075. Weitere Erläuterungen von J. Hamberger

Weitere Erläuterung zu vorstehendem §. und nach J. Hamberger.



Über diesen Gegenstand laßt sich Hamberger, nachdem er Cham (der Erhitzte) die Stelle des Brudermörders Kain; Sem (der generische Name Mensch), dessen Geschlecht priesterlich, die Stelle des frommen Abel, und Japhet (der sich Ausbreitende), den Gott ebenfalls lieb hatte, der aber mehr auswärts, eine auf die Welt gehende Richtung hatte, die Stelle des Seth einnehmen läßt, also vernehmen. „Ganz unstreitig war es aber doch noch ein Göttliches, was die Heiden im Auge hatten, und keineswegs, wie so häufig angenommen wird, die bloße gemeine Natur, welcher sie göttliche Ehre erwiesen. Nicht also die Gesteine oder Elemente waren es, denen sie als göttlichen Wesen huldigten, sondern vielmehr die denselben zu Grunde liegende göttliche Idealwelt, mit welcher sie durch die äußere Natur hindurch in einer gewissen Vereinigung und so immer noch im Vorhof der göttlichen Herrlichkeit standen, ohne jedoch bis zum Antlitze des Herrn selbst durchdringen zu können. Die Japhetiten vermochten den Gedanken Gottes nach seinem innern Wesen nicht fest zu halten, sie waren mehr der Welt und ihren Angelegenheiten hingegeben, und so war ihre bloße Erkenntnis des äußern Wesens Gottes, was man als göttliche Idealwelt bezeichnen kann. — Die Semiten wurden die Träger der Erkenntnis Gottes als einer Einheit, wie sie in der tiefern Religion des alten Testaments bewahrt wurde, gleichsam als die Scheidung des achtes von der Finsternis. Die Nachkommen Chams fielen an und für sich aus dem Kreise der wirklichen geschichtlichen Entwicklung völlig heraus, indem sie sich in dem Maße von Gott abwendeten und sich dem Geiste der Finsternis überließen, daß sie in einen höchst wilden Natur- oder vielmehr Infernaldienst, und in dessen Folge in den äußersten Stumpfsinn des sinn- und verstandlosen Fetischismus versanken. Einige Völker jedoch chamitischen Ursprungs, wie z. B. die Ägypter, für eine höhere Einwirkung durch die Semiten empfänglich und darum auch derselben teilhaftig, wurden durch diese nicht nur vor einem tieferen Sinken bewahrt, sondern gelangten auch zu einer gewissen Höhe der Gotteserkenntnis oder vielmehr der Erkenntnis der Natur Gottes und deren Entfaltung in eine Vielheit von Kräften. — Offenbar wird den Heiden alle Religiosität abgesprochen, wenn man von ihren Göttern behauptet, daß sie in keiner Beziehung etwas Göttliches gewesen seien. Dies geschieht aber damit, daß man annimmt, sie hätten bloßen Naturdingen, wie den Gestirnen oder Elementen göttliche Ehre erwiesen. Hierbei fällt indessen schon von selbst auf, daß das angebliche Vergöttern ein Göttliches voraussetzt, womit die Kreatur in völlige Übereinstimmung gekommen sein müsste, wenn man etwa einen Menschen vergötterte. Die Völker des Altertums waren, wie die Geschichte unwidersprechlich beweist, so hohen und erweckten Geistes, daß eine alles eigentlichen Sinnes entbehrende Religion unmöglich Raum bei ihnen gewinnen, noch weniger Jahrtausende lang sich erhalten konnte. Selbst unter den Kindern Israel ergaben sich einzelne wegen ihrer Weisheit hoch gepriesene Männer, wie Salomo, dem Heidentume, was wohl nicht hätte der Fall sein können, wenn diese heidnische Religion alles und jeden Grundes entbehrt hätte. Mit welchem Ernst haben die Heiden selbst ihren Göttern sich hingegeben und ihnen die herrlichsten Tempel gegründet, mit unsäglicher Mühe wohl ganze Felsenberge ausgehöhlt, um sie nur recht würdig zu ehren. Aus den namentlich vom griechischen Altertume übrig gebliebenen Götterbildern spricht uns ein, noch jetzt die bloße irdische Natur überragender Geist an. Daß Staaten ohne Religiosität gar nicht bestehen können, lehrt die Geschichte nur zu deutlich, und doch sollen die heidnischen Religionen ein bloßes Phantom gewesen sein? Selbst die mosaischen Schriften gestehen den heidnischen Gottheiten eine gewisse Realität zu, z. B. 2. Mos. 15, 11. „Herr wer ist dir gleich unter den Göttern. — Alles was ich gesagt habe, das haltet, und anderer Götter Namen sollt ihr nicht gedenken usw.“


