078. Der poetische Traumgenuss

Der poetische Traumgenius und seine Verwandtschaft mit dem Dichter und Propheten.



Der innere Traumgenius wird zuweilen so lebendig, daß er einen ganz poetischen Aufschwung nimmt, und sogar die Organe des Willens, die Muskelglieder aufweckt. Es gibt Beispiele, daß Menschen im Traume die schönsten Gedichte verfertigt und in klingenden Versen, wie im magnetischen Schlafe, gesungen haben; daß sie musikalische Kompositionen aufgefetzt und andere während des Wachens halb oder ganz unausgeführte Arbeiten fertig gemacht haben. Ebenso sind der Beispiele von Prophezeiungen künftiger pünktlich eingetroffener Ereignisse in zu großer Menge bekannt, als daß hier davon solche angeführt zu werden brauchten; was alles zusammengenommen den Satz wohl rechtfertigt: daß der innere Traumgenius mit dem Seher, wie mit dem Dichter und Propheten vollkommen übereinstimme. Und wie sollte nicht auch einmal den Traumseher eine höhere Begeisterung überkommen, in welcher der ihm eingeblasene Odem Gottes sein Herz entzündet und sein Gesicht erleuchtet, daß er, wie David, Hymnen zum Lobe seines Schöpfers anstimmt, den ihm sein äußeres Auge im natürlichen Wachen beinahe (und oft) ganz verbirgt, und daß er über Zeit und Raum hinausschaut, in welchen er ja doch eigentlich nicht zu Hause ist?! Ebenso legt der Traum Zeugnis ab von der ursprünglichen und gemeinsamen Sprache, die im (symbolischen) Bilde die Sache sieht und mit einmal fertig schaut, was der prosaische Verstand mit seinem mühsamen Erklären und Zersetzen doch nie zu Stande bringt. In dieser Art sind der Traumpoet, die Pythia und der begeisterte Prophet Geschwister, von gleicher Herkunft, wie von gleichem Aussehen.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1