081. Die Divination und ihre Einteilung nach Cicero

Die Divination und ihre Einteilung nach Cicero.



Cicero hat schon eine eigene Schrift über das Wahrsagen verfertigt, welche einen Schatz enthält für alle zu der Magie gehörigen Gegenstände. Er fängt dieselbe auf eine, für unsere Geschichte höchst merkwürdige Weise, folgendermaßen an.


„Es ist ein alter und von den Heldenzeiten her von allen Völkern einstimmig angenommener Glaube, daß es unter den Menschen ein Wahrsagen gebe (esse divinatonem), d. i. ein Vorgefühl, eine Wissenschaft künftiger Dinge. Eine herrliche Gabe fürwahr, durch die die sterbliche Natur der Götterkraft sehr nahe kommt. Ich sehe kein Volk, weder so menschlich und gelehrt, noch so roh und ungelehrt, welches nicht an die Vorbedeutung künftiger Dinge glaubte, die einige verstehen und vorhersagen können. Was ist es also für eine Verwegenheit, durch das Alter befestigte und ehrwürdige Dinge durch Verleumdung über den Haufen stoßen zu wollen (quae est igitur calliditas, res vetustate robustas calumniando velle perveltere).“

Cicero[/i] bespricht diesen Gegenstand so lehrreich und anziehend, daß wir wohl etwas weitläufiger ihn mit seinen eigenen Worten anhören können.

„Die Wahrsagung ist zweierlei, eine künstliche oder natürliche. Die künstliche besteht teils aus der Voraussetzung, Vermutung, teils aus einer langen Erfahrung: die natürliche besteht darin, daß die Seele innerlich das Göttliche ergreift, daher wir reines Herzens sein sollten — haustos, libatosque animos habeamus.— Das künstliche Wahrsagen hat folgende Arten, Erstens das Wahrsagen aus den Eingeweiden der Tiere, und was man aus dem Blitze und Gewittern entnehmen kann; dann aus dem Vogelflug; aus den Gestirnen; aus den Losen; aus den Vorbedeutungen und Wunderlichen (ostenta). Bei allem diesen muß man mehr nach der Wirklichkeit als nach der Ursache fragen, man soll die Beispiele aller Völker beachten, und wenn man gleich die Ursachen nicht angeben kann, so kann man sie doch auch nicht bezweifeln, weil sie wirklich vorgefallen sind. — Nenn also Einiges falsch ist, Anderes nicht ganz so, wie man es vorhergesagt hat; so ist doch das Wahrsagen nicht aufgehoben, ebensowenig, als wie die Augen, welche nicht immer Dienste versehen, im Allgemeinen nichtsdestoweniger sehen und zum Sehen da sind. Gott will nicht, daß man dieses Alles wisse, aber er will, daß man davon Gebrauch mache.“

Merkwürdig sind einige Beispiele von Vorbedeutungen und den Losen (sortes), die hier angeführt zu werden verdienen. Kurz vor der Schlacht von Leuktra bekamen die Lacedämonier eine wichtige Vorbedeutung. In dem Tempel des Herkules fingen die Waffen von selbst an zu erklingen und das Bild des [b]Herkules
von vielem Schweiß zu triefen. Zu derselben Zeit sind auch zu Theben, wie Kallisthenes erzählt, die Schlösser und Riegel in dem Tempel des Herkules aufgesprungen, und die Waffen, welche fest an den Wänden hingen, sind auf dem Boden gefunden worden. Die böotischen Wahrsager verkündigten Sieg den Thebanern. Zur selben Zeit wurde den Lacedämoniern auf vielerlei Weise das Unglück von Leuktra vorbedeutet, denn auch die Bildsäulen des Lysander, welcher der vornehmste Lacedämonier war, und welche zu Delphi standen, wurden mit rauhen Gewachsen und wilden Kräutern bewachsen, und die goldenen Sterne, die von den Lacedämoniern nach jener gewonnenen Seeschlacht des Lysander jenen Bildsäulen aufgesetzt wurden, sind kurz vor der Schlacht bei Leuktra herunter gefallen. Allein das größte Vorzeichen war jenes der Spartaner, da sie den Jupiter von Dodona um Rat fragten, wie es sich wohl wegen des künftigen Sieges verhielte. Diese setzten den Sack, in welchem sie die Lose hatten, nieder, und ein Affe, welchen sich der König der Melosser zum Vergnügen hielt, verwirrte alle diese Lose, und auch das Übrige, was dazu gehörte, und streute sie allenthalben auseinander. Die Priester antworteten darauf gleich: die Lacedämonier möchten nur auf ihr Heil und nicht auf den Sieg bedacht sein.

Vor jener merkwürdigen Niederlage des Flaminius sind in Gallien und in den benachbarten Landen so heftige Erdbeben gewesen, daß selbst Städte eingefallen sind; die Erde sank an vielen Orten ein und das Meer ist in die Flusse zurückgewichen. Jenem phrygischen Mydas, da er noch ein Knabe war, haben die Ameisen, als er eingeschlafen war, eine Menge Weizenkörner in den Mund getragen, woraus man prophezeite: er werde sehr reich werden, was auch erfolgte. Und dem großen Plato haben sich die Bienen, da er noch in einer kleinen Wiege schlief, auf seinen Mund gesetzt. Es wurde geantwortet: seine Rede werde von einer außerordentlichen Lieblichkeit sein. Die Amme des Roscius sah in der Nacht, als sie von ungefähr erwachte, den in der Wiege schlafenden Knaben mit einer Menge Schlangen umstrickt, bei deren Anblick erschrocken sie um Hilfe schrie. Der Vater des Roscius trug das Kind zu den Wahrsagern, welche ihm antworteten: nichts würde berühmter und vornehmer als dieser Knabe sein. Auch die Römer hatten vor ihrer Niederlage in der Teutoburger Schlacht sehr bedeutende Vorzeichen. Der Himmel verkündete ihnen auf vielerlei Weise seinen Zorn. Der Tempel des Kriegsgottes in Rom war vom Blitze getroffen und verbrannt, die Bildsäulen der Siegesgöttin, die nach Germanien hinüberdrohten, wurden durch ein Erdbeben nach Italien zu umgewandt; Alpengipfel stürzten ein, und aus ihrem geöffneten Munde stiegen furchtbare Feuersäulen.

Es gibt solcher Vorbedeutungen in Menge auch aus der neueren Zeit vielfach gesammelt, und es haben sich unter denselben insbesondere die Lose am längsten und allgemeinsten erhalten. Die alten Deutschen, welche ebenfalls dem Wahrsagen sehr ergeben waren, hatten diese Loszeichen am allermeisten; die sie noch behielten, als sie bereits zum Christentum übergegangen waren. So entnahm man auch Vorzeichen aus dem Flug und Geschrei der Vögel; aus dem Krähen der Hähne; aus dem Wegziehen der Zugvögel; aus dem Schreien der Eulen und Krächzen der Raben; Vorzeichen auf Wetter, Glück und Unglück, auf Feuer, Krieg und Sterben. In Deutschland haben sich diese Arten des Wahrsagens so ausgebreitet, daß mehrere Verordnungen dagegen erlassen wurden. So ist durch die kursächsische Konstitution von 1572 und die Polizeiordnung von 1661 für diejenigen die Strafe des Schwerts gesetzt, die sich unterstehen, aus der Teufelskunst wahrzusagen oder mit dem Teufel durch Kristalle oder andere Wege Gespräch zu halten und sich von ihm geschehener oder künftiger Dinge Bericht und Erkundigung zu erholen.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1