116. Die Weltsünde nach Timäus

Die Weltsünde nach Timäus von Lokris und seinen Nachfolgern, die Dualisten.



Die noch vorhandene älteste Schrift von der Weltseele und der Natur der Dinge wird dem Timäus von Lokris zugeschrieben. Die Grundsätze sind aber pythagoreisch und stimmen mit den alten dichterischen Bildern überein. Das Ganze der Timäischen Lehre besteht etwa in Folgendem nach Büsching (a. a. O. S. 772).


„Die ewige ungeformte Materie ordnete Gott durch Mitteilung seines Wesens. Das Unteilbare vereinigte sich mit dem Teilbaren; das immer Gleiche mit dem Unbeständigen, und zwar mit den harmonischen Verhältnissen der pythagoräischen Tonleiter von Ideen. Um Alles besser zu fassen, stellte man sich den unendlichen Raum gleichsam in drei Absätze eingeteilt vor, welche sind: der Mittelpunkt, der äußerste Umkreis und der Raum zwischen den beiden. Der Mittelpunkt ist von dem höchsten Gott, welcher den äußersten Umkreis bewohnt, am weitesten entfernt, den Raum zwischen beiden nehmen die himmlischen Sphären ein. Als Gott sich zur Mitteilung seines Wesens herabließ, durchdrangen die Ausflüsse aus ihm alle Himmel und erfüllten dieselben mit unvergänglichen Körpern. Ihre Kraft nahm mit der Entfernung von ihrer Urquelle immer mehr ab und verlor sich endlich in unserer untern Welt in sehr kleinen Teilen, über welche die Materie die Oberhand behielt. Daher rührt der beständige Wechsel von Entstehung und Untergang unter dem Monde, wo die Gewalt der Materie vorherrscht; daher rührt auch die zirkelförmige Bewegung des Himmels und der Erde; die verschiedene Geschwindigkeit der Sterne und die eigene Bewegung der Planeten. Aus der Bereinigung Gottes mit der Materie entstand ein drittes Wesen, nämlich die Weltseele, welche Alles belebt und ordnet, was sich in dem mittleren Räume zwischen dem Mittelpunkte und Umkreise befindet.“ Eine weitere Ausführung findet sich bei Bruckner und Batteur.

Diese Timäische Lehre haben nachher Ocellus Lucanus, über den Ursprung des All; Plato in seinem Timäus; Aristoteles in seinem Briefe über das System der Welt an Alexander den Großen u. mit mehr oder weniger Genauigkeit und Scharfsinn verteidigt.

Auch neuere Philosophen haben die Weltseele (nicht aber eben Gott als Weltseele gedacht) angenommen und auf verschiedene Weise beschrieben. So nahm Descartes an, daß aller Raum mit einer flüssigen Materie angefüllt sei, die er für elementarisch hielt und die sich in Wirbeln bewegt; er hielt sie für die Quelle und den Grund aller Wesen, welche die Weltkörper umfließe und forttreibe. (Also eine Art magnetische Strömung feiner Flutreihen des Mesmer). Malebranche, der Pater Kircher, Huyghens, Leibnitz, Bernoulli u. hatten ähnliche Meinungen. Search beschreibt sie als ein geistiges Wesen, welches die ganze Körperwelt erfüllt und ihre kleinsten Zwischenräume durchdringt; als die Grundkraft der Natur, welche die Welt zu einem Tier macht, aber von dem höchsten Wesen abhängt (light of nature). Auf Paracelsus und seine Nachfolger werden wir in der Folge kommen.

Andere, die sogenannten Dualisten, haben neben Gott auch die Materie als ewig angenommen; sowie in der Natur die Materie und ihre Kraft, die Bewegung einander bedingend gleichsam voraussetzen, ohne deshalb eins zu sein oder nach einander zu entstehen. Aber schon Platon hatte eine ähnliche naturphilosophische Ansicht. „Es gibt zwei Dinge, von denen das eine Kraft, das andere Materie sei, in beiden sei aber beides. Zeno hatte auch zwei Grundursachen der Dinge, eine leidende Materie und eine tätige, oder der in der Materie befindliche Verstand, oder Gott, der immer ist und aus der Materie alle Dinge hervorbringt. Gott beschreibt er als den Äther oder das Feuer, oder den alle Dinge durchdringenden Verstand. Gott ist die Weltseele und macht mit der Welt ein lebendiges (kugelförmiges) Wesen aus. Die ganze Welt und der Himmel ist die Substanz Gottes. Andern — den Materialisten, ist das einzige Wesen und die Ursache aller Erscheinungen n. allein die Materie.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1