080. Beispiele von Träumen aus älterer Zeit

Beispiele von Träumen aus älterer Zeit.

Beispiele von Träumen aus der altern Zeit dürfen einer Geschichte nicht ganz fehlen. Die Träume der Israeliten aus der Bibel werde ich später anführen. Hier mögen ein Paar aus Cicero (de divinatione) folgen, welcher viele Träume des gemeinen Lebens, sowie verschiedener Weltweisen erzählt. Merkwürdig sind besonders jene zwei des Simonides, an welche die Stoiker so oft erinnern. Als dieser Simonides irgend einen unbekannten Leichnam fand und ihn begraben wollte, so schien ihn dieser zu ermahnen, er möchte nicht das Schiff besteigen, welches er eben zu tun im Begriff war, denn wenn er zu Schiffe ginge, so würde er zur See ums Leben kommen. Simonides kehrte, bei Stimme folgend, um; die übrigen aber kamen wirklich alle auf der Reise um. Der andere und noch weit merkwürdigere Traum ist folgender. Als einstens zwei vertraute Arkadier mit einander reisten und so nach Megara gekommen waren, ging der eine in nn Wirtshaus, der andere als Gast zu einem Freunde. Als sie beide nach eingenommenem Nachtmahl sich zur Ruhe begaben, so schien dem einen, welcher sich beim Gastfreunde befand, im Schlafe, als bitte ihn sein beim Wirt eingelehrter Gefährte, er möchte ihm doch zu Hilfe kommen, weil der Wirt ihn umbringen wollte; dieser, durch diesen Traum erschreckt, sprang sogleich aus dem Bette; legte sich aber nachher, als er sich wieder gesammelt hatte und diesen Traum für nichts hielt, wieder nieder. Darauf erschien ihm jener aufs Neue und bat ihn, daß er doch, weil er ihm lebend nicht zu Hilfe gekommen wäre, seinen Tod nicht ungerochen lassen sollte; er sei vom Wirt ermordet, auf einen Wagen gelegt und mit Mist verdeckt worden, er solle nur daher frühmorgens am Stadttor sein, bevor er aus der Stadt geschafft würde. Dieser Traum bewegte ihn so, daß er schon in aller Frühe vor dem bezeichneten Tore stand und den Ochsenwärter fragte, was er denn auf dem Wagen verborgen hätte. Dieser ergriff erschrocken die Flucht; der Tote wurde gefunden und der Wirt erhielt seine Strafe. Merkwürdig ist auch jener Traum Alexanders des Großen, welcher neben dem tödlich verwundeten Ptolemäus, seinem Vertrauten, einschlief, und im Schlaf einen Drachen, der seiner Mutter gehörte, eine Wurzel bringen sah, der ihm sogleich sagte, diese würde den Ptolemäus heilen. Alexander erzählte den Traum; man fand die Wurzel und Ptolemäus und viele andere Soldaten genossen dadurch. Der Gemahlin des Julius Cäsar, Calpurnia, träumte, daß sie ihren Gemahl blutig in ihren Schoß fallen sehe; sie warnte ihn deshalb und bat ihn, desselben Tages nicht auszugehen; als er aber dennoch nicht hörte und doch aufs Rathaus ging, ward er mit 23 Wunden erstochen. — Es gibt ganze Völkerschaften, denen die Träume gleichsam heilig sind. So erwähnt Pomponius Mela (de situ orbis I. 8, 50) eines Volkes im Innern von Afrika, das sich auf die Gräber der Vorfahren schlafen legt, und die darauf gehabten Träume als untrügliche Sprüche der Verstorbenen ansieht.


Daß im Schlafe dem Menschen sich Wahrheiten erschließen, die ihm während des Wachens verborgen bleiben, ist durch die ganze Geschichte so häufig bestätigt, daß es wohl für Niemand vieler Beweise darüber bedarf. Das Wesen der Träume ist aber von tiefer Schauenden auch schon früher so treffend bezeichnet worden, daß man daraus sieht, daß sie aus der Häufigkeit derselben das Wahre von dem Falschen gut zu unterscheiden vermochten. Schon bei den Griechen sehen wir die Doppelnatur derselben völlig erkannt, wenn Homer (Odyssee, 19. Gesang B. 560) auf folgende Weise singt:

„Es gibt doch dunkle, unerklärbare Träume,
Denn es sind, wie man sagt, zwo Pforten der nichtigen Träume;
Eine von Elfenbein, die andere von Horne gebauet.
Welche nun aus der Pforte von Elfenbeine herausgehn,
Diese täuschen den Geist durch lügenhafte Verkündung;
Andere, die aus der Pforte von glattem Horne hervorgehn,
Deuten Wirklichkeit an, wenn sie dem Menschen erscheinen.“


Voß macht dazu die Bemerkung: Die Träume wohnen am Eingang des Schattenreichs. Der Grund zur Dichtung war ein Wortspiel; denn das Wort Elfenbein hat im Griechischen Ähnlichkeit mit Täuschen und Horn mit Erfüllen. Dazu kam die Eigenschaft der Materie, weil Horn durchsichtig ist, hingegen Elfenbein zwar durch seine Weiße Licht verheißt, aber durch seine Dunkelheit täuscht.

