094. Die Ekstase im Allgemeinen

Die Ekstase im Allgemeinen



Der höchste Grad des visionären Lebens ist die Ekstase — die Verzückung, Entrückung aus der sinnlichen Welt, so daß der Verzückte nur in Visionen einer rein subjektiven inneren Welt verloren meist ohne äußere Teilnahme bleibt. Bei dem Ekstatischen steigert sich das Gefühlsleben und die Phantasie zu einem so hohen Grad, daß der äußere Körper entweder wie im Scheintod oder kataleptisch unbeweglich und gegen alle außen, Reize unempfindlich ist; sein Geist schaut aber ferne und zukünftige Dinge. Von den vorigen Zuständen unterscheidet sich jedoch die Verzückung durch die Erinnerung, die ihr im wachen Zustande zurückbleibt, daher der wahre höhere Ekstatische des reineren magnetischen Hellsehens, der religiösen Begeisterung und der tiefsten Kontemplation mit der Außenwelt in Berührung bleibt, und zwar, daß er sogar aktiv und herrschend gegen dieselbe auftritt, und seinen Leib beliebig und oft mit einer viel stärkeren Kraft selbsttätig zu gebrauchen vermag, was er außer diesem Zustand nicht zu tun im Stande ist.


Es gehört zu der höhern Ekstase eine gewisse natürliche Disposition; sie kann aber auch durch äußere Mittel und Veranlassungen zu Stande kommen. Zu der natürlichen Ekstase sind sehr phantasiereiche Menschen, die Genies, mit einem reizbaren Nervensystem, und die leicht beweglichen Gemüter, besonders von religiöser Stimmung geneigt. Dichter und Künstler, so wie fromme in Kontemplationen vertiefte Schwärmer geraten gar nicht selten bei geringen Veranlassungen in Ekstase. Die ihnen so leicht zuströmenden Ideen sind ihre Welt des Geistes, die wirkliche hingegen ist ihnen nur ein Feld, auf das sich die unsichtbaren Ideale abspiegeln, oder die sie von der rohen Materie mit sich in die übersinnlichen Gebiete des Geistes erheben. — Dichter und Künstler haben daher auch sehr oft jene zarte körperliche Reizbarkeit mit jenen zur Askese, zu abnormen Verzückungen geneigten Personen gemein. „Denn im Innern des Geistes, sagt Cicero, ist die göttliche Weissagung versteckt und verschlossen, weil die vom Körper abgezogene Seele durch einen göttlichen Trieb bewegt wird, welche, wenn sie stärker entbrennt, Wut genannt wird. — Ohne diese Wut, behauptet Demokrit, gibt es keinen großen Dichter, welchem auch Plato beistimmt; denn eine jede Tätigkeit kann heftig und aufgeregt sein, wenn nur die Seele selbst nicht zu sehr aufgeregt ist. Was übrigens die sehr reinen Gemüter betrifft, so sind diese dem Göttlichen näher, kein Wunder, daß sie also künftige Dinge wissen.“ — So fiel der Maler von Fiesole zuweilen während seiner Arbeiten in solche Entzückungen und hatte in denselben ideale Anschauungen. Michel Angelo sagte selbst über ein von demselben gemaltes Bild der Maria: „So könnte kein Mensch ein Bild schaffen, ohne das Urbild gesehen zu haben“ (Görres Mystik 1. 155). Ein ähnliches Beispiel führt Werner in den Schutzgeistern von Mozart an . Der Engländer Blake, ein Maler, Kupferstecher, Musiker und Dichter, geriet Abends nach vollbrachtem Tagewerk öfter in Ekstase, unterhielt sich in seinen Visionen mit Heldengestalten der Vergangenheit, mit Genien und Dämonen, und wollte auf diesem Wege unter Andern ein Gedicht von Milton schaffen haben, das er Andern mitteilte. Noch sterbend sah er solche Gestalten, machte Gedichte, komponierte sie und sang sie ab.





Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1