Die Sehnsucht, heißt es weiter nach Fr. v. Schlegel, ist der Anfang und die Wurzel alles höheren Wissens und aller göttlichen Erkenntnis; die Ausdauer im Suchen, im Glauben und im Kampfe des Lebens bildet die Mitte des Weges j das Ziel bleibt hier für den Menschen immer nur ein Ziel der Hoffnung. Die notwendige Epoche der Vorbereitung, des allmählichen Fortschreitens läßt sich in diesem edelsten Streben des Menschen nicht überspringen oder auf die Seite werfen. — Schon in der Entfaltung und Fixierung ihres religiösen Bewusstseins wirkten die Völker, die zum Behuf der selbstständigen Entwickelung sich trennten, wieder aufeinander ein, und namentlich waren es ohne Zweifel die Semiten, durch welche, da sie ihrem ganzen Wesen nach einer höheren Einwirkung der göttlichen Gnade fähig waren, die Japhetiten hierin unterstützt und vor so vielen Irrwegen bewahrt wurden. Durch die Bemühungen dieser wahrhaften Bildner der Völker ergab sich bei denselben ein eigentlicher Gottesdienst und eine bestimmte religiöse Verfassung, durch welche nicht nur der Zusammenhang mit den Göttern beständig unterhalten, sondern auch eine immer innigere Vereinigung mit denselben herbeigeführt werden sollte. Dem frommen Heiden war es nämlich keineswegs um eine bloße müßige Erkenntnis seiner Götter oder um eine bloße Beschäftigung seiner Phantasie mit denselben zu tun, er war vielmehr mit dem tiefsten Ernste darauf gerichtet, in ein recht inniges Verhältnis mit denselben zu kommen und ihnen gleichsam einverleibt zu werden. Aus diesem Grunde lag auch in den Mitteln, welche die Heiden zu diesem Behufe anzuwenden sich getrieben fühlten, eine so große Macht und Wirksamkeit. Der Ewige will nämlich seine Kinder, wenn sie auch auf noch so entfernten Wegen sich ihm annähern, doch niemals ohne Hilfe lassen, sondern läßt sich von ihnen finden, wie ße ihn eben suchen und anrufen mögen. — Einer eigentlichen geistigen Vereinigung mit dem Höchsten waren die Heiden noch nicht fähig. Gott stand daher durch die Natur, namentlich in den Orakeln, nicht minder durch ihre in prachtvollen Tempeln bewahrten Götterbilder, durch ihre heiligen Gebräuche, Gebete und Segnungen und Opfer, welche nicht willkürlich, sondern nach höheren Gesetzen geordnet waren, in einem wahrhaften, lebendigen, höchst wirksamen Verhältnis zu ihnen, welches häufig selbst in Wundern, die auch dem Heidentume keineswegs fremd waren, sich kundgab. Hierdurch und besonders durch die Mysterien, in welchen dem Gemüte die Gottheiten gleichsam starben und ihrer Leiblichkeit entkleidet zu einem geistigen Dasein wiedergeboren wurden, verbreitete sich über das ganze Leben der heidnischen Völker ein reicher, mächtiger Segen, auf welchem die Ordnung der Staaten, die Ehrfurcht vor den Oberhäuptern und vor den Gesetzen beruhte, durch den sich die edelsten Tugenden und überhaupt alle Anlagen des menschlichen Geistes höchst glücklich entwickelten.

Daß so der eigentliche Pulsschlag des Lebens bei ihnen fehlte, kann um so weniger befremden, als sie in der streng festzuhaltenden Parallele zwischen der Geschichte der Menschheit und der Schöpfungsgeschichte keinem andern Momente, als dem Werden des zwar glänz- und farbenreichen, aber starren Mineralreichs entsprechen, aus dessen Tiefen nunmehr ein höheres Leben, dessen Same von oben herab in dasselbe eingegangen war, ans Licht treten sollte. — Die Nachkommen Abrahams waren bekanntlich durch besondere Fügungen Gottes in das heidnische Ägypten geführt worden und hatten sich hier zu einem großen Volke vermehrt. Im Drange des dort erlittenen Druckes war ein Abfall von dem Gotte der Väter zu fürchten, der hier und da auch wirklich erfolgte. Der Glaube sollte aber für die nachfolgenden Zeiten eine bestimmte Fassung bekommen und auf immer reichere Weise entwickelt werden. Zu diesem Ende erweckte Gott den Kindern Israel in Moses einen großen Helfer und Retter, der mit Wunderkraft sowohl als auch mit tiefer Weisheit vom Ewigen ausgerüstet wurde. So waren ihm die Mächte der Natur unterworