079. Das Übertragen von Träumen an Andere

Das Traumsenden und das Übertragen von Träumen an Andre.



Es ist nicht etwas gar so Seltenes, daß Verwandte, oder sonst durch irgend einen Rapport mit einander verbundene Menschen zu der nämlichen Zeit gleiche Träume haben, ganz besonders aber dann, wenn der Traumgenius mit dem poetischen Aufschwung gleichsam den Zwischenträger macht. So träumte ein Domherr in Werda am Rhein in gleichen Versen, in welchen Melanchthon in einem Sterbeliede, das er träumend sang, ihm seinen Tod ankündigte. Ein Freund Schuberts, dem die Krankheit seiner Schwester völlig unbekannt war, stand in ihrer Todesnacht schlafend auf und schrieb unter Klagen und Seufzen etwas nieder. Am andern Morgen fand er zu seinem Schrecken ein Papier mit dem Gedicht auf den Tod seiner Schwester. (Werner, Symbolik der Sprache. S. 88).


Durch die Einwirkung auf die äußeren Sinne, vorzüglich durch leise Worte oder Töne auf das Gehörorgan kann man den Schlafenden willkürlich träumen machen und ihn gleichsam in beliebige Stimmungen versetzen. Aber noch merkwürdiger ist das Traumsenden, die Erzeugung der Träume bei Schlafenden durch den bloßen Willen. Schon Agrippa von Nettesheim (De occulta philisophia lib. III. Lugd. P. 13) erzählt: daß man in großen Entfernungen ganz natürlich und ohne allen Aberglauben auf einen andern Menschen geistig einwirken könne, selbst dann, wenn man auch nicht einmal den Ort und die Entfernung desselben kenne, wobei man jedoch die Zeit nicht ganz sicher bestimmen könne, innerhalb 24 Stunden müsse es jedoch notwendig geschehen. Dies habe ein Abt Trithemius getan und er vermöge es auch und habe es öfter getan — („et ego id facere novi, et saepius feci“). In der neuern Zeit erzählt Wesermann in Düsseldorf mehrere Versuche, die er mit dem willkürlichen Traumsenden angestellt habe. (Kiesers Archiv für den thier. Magnet, 6. Bd. 2. St. S. 136).

Bei dem zweiten Gesichte der Schottländer ist beobachtet worden, daß gleichfalls mehrere weit von einander entfernte Seher, die sich nicht einmal kannten, zu gleicher Zeit ganz das gleiche Gesicht hatten.

Da solche Tatsachen wohl nicht zu leugnen sind, wie denn auch Ahnungen und gleiche Gedanken unter Bekannten und Freunden öfter stattfinden, so ist an einer geistigen Wechselwirkung wohl nicht zu zweifeln. Aber wie geschieht sie? Geistige Wesen als Zwischenträger sind nicht anzunehmen, da dieses ja ein ungebetenes Geschäft für die Geister wäre, mit denen die Beteiligten ja auch in keinem unbewussten Verkehr stehen. Ein Übergang der Seele des Einen zu dem Andern ohne seinen Leib ist ebenso wenig denkbar, da im Leben die Seele den eigenen Leib nicht verlassen und sich ebenso wenig verdoppeln kann, und da sie auch in diesem Falle, nicht äußerlich, d. i. raumzeitlich auf ihn, sondern immer doch unmittelbar innerlich und geistig wirken muß. Die Wechselwirkung ist also nicht anders denkbar, als durch ein unmittelbar polares geistiges Anregen, und wenn dieses möglich und wirklich ist, so sind andere geistige Einflüsse ebenso denkbar und möglich.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1