077. Die allegorische und symbolische Bedeutung der Träume

Die allegorische und symbolische Bedeutung der Träume mit Beispielen.



Die Bedeutung der Träume ist nach der inneren Natur derselben zu schätzen. Ob die Träume überhaupt je etwas bedeuten, oder allemal nur Phantome sind; inwiefern die Allegorien und Symbole wahren Gehalt haben oder nicht: darüber zu urteilen ist man wohl aus den vorhergehenden Betrachtungen in Stand gesetzt. Sind gleich die allermeisten Träume des natürlichen Schlafes bloße Spiele der innern Sinnesenergien: so sind sie es doch nicht alle, und vielleicht gibt es keinen Menschen, der nicht zuweilen etwas Bedeutungsvolles träumt, was ihn zunächst selbst angeht, wenn er überhaupt aufgelegt und im Stande wäre, dasselbe zu beachten. Wenn das Blut und die Seele des Schlafenden mit keinen störenden fremdartigen Dingen beladen wäre; wenn man die äußern Einflüsse, die das Träumen bedingen, kennte; wenn die Erinnerung der Traumgesichte stark genug blieb, und wenn man die Sprache des Traums jedesmal verstünde: so würde man an dem Traume oft einen belehrenden Genius haben.


Träume mit wechselnden Gestalten und gaukelndem zusammenhangslosem Gewirre sind meist von körperlichen Unordnungen und Säftebewegungen veranlaßt, und wohl immer ohne Bedeutung. Eine höhere Klasse bilden die Allegorien, einfache, leicht deutbare Bilder mit einem mehr feststehenden Charakter. Oft werden damit ferne und künftige Ereignisse angedeutet; Gegenden und Schicksale werden im voraus erblickt, die man später in der Erfahrung wirklich kennen lernt. Eine noch höhere Art sind die divinatorischen Träume, die wie das magnetische Hellsehen über Zeit und Raum entlegene Geheimnisse erblicken, welche meist den Träumenden nicht selbst angehen, und hier sind es dann ganz vorzüglich die Symbole, welche ferne Begebenheiten und oft höhere Angelegenheiten des Geistes betreffen, und wohl oft von höheren Einflüssen bedingt sein mögen.

Die Bedeutung der Traumbilder ist übrigens bei verschiedenen Menschen, wie schon früher angedeutet worden, meist eine gleiche, und schon von der ältesten Zeit her ein Gegenstand von besonderen Arbeiten gewesen, wodurch Mehrere seit Artemidor solche Traumauslegungen geliefert haben, was jedoch selten mit viel Glück geschehen ist, weil die Elemente dazu wohl den Forschern selbst meist fehlen und ebenso die Umstände und der Komplex der Traumerscheinungen ihnen nicht so leicht ganz zugänglich sind. So bedeuten trübe und große Wasser Kummer und Gefahren; Dornen, Beschwerlichkeiten; Reden, Tränen; das Träumen von Toten bedeutet Regen am folgenden Tage, das Verweilen in Kirchen, Krankheiten usw.; oft aber spielt das Träumen eine Art Ironie, und es bedeutet ganz das Gegenteil: die Allegorien und Symbole aber werden oft nur dem häufig träumenden und auf Träume achtenden Beobachter offenkundig. Hierhin könnten eine Menge Traumgeschichten aus der altern Zeit, aus Cicero usw. beigebracht werden; als Beispiele mögen ein Paar aus der neueren Zeit folgen.

Ein allegorischer Traum wird in den Blättern aus Prevorst (5, 65) erzählt. Dr. X., ein Freund des Universitätslehrers Sachs in Erlangen, eines Albino, hatte in der Nacht nach einem Abend, den er in naturwissenschaftlichen Gesprächen mit diesem, seinem Lehrer zugebracht hatte, folgenden Traum. „Ich bestieg einen Berg, auf dem ein Tempel sich befand. Als ich sein Inneres betrat, sah ich in einem schwarz behangenen Saal ringsum Freimaurer sitzen. Ich hörte einen herrlichen, ergreifenden Trauergesang. Auf meine Frage, wem der Gesang gelte, erhielt ich die Antwort: dem Bruder Sachs. Ein Vierteljahr darauf, als ich die Universität verlassen hatte, erhielt ich die Nachricht von Sachs' Tode, der sich bei Besteigung eines Berges eine tödliche Krankheit zugezogen hatte. Ein halbes Jahr nachher wohnte ich in einer Loge zu N. der Totenfeier bei, die dem Bruder S. in einer Loge gehalten wurde.“ Ganz ähnliche allegorische Anschauungen erzählen zuweilen magnetisch Hellsehende und von den Orakeln sind ähnliche aufgeschrieben. Als im Jahre 1831l in Berlin die Cholera ausbrach, war man in Brandenburg voll Angst. Der Schullehrer K. aber sagte: „Ich sah im Traumein Ungeheuer von Osten kommen bis in die Nähe von Brandenburg Da machte es einen großen Sprung links und rechts. Brandenburg wird frei bleiben.“ So traf es pünktlich ein. (Ebend. 8, 88.) Mehrere interessante Beispiele über allegorische Träume und Gesichte führt auch H. Werner in den Schutzgeistern und in der Symbolik der Sprache an, wo teils einzelne Zustände, teils der ganze Gang der Krankheit und die Genesung, sowie Arzneiverordnungen; oder wo gewisse Gefühle in Personifikationen; oder als Handlungen hervortreten, oder wo sonst künftige Ereignisse allegorisch angedeutet werden.

