091. Visionäre Erscheinungen bei Ohnmacht und Schwindsucht

Visionäre Erscheinungen im Nerven- und hitzigen Fieber, in der Ohnmacht und Schwindsucht.



In einem Nervenfieber steigerte sich das Fernleben und Wirken Lord Byrons bis zu objektiver von Anderen gewahr gewordener Projektion seines Bildes. Einige sahen in London sein Bild so deutlich und gewiß, daß eine Wette von hundert Guineen deshalb eingegangen wurde. — In der Zeit, da man ihn in London sah, lag er in Paris am Fieber krank, und Byron zweifelte nicht an der Wahrheit der Tatsache (ebenda.). Hier reflektierte sich die Aufregung des Sinneslebens in anderen mit Byron in Sympathie stehenden Personen.


Mit einem Geistlichen, dem Vater des Predigers Münnich in Brandenburg, redete in einem Nervenfieber eine Frau von ganz gewöhnlicher Bildung in jambischen Versen. In Wolfarts Jahrbüchern des Magnet. (II. 2.) steht die Erzählung von der Vision des Benvenuto Cellini in einer Fieberphantasie, die er in der von Goethe herausgegebenen Selbstbiographie mitteilt. „Diese leiblich und geistig überaus kräftige Natur war durch eine heftige Gemütsbewegung, wobei durch eine große Gefahr Ärger, Zorn und Tatentrieb in Aufruhr kamen, von einem hitzigen Fieber befallen worden. Die folgende Erscheinung des drohenden Todes in einem Bilde, das den vom Künstler oft abgebildeten Charon sichtbar bezeichnet, unterschied der Kranke hartnäckig vom Phantasieren und scheint es auch noch in der Erzählung wie ein Gespenst anzusehen, wovon ihn sein Felix befreite, wobei zugleich das tiefste magnetische Heilungsverhältnis sich auf eine merkwürdige Weise beurkundet.“ — „Indessen stand Felix — erzählt Cellini — mein Geselle, mir auf alle Weise bei, und tat für mich, was einer für den Andern tun kann. — Da ich nun so ganz bei mir war, kam ein schrecklicher Alter an mein Bett, der mich gewaltsam in seinen ungeheueren Kahn hineinreißen wollte; deswegen rief ich Felix, er solle zu mir treten und den abscheulichen Alten verjagen. — Felix, der mich sehr liebte, kam weinend gelaufen und rief: fort, alter Verräter! du sollst mir mein Glück nicht rauben! — Meiner Freunde Gegenwart diente nur zur höchsten Beruhigung; ich sprach mit ihnen ganz vernünftig und bat nur immer den Felix, er möchte mir den Alten verjagen. Herr Ludwig fragte mich, wie der Alte gestaltet sei, und während ich ihn beschrieb, nahm er mich beim Arm und riß mich in den schrecklichen Kahn. Kaum hatte ich ausgeredet, als ich in Ohnmacht fiel. Mir schien, als ob mich der Alte wirklich in den Kahn werfe. —Alsdann blieb ich in diesem Zustande, wie sie sagten, als ein Toter eine völlige Stunde. — Drei lange Stunden vergingen, ehe ich mich erholte. Auf einmal fühlte ich mich wieder und rief den Felix, daß er mir sobald wie möglich den lästigen Alten wegjagen sollte. Felix wollte zum Arzte laufen; ich aber sagte ihm, er solle bleiben; denn der Alte furchte sich vor ihm und mache sich fort. Felix näherte sich, ich berührte ihn und nur schien, daß der rasende Alte sich sogleich entferne; deshalb bat ich den Knaben, bei mir zu bleiben. Ans diese Worte warf sich Felix mir um den Hals und sagte: er wünsche nichts, als daß ich lebe. Ich entgegnete ihm: wenn du das willst, so halte mich fest und schilt auf den Alten, der sich vor dir fürchtet. Felix ging mir nicht von der Seite und allmälig wurde es besser mit mir. Der Alte war mir nicht mehr so beschwerlich; nur zuweilen sah ich ihn noch im Traume. Einmal träumte ich, der Alt komme mit Stricken Und wolle mich binden, Felix jedoch so däuchte mich, kam ihm zuvor und traf ihn mit einem Beil. Der Alte floh und sagte: laß mich gehen, ich komme eine ganze Weile nicht wieder.“[ Diese in Cellinis Fieberphantasie von seiner Seele gebildete Allegorie ist äußerst bezeichnend und sprechend. Sie beweist Nicht nur die Stärke des magnetischen Verhältnisses, das zwischen dem Kranken und seinem Diener Felix im Verlaufe der Krankheit sich gebildet hatte, sondern jedes Wort, jedes Bild, jeder Wechsel dieses lebendigen Gemäldes zeugt für die eigentümliche Sprache, welche die Seele in den erhöhten Zuständen redeten.

