090. Visionäre Erscheinungen Veitstanze

Visionäre Erscheinungen im Veitstanze und Wechselfieber



Im Veitstanze bekommen Kranke zuweilen vorübergehende Visionen ganz divinatorischer Art, teils für sich, teils für Andere und nicht selten in Symbolen. In den Blättern von Prevorst (bei H. Werner, Symbol, der Sprache, ebenfalls abgedruckt) ist ein solcher symbolischer Somnambulismus erzählt, wie ich einen ähnlichen selbst beobachtet habe. „Fräulein v. Brand sah in einem heftigen Paroxysmus des Veitstanzes plötzlich eine schwarze unheilverkündende Krähe ins Zimmer fliegen, vor der sie, wie sie versicherte, sich nicht retten konnte, indem sie fortwährend umherschwirre und ihr etwas verkündigen zu wollen scheine. Diese Erscheinung erfolgte mit dem Paroxysmus acht Tage lang täglich. Am neunten, als die Anfälle leichter wurden, fing der Anfall mit der Erscheinung einer weißen Taube an, welche einen Brief mit einen, darin enthaltenen Verlobungsring im Schnabel trug. Gleich darauf erschien die Krähe mit einem schwarzgesiegelten Briefe. Am andern Morgen kam durch die Post ein Brief mit einer Verlobungskarte von einem Cousin und einige Stunden darauf die Nachricht von dem Tode ihrer Tante in Lohburg, von deren Krankheit sie nichts wußte. Von beiden Briefen, welche zwei verschiedene Posten am gleichen Tage brachten, konnte die Kranke unmöglich zuvor etwas wissen. Der Wechsel der Vögel und ihrer Farbe bei eintretender Genesung und vor Ankündigung erfreulicher oder trauriger Begebenheiten, die Symbole des Ringes und des schwarzen Siegels geben in dieser Vision, wie H. Werner bemerkt, neben dem richtigen Fernblick eine äußerst reine Seelenäußerung. Als die Kranke später einen Rückfall in den Veitstanz bekam, hatte sie den Drang zu singen und ihre Reden rhythmisch zu betonen. Dieser Drang artete zuletzt in förmliche Sing- und Reimwut aus, so daß sie die ihr erscheinenden Vögel und Schlangen und Teufel in lauter Reimen ausschalt.“ In Wechselfieberanfällen zeigen Kranke oft ähnliche Erscheinungen. „Madam Sees, eine schon im Wachen zu Visionen sehr geneigte Frau in Brandenburg, sah sich in der Hitze eines Anfalls des Wechselfiebers als kleines Kind in einer Lehmgrube liegend und die Wartefrau die Hände ringend daneben. Bald darauf sah sie sich, als größeres Kind, am Fuße des Bettes ihrer Mutter einen gewissen Spruch herbetend. Beides waren Tatsachen, von denen Madame Sees nichts mehr wußte, von deren Wirklichkeit aber der Vater ihr die bestimmteste Versicherung gab. Ersterer Unfall war ihr wirklich in frühester Jugend begegnet. Letzteres tat sie am Krankenbette der Mutter etwas später mit einem Spruche, den sie diese, als sie kaum sprechen konnte, gelehrt hatte.“





Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1