101. Andere ähnliche Erscheinungen

Andre ähnliche Erscheinungen und Kriterien über ihren Wert, insbesondere über das Fasten.



Sehr ähnliche Erscheinungen hatte die Maria v. Mörl, die jetzt in das Kloster zu Kaltern gebracht ist, jedoch sind bei dieser die höhern Zustände nicht so bestimmt und rein hervorgetreten, wie bei der Emmerich. Die Domenica Lazari hingegen, welche physisch noch leidender ist, hat die Wundmale, welche jede Woche am Donnerstag und Freitag bluten, an Händen und Füßen viel deutlicher und beständiger. Auch auf dem Rücken und in der Seite hat sie Wunden auf eine so ausgezeichnete Weise, wie sie sonst nicht bekannt geworden sind. Die Füße sind durch das beständige Betteliegen und durch das natürliche Bluten in horizontaler Richtung mit den Beinen wie aneinander gewachsen. Auf der Mitte des Handrückens und ebenso auf der Mitte des rechten Fußes (der linke Fuß ist immer mit der Sohle des rechten bedeckt) sieht man zur Zeit, wenn sie nicht blutet, einen eisenfarbigen Punkt, der vollkommen dem Kopfe eines großen Brettnagels gleicht. Sie leidet dabei an den fürchterlichsten Schmerzen und Krämpfen, daß man sie oft mehrere Häuser weit schreien hört: o dio, ajutami! Merkwürdiger als alles dies ist aber: daß sie Winter und Sommer in einer schlechten Kammer bei offenem Fenster mit einer leichten Decke bedeckt, Tag und Nacht zubringt, wobei sie sich bei unruhigem, windigem Wetter besser befindet, und daß sie seit 1834 bis jetzt nichts mehr gegessen und getrunken hat. — Man sieht dabei seit bereits zwei Jahren noch immer umsonst ihrer Auflösung entgegen.


Andere mit diesen verwandte Erscheinungen von blutenden Wundmalen habe ich in meiner Schrift S. 251 ff. angeführt. So eine schon aus dem fünfzehnten Jahrhunderte von einer zu Ham, nach Rolewink, neubekehrten Jungfrau 1414, „quae veracissaima stigmata dominicae passionis habuit in malibus, pedibus, ac letere.“

Eine andere war eine Beghine zu Delft nach Raynaldus; wieder erzählt wird es von einer Nonne zu Hadamar nach Lillbopp, und Beda Weber (a. a. O.) führt dasselbe auch von der Giovanna della Croce und von der Maria Hunber, Vorsteherin der Schulschwestern zu Brixen zur Zeit des dreißigjährigen Krieges an.

Eine ähnliche Erscheinung beobachtete man an der Friederika Reinholdt, „dem wunderbaren Mädchen von Johanngeorgenstadt,“ die in ihren Visionen die Leidensgeschichte Jesu sah und am Karfreitag starb, d. h. kurz vor drei Uhr alle Zeichen des eintretenden Todes hatte, drei Tage wie tot bis zum Osterfeste früh sechs Uhr liegen blieb, dann mit einigen Zuckungen erwachte und sich erhob (Kiesers Archiv VII. 1. 48.).

Bei den Heiligen erzählt die Legende mehrere Beispiele von blutenden Wundmalen des Erlösers, z. B. von der heiligen Katharina von Siena; der Hildegardis; von der heiligen Brigitta von Schweden; von der Pasithea de Croyis. Ähnliche Signaturen mit Kreuzen kommen bei mehreren Personen gleicher Richtung vor, u. A. bei Katharina de Raconisio, Marina de Escobar, Emilia Bichieri, Juliana Falconieri usw. und von dem heiligen Franz von Assisi. Von allen erkannte aber die Bulle des Papstes Sixtus IV. jene außerordentliche Auszeichnung nur diesem Letztern zu. Die Zahl der bekannt gewordenen frommen Personen seit Franz von Assisi, den die Theologen vulnus divinum. Plaga amoris viva nennen, ist nicht gering, es sind hier wenigstens in die fünfzig genannt; die letzte ist die 1727 gestorbene und 1831 heilig gesprochene Kapuzinerin Veronica Giuliani von Citta di Castello.