Oberlin (Berichte eines Visionärs über den Zustand der Seelen nach dem Tode, mitgeteilt von Schubert. 1837) führt merkwürdige Beispiele von symbolischen Träumen an, die er selbst vielfach erfahren hat, mit der Bemerkung, daß manche Träume tiefer liegen, und in einem tiefern Grunde oder Theater aufgeführt werden, als wir uns einbilden. „Wenn ich, sagt er, einen solchen tiefen Traum nicht gleich sorgfältig beim ersten Erwachen gleichsam in den äußern Menschen, in das äußere Gedächtnis übersetze, so ist mir die Vorstellung für diesmal verloren, bis etwa das Innere auf ein andermal wieder geöffnet ist. Es wurden mir zwei junge Männer vorgestellt, die aus eitler Ruhmsucht wie durch Nadelöhre sich hatten drängen wollen und dazu alle ihnen mögliche Anstrengungen gemacht hatten. Sie waren so erschöpft, über und über voll Schweiß; das Gesicht aufgetrieben, rot und wie einem Schlagflusse ganz nahe. Es ward mir gesagt: wenn diese ihr Leben, und alles was daran hängt, Weib und Kind zu verlieren sich in Gefahr setzen, um eines elenden Schattenbildes willen, was solltest du nicht tun, um die überschwängliche Verheißung zu erhalten. Ein anderes Mal wurde mir das Innere eines Tempels geöffnet, durch den ich mit inniger Furcht und tiefer Ehrerbietung ging. Er war mir dunkel, doch konnte ich eine von mir noch nie gesehene, erhabene Pracht und majestätische Einfalt wahrnehmen. Es begegnete mir Einer, gleich als ein Sakristan; er verwies mir liebreich und ernst, daß ich da eingetreten sei, was mir zu tun nicht gebührt habe. — Der Tempel lag wie auf einer wunderherrlichen Insel; der Ort führte in der Sprache der Jenseitigen einen ähnlich lautenden Namen, wie unser Waldbach, hatte aber noch den Beinamen Philadelphia. Beim Hinaustreten sah ich eine Wiege mit acht wohlgebildeten aber überaus kleinen Kindern. Die Mutter, die dabei saß, eine schlanke, leichte Gestalt, sagte auf mein Befragen, daß die Kinder keine Zwillinge, sondern einzeln nach einander ganz überaus leicht seien geboren worden; schien aber zugleich verlegen, daß noch keines, auch der ältern, zu gehen vermöchte; daß sie noch alle Wiegenkinder wären. Dabei wurde mir innerlich bedeutet: das geht dich an. So geht's, wenn man zu leicht und ohne Mühe durch die Geburten und Leiden hindurch reisen will; da gebärt man nur Kinder, die unzeitig sind und nie kräftig werden. — Auch wurden mir Blumenstöcke gezeigt mit einem schwarzgrünen Muß, wie Theriak gefüllt, aber schädlicher Natur und mit weichem Glase überzogen. Dabei wurde mir gesagt: das wären die Produkte der Belletristen oder der sogenannten Schöngeister. Ein andermal wurden mir die Gassen einer Stadt gezeigt, die von ihrem sehr tiefen Unflat so gereinigt waren, daß die Fundamente der Häuser bloßstanden. Ich begriff bei diesem Bilde, ich sei nun zwar von vielen Unreinigkeiten gesäubert; aber nun müsse ich noch mit gegenteiligen Tugenden versehen werden, sonst würde das aufzuführende Gebäude am Fundamente Not leiden.“ Bei seinem heftigen Sehnen zu sterben, wurden ihm Feuer und Wasser als unvereinbar vorgestellt und bald darauf ein halbfertiges Gebäude von Gnadenstimmen gezeigt, an welchem ein ihm bekannter geschickter Maurer, und zwar an einem in der Mitte der Mauer längst eingefügten Steine häkelte, was ihm widersinnig vorkam. Es wurde ihm aber gesagt: so sei es, wenn man, ohne fertig zu sein, ins Leben eingehen wolle, da müsste ja neuerdings gehobelt und gehäkelt werden.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1