100. Ein Beispiel A. K. Emmerich, Nonne zu Dülmen

Als Beispiel hiervon insbesondere die A. K. Emmerich, Nonne zu Dülmen.



Anna Katharina Emmerich, Chorschwester des aufgehobenen Agnetenklosters zu Dülmen, hatte zahlreiche Visionen und die merkwürdige Unterscheidungsgabe schädlicher und nützlicher Pflanzen, sowie der Reliquien der Heiligen von anderen Beinen. In öftern Ekstasen eröffnete sie Leuten Geheimnisse, die sie nur aus höheren Eingebungen wissen konnte, besonders dem Pfarrer und ihrem Beichtvater. In der Gegend von Coesfeld geboren, war sie von Jugend auf sehr kränklich und fromm, und hatte schon, bevor sie ins Kloster kam, eine Erscheinung vom Heiland, der ihr als ein leuchtender Jüngling einen Blumenkranz in der linken Hand, eine Dornenkrone in der rechten zur Wahl darbot. Sie griff nach der letztern, drückte sie mit Inbrunst auf ihr Haupt, empfand aber, als sie zur Besinnung kam, einen heftigen Schmerz rings um das Haupt, und es stellte sich eine Blutung ein. 1802 kam sie in das Kloster zu Dülmen, und nun fing eigentlich ihre merkwürdige Geschichte an, die zuerst 1814 als echte Nachricht vom Medizinalrat von Druffel in der Salzburgischen medizisch-chirurgischen Zeitung, dann 1815 von ihrem sie behandelnden Arzte, den ich persönlich hierüber zu sprechen Gelegenheit fand, in einer eigenen kleinen Schrift bekannt gemacht wurde. Später wurden mehrere Nachrichten von ihr verbreitet, die zahlreiche Verteidiger und Gegner hervorriefen.


Die vorzüglichste, alles Historische enthaltende Schrift ist von dem jahrelangen Beobachter Clemens von Brentano: „Das bittre Leiden unseres Herrn nach den Betrachtungen der gottseligen Katharina Emmerich,“ dritte Auflage 1842. Schon von Jugend auf von schwacher Leibeskonstitution, war sie auch während ihres Klosterlebens nach den ärztlichen Berichten fast beständig krank, so daß sie schon von Anfang an oft mehrere Wochen bettlägerig war. Sie hatte Halskatarre; gallige Fieber mit Leibesverstopfungen; Krämpfe; Würmer; Menstruationsfehler, Blutbrechen, Ohnmächten und Zuckungen usw. Im März 1813 berichtete der Pfarrer Stensing an die geistliche Behörde, daß die Emmerich seit einigen Monaten keine Medizin und keine Nahrung mehr, als nur etwas kaltes Wasser (mit einigen Tropfen Wein nach Druffel) zu sich nehme; was sie sonst genieße, breche sie aus; sie schwitze dabei sehr stark. Abends stelle sich öfter eine Ohnmacht ein, während welcher sie ganz steif wie ein Holzklotz sei. Das Gesicht sei aber in diesem Zustande blühend, und wenn ihr so der priesterliche Segen erteilt würde, hebe sie die Hand und mache das Kreuz. (Nach Druffel war sie blaß und mager.) Was sie am meisten auszeichne, sei ein blutiger Kranz um den Kopf, ferner Wundmale an Händen und Füßen, in der Seite, und zwei bis drei Kreuze auf der Brust; diese und jene bluten oft; die letzteren gewöhnlich am Mittwoch, jene am Freitag, und zwar so stark, daß zuweilen dicke Tropfen herunterrollen. Dieser Bericht war mit Zeugnissen von Ärzten und Anderen unterschrieben und mit beigefügten Aussagen der Kranken begleitet. Dem Berichte wurde hinzugesetzt: daß die Emmerich von Jugend auf sehr religiös gewesen; daß sie die Ergebung in den göttlichen Willen für die größte Gabe des Himmels, besonders in Trübsalen erkenne, um dem gekreuzigten Erlöser ähnlich zu werden, im Kloster aber für eine Schwärmerin gehalten worden sei, weil sie öfter in der Woche zur Kommunion ging, von der Seligkeit der Leiden mit Enthusiasmus sprach, und mitunter auch ein Wörtchen von Visionen fallen ließ. Um dieses Factum aufzunehmen, begab sich die geistliche Behörde wiederholt nach Dülmen, welche die Sache mehr oder weniger dem Berichte übereinstimmend fand, besonders daß auf der Brust das Zeichen eines gleichsam doppelten Kreuzes aus einfachen roten, zusammenhängenden Strichen gestanden habe, unter welchem ein graulicher Fleck in Größe eines auseinandergelegten Kleeblattes von vier Blättern war, woraus anfangs viel brennende Feuchtigkeit floß. Leise Berührungen erregten Zittern der Arme und des ganzen Körpers. Das Bluten habe sich allmälig entwickelt und seit vier Jahren habe sie dabei unaufhörlich Schmerzen empfunden, und vor dem Bluten jedesmal ein stärkeres Brennen. Alle Berichte stimmten überein, daß keine Netzmittel die Wunden hätten erkünsteln können, denn man hat die Wunden später gewaschen und acht Tage lang streng beobachtet. Auf dem Rücken der Hände, der Füße, in der innern Fläche der Hände und unter den Fußsohlen zeigten sich die Wunden, und darauf eine Bluttruste, dünn wie Papier. Die Kranke wollte übrigens durchaus unbemerkt bleiben und kein Aufsehen machen, und hatte selbst Besuche ungern; am wenigsten suchte sie Gewinn von ihrem Leiden zu ziehen. Sie äußerte bei der Untersuchung, daß es sehr hart sei, einer solchen sich unterwerfen zu müssen, sie wünsche nur in den Willen Gottes ergeben zu sein. Es wurden dann von Münster aus auch von der gerichtlichen Behörde Untersuchungen angeordnet, und die Kranke mußte sich viele Unbilden gefallen lassen, weil man immer nur Betrug witterte; es haben aber auch diese zu keinen besonderen Ergebnissen geführt. In der Mastiaux'schen Kirchenzeitung 1821 steht auch der Bericht eines Besuches des Grafen v. Stolberg bei der Emmerich, welcher im Wesentlichen das Vorige bestätigt. Den ganzen Winter und Frühling, heißt es dort, bestand ihre Nahrung in einem Glas Wasser täglich und aus dem Saft eines Stückchens Apfel oder einer getrockneten Pflaume. Zur Kirschenzeit sog sie zuweilen an einer Kirsche. Zehn Tage lang sei sie von Bürgern Tag und Nacht bewacht worden. Es haben ferner einunddreißig Zeugen von jenen Bürgern das Factum bezeuget. — Stuhlgang hatte sie über drei Wochen nicht gehabt und alle zwei Tage habe sie Urin gelassen. Obgleich sie sehr stark schwitzt, so ist doch in dein kleinen Zimmerchen nicht der mindeste Geruch. In ihren Ohnmächten und Krämpfen hat sie manchmal Phantasien wie ein Fieberkranker, manchmal aber redet sie Wunderbares und Schönes. Freitags pflegen früh die Dornenwunden der Stirn und des Hinterkopfs zu bluten; später am Vormittage die acht Wundmale an Händen und Füßen; die Dornenwunden um den Kopf hat kein Maler so natürlich gemalt. Nach dem Abwischen des Blutes bleiben nur hellrote Pünktchen, wie Flohstiche. Aus allen Wunden dringen Tropfen unter den Blutrinden hervor, und wenn sie stärker bluten, dann wird sie sehr erleichtert. Das doppelte Kreuz auf der Brust blutet auch. Diese Nonne, die in der Kindheit Vieh gehütet und grobe Arbeit verrichtet hat, spricht mit zarter Stimme und drückt sich über die Religion in edler Sprache und erleuchtetem Verstande aus, was sie nicht im Kloster lernen konnte. Ihr geistvoller Blick, ihre heitere Freundlichkeit, ihre lichthelle Weisheit und ihre Liebe atmet aus Allem, was sie sagt.