Im Scheintode oder mit der [/b]Ohnmacht stellen sich gewöhnlich allerlei Visionen ein, von denen die Erinnerung zuweilen bei der Erholung bleibt, und bei der Schwindsucht steigert sich sehr häufig das visionäre Gefühlsleben, während das leibliche schwindet. Menzel gibt in den Blättern aus Prevorst S. 165 folgendes merkwürdige Beispiel einer Ekstatischen im Scheintode aus Clavigeros Geschichte von Mexiko. „Parzanzin, die Schwester des Montezuma, starb 1509. Ihr Bruder ließ sie nach einem prächtigen Leichenbegängnisse in einer unterirdischen Höhle des Gartens des Palastes beisetzen und die Öffnung mit einem Steine zusetzen. Des folgenden Tages erwachte Parzanzin wieder, kehrte ins Leben zurück und ließ ihrem Bruder melden, daß sie ihm Dinge von Wichtigkeit mitzuteilen habe. Dieser kam voll Erstaunen zu ihr und hörte von ihr Folgendes: In meinem Todeszustande sah ich mich auf eine weite Ebene verseht, die ich nicht übersehen konnte. In der Mitte gewährte ich einen Weg, der sich weiterhin in viele Fußsteige teilte. Auf der einen Seite floß ein Strom mit fürchterlichem Geräusch. Ich wollte hinüberschwimmen; da ward ich eines schönen, in ein schneeweißes, blendendes Gewand gekleideten Jünglings gewahr, der mich mit den Worten bei der Hand faßte: halte, es ist noch nicht Zeit, Gott liebt dich, ob du es gleich nicht weißt. Darauf führte er mich am Ufer hin, wo ich eine Menge Menschenschädel und Knochen bemerkte und ängstliches Stöhnen vernahm. Auf dem Flusse sah ich einige große Schiffe mit Menschen von fremder Farbe und Kleidung gefüllt. Sie waren schön und hatten Barte, Fahnen und Helme. Es ist Gottes Wille, sagte der Jüngling, daß du leben sollst und Zeuge sein der großen Veränderungen, welche diesen Reichen bevorstehen. Das Stöhnen rührt von den Seelen deiner Vorfahren her, die ihre Sünden büßen. Die in den Schiffen werden sich durch ihre Waffen zu Herren aller dieser Reiche machen. Mit ihnen wird auch die Kenntniß des einigen wahren Gottes kommen. Nach Beendigung des Krieges, und wenn das Bad, das von allen Sünden reinigt, bekannt sein wird, sollst du es zuerst empfangen und Andere dadurch zur Nachfolge reizen. Nach dieser Rede verschwand der Jüngling und ich fand mich wieder lebendig, schob den Stein von der Türe weg und nun bin ich wieder unter den Menschen. Die Prinzessin lebte, wie man sagt, noch viele Jahre eingezogen. Sie war die erste, welche zu Tlatlalolko 1524 getauft wurde.“ Clavig. Geschichte, deutsch. Leipzig 1789.

„Wie in manchen Fällen, sagt Kieser, das abnorme ausgebildete geistige Leben in der intelligenten Form erscheint, als übermenschliches Erkennen, so kann in anderen Fällen diese abnorme psychische Ausbildung auch unter der Form des Gefühlslebens, als übermenschliches Schauen, sich darstellen und gibt dann den psychischen Somnambulismus. So ist mir ein Fall bekannt, daß vor dem Ausbruche der französischen Revolution ein sterbender Schwindsüchtiger den ganzen Verlauf und Ausgang derselben vorher verkündigte.“ (Kieser, Tellurismus 2. Bd. s. 81. Beispiele über Visionen in Ohnmachten und bei Sterbenden — bei Passavant).


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1