Man hat in der neuern Zeit eine große Menge merkwürdiger Träume gesammelt, die man in psychologischen Werken und Zeitschriften, insbesondere in Moritz' Magazin für Seelenkunde, in Schuberts Symbolik des Traums usw. findet. Beispiele von Träumen, wie sie dem magnetischen Hellsehen in aller Hinsicht gleichen, hat Passavant in der angezeigten Schrift gesammelt. Hier möge Ein Beispiel noch aus einem Briefe des heiligen Augustin an Evadius folgen (August. Epistola 159. Editio Antwerpen I. I. p. 428).

„Ich will dir etwas erzählen, schreibt A., worüber du nachdenken kannst. Unser Bruder Gennadius, uns Allen bekannt, einer der berühmtesten Ärzte, den wir vorzüglich liebten, der jetzt zu Karthago lebt und sich ehedem zu Rom ausgezeichnet hatte, den du selbst als einen gottesfürchtigen Mann und mitleidsvollen Wohltäter kennst, hatte, wie er uns vor Kurzem erzählt, als Jüngling und bei aller seiner Liebe für die Armen, Zweifel, ob es wohl ein Leben nach dem Tode gebe. Da nun Gott seine Seele nicht verließ, erschien ihm im Traume ein Jüngling, hellglänzend und würdig des Anblickes, und sprach zu ihm: folge mir. Als dieser ihm folgte, kam er zu einer Stadt, wo er zur rechten Seite Töne des lieblichsten Gesanges vernahm. Da er nun gern gewußt hätte, was dies wäre, sagte der Jüngling: es seien die Lobgesänge der Seligen und Heiligen. Er erwachte, der Traum entfloh, er dachte aber so weit noch nach, als man über einen Traum zu denken pflegt. In einer andern Nacht, siehe! da erschien ihm der nämliche Jüngling wieder, und fragte, ob er ihn kenne? Er antwortete, daß er ihn gut kenne, worauf der Jüngling weiter fragte, woher ihn denn kenne? Gennadius konnte genau Antwort geben, konnte den ganzen Traum, die Gesänge der Heiligen ohne Anstoß erzählen, weil ihm Alles noch in frischem Andenken war. Dann fragte Ihn der Jüngling, ob er das, was er soeben erzählt habe, im Schlafe oder wachend gesehen habe. Im Schlafe, antwortete er. Du weißt es recht gut und Haft Alles wohl behalten, sagte der Jüngling; es ist wahr, du hast es im Schlafe gesehen, und wisse, was du jetzt siehst, siehst du auch im Schlafe. — Jetzt sprach der lehrende Jüngling: wo ist denn nun dein Leib? Gennadius: In meiner Schlafkammer. Der Jüngling: Aber weißt du, daß deine Augen jetzt an deinen Körper gebunden zugeschlossen und untätig sind? Gennadius: Ich weiß es. Der Jüngling: Was sind denn also das für Augen, mit denen du mich siehst? Da wußte Gennadius nicht, was er antworten sollte und schwieg. Da er zögerte, erklärte ihm der Jüngling das, was er ihn mit diesen Fragen lehren wollte, und fuhr fort: Wie die Augen deines Leibes jetzt, da du im Bette liegst und schläfst, untätig und unwirksam sind, und dennoch jene Augen, mit denen du mich siehst und dies ganze Gesicht wahrnimmst, wahrhaftig sind, so wirst du auch nach dem Tode alsdann, wenn die Augen deines Leibes nicht mehr tätig sind, doch noch eine Lebenskraft zum Leben und eine Empfindungskraft zum Empfinden haben. Laß dich also in keinen Zweifel mehr ein, ob nach dem Tode ein anderes Leben sei. — So ward mir, bezeugte der glaubwürdige Mann, aller Zweifel benommen. Und wer belehrte ihn wohl anders, als die Vorsicht und Erbarmung Gottes?“




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1