß auch hiernach die Seele etwas Unsterbliches sein muß.“


Auch die Kirchenväter, vorzüglich Origenes, haben die Präexistenz angenommen.

Ebenso war die uralte Lehre des Morgenlandes von der Präexistenz der menschlichen Seele, die von einem höhern Dasein herabgesunken, ihren Aufenthalt auf der Erde nur als ein Bußleben benutzen solle.

In neueren Zeiten haben die Präexistenz vorzüglich G. Morus und Leibnitz verteidigt. Letzterer sagt: Gott hat lauter einfache und unvergängliche Substanzen erschaffen, die er Monaden oder Entelechia nach Aristoteles nannte, wovon die vollkommensten die der Menschen sind; unvollkommener sind die der Tiere und die geringsten sind die Elemente der Körper. Nach ihm ist der Same aller Geschlechter schon in Adam dagewesen. Diejenigen Seelen, welche mit der Zeit menschliche werden, sind früher in einer andern Art eines organischen Körpers dagewesen.

Um die Erbsünde leichter erklären zu können, nahmen besonders auch Theologen an, daß die Seelen mit den Leibern den Kindern von den Ältern mitgeteilt. Eine andere Meinung von dem Ursprünge der Seele war: Gott erschafft jedesmal bei einer Zeugung die Seele und verbindet sie mit dem Leibe. Dahin gehören die lateinischen und griechischen Kirchenväter; die Pelagianer als Gegner von der Lehre der Erbsünde; dann einige Scholastiker, die lieber des Aristoteles vernünftigen Geist annahmen. Dazu bekannten sich später die Katholiken und Protestanten. — Ausführlicher habe ich die Ansichten über diesen Gegenstand in einer eigenen Schrift: Historisch-psychologische Untersuchungen über den Ursprung und das Wesen der menschlichen Seele überhaupt und über die Beseelung des Kindes insbesondere, Bonn 1824, abgehandelt.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1