Sowie die Wundmale, so sind auch die casus inediae eines langen Fastens nichts Neues; auch darüber habe ich dort Beispiele angeführt; dahin gehören Nikolaus von der Flüe, Lidwina von Schiedam, Katharina von Siena, Angela von Fuligno, Ludovica de Ascensione u. A. Die Leser, welche das Wesen solcher Personen näher kennen lernen wollen, finden eine Zusammenstellung in der Einleitung zu Susos Leben und Schriften von Görres. Regensburg 1819.

Mit diesen allerdings sehr ungewöhnlichen Erscheinungen hat man von jeher viel Aufhebens gemacht und sie zu den höchsten Wundern gezählt, aber die Personen andernteils als Betrüger gelten lassen. Viele verehren sie sogar als Heilige und stellen sie als Muster der Frömmigkeit und Nacheiferung auf. Wenn man die Sache für natürlich und die Personen für Kranke oder gar für bedauerungswürdige Geschöpfe erklärt: so kommt man sehr leicht in den Geruch der Ketzerei; weil gewissen Leuten der Glaube an den Teufel und seine übernatürliche Macht allerlei Spuk zu treiben und Diesen ober Jenen willkürlich zu Plagen, das erste Gebot und ebenso nöthig ist, um selig zu werden, als wie der Glaube an den Mensch gewordenen Erlöser. Es bedarf daher bei jenen Leuten auch gar nicht so viel, um eine solche kranke Visionärin ohne Weiteres als Heilige neben der seligen Jungfrau auf den Altar zu stellen, und zu ihr statt zu dem Heiland zu beten. Diese Frommen wissen freilich nicht, daß es der römische Stuhl nicht so leicht nimmt mit der Kanonisation der Heiligen. Bekanntlich sind folgende allgemeine Kriterien aufgestellt, nach deren vollkommenem Eintreffen und allseitiger Bestätigung das Oberhaupt der Kirche eine Heiligsprechung, insbesondere den casus inediae für ein Wunder, erklärt. 1) Muß die geschichtliche Tatsache genau untersucht werden, ob z. B. ein solches Fasten in der angegebenen Zeit wirklich vorgefallen und ununterbrochen fortgeführt worden sei. 2) Muß das Fasten ein Erzeugnis des freien Entschlusses sein. Es darf nicht etwa aus einer vorhergegangenen Krankheit entstanden sein, weil alsdann die Kirche ein solches Fasten für kein Wunder hält, da man Beispiele hat, daß Kränklichkeit in den Organen des Unterleibs eine mehrjährige inedia zur Folge hatte. 3) Muß der Endzweck ein religiöser sein. 4) Muß der Fastende während der ganzen Zeit sich wohlbefunden haben. 5) Darf er jene guten Werke nicht unterlassen, zu denen er sonst verbunden ist, da ein solches Fasten, das ein Hindernis für andere gute Werke ist, Gott nicht Wohlgefallen kann, worauf schon der heilige Hieronymus aufmerksam machte. Endlich sind die Sitten und Tugenden des Fastenden genau zu berücksichtigen. (Lillbopp, die Wunder des Christentums und deren Verhältnis zum tierischen Magnetismus. Mainz 1822. S. 181).

Die Kirche hat daher nicht einmal den frommen Nikolaus von der Flüe heilig gesprochen, welcher zwanzig Jahre lang ohne andere Speise gelebt hat, als die er einmal monatlich im Sakramente des Altars genossen. Er selbst sprach übrigens (nach Joh, v. Müller, Geschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft. 5. Bd. 2. C.) davon als von einer Eigenschaft, nicht wie von einem Verdienst. In der Biographie, welche der Jesuit Pater Hugo 1636 zu Freiburg herausgab (welche von den Bollandisten zu den Acta sanctorum, Tom. 3. chart. 398—439) aufgenommen wurde), heißt es: „schon von früher Jugend an fastete er wöchentlich viermal, und entfremdete sich so den störenden Eindrücken sinnlicher Dinge, daß eine außerordentliche Enthaltsamkeit ihm zur Natur wurde.“




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1