Aus Brentanos Schrift ist eine merkwürdige Stelle nicht zu übersehen, in welcher er von ihrem Vaterlande anführt, daß es in der Gegend von Coesfeld sogenannte Gicker (Gucker, Seher) gebe, die Sterbefälle, Hochzeiten, Truppenzüge u. dergl. in Bildern voraussehen. Ferner, daß Katharina Emmerich zuweilen mit großer Mühe und Geschicklichkeit des Nachts ohne Licht Kleider für die Kinder armer Wöchnerinnen aus vielen Läppchen zusammengenäht habe, und am Morgen selbst sehr verwundert darüber gewesen sei. — „Ihr Jugendleben, sagt Brentano, hatte eine reiche Ähnlichkeit mit der Kindheit der ehrwürdigen Anna Garcias aus St. Bartholomäo und Dominica de Paradiso und ähnlichen kontemplativen Seelen aus dem Bauernstände. Sie genoss, so weit sie zurückdenken konnte, stets einer höheren, ihr jedoch sehr vertraulichen Führung bis zu ihrem Ende. Eine Gabe, welche uns in den Gesichten der Sta. Sibyllina von Pavia, Ida von Löwen, Ursula Benincasa und mehrerer anderen frommen und heiligen Seelen einzeln begegnet, war bei ihr von früher Jugend an beinahe permanent, nämlich die Gabe, das Gute und Böse, Heilige und Unheilige, Geweihte und Ungesegnete im Geistigen und Körperlichen zu unterscheiden. Sie trug als Kind nur ihr bekannte Heilkräuter weit aus dem Felde, und vertilgte im Gegenteil weit umher die Giftpflanzen, und vorzüglich jene, welche im Gebrauche des Aberglaubens und der Magie (??) offiziell sind. Sie fühlte sich an Orten, wo Heidengräber waren, unheimlich und zurückgestoßen und zu den Gebeinen der Seligen hingezogen. Sie erkannte die Reliquien der Heiligen in dem Maße, daß sie nicht nur einzelne unbekannte Züge aus dem Leben der Heiligen erzählte, sondern auch die ganze Überlieferungsgeschichte jenes heiligen Gebeines und alle Verwechselungen desselben bestimmte usw.“ In Rücksicht der Erscheinungen des ekstatischen Lebens verweist Brentano den Leser auf das Leben der Sta. Magdalena a Pazis, mit deren Zuständen die ihrigen viele Ähnlichkeit darboten.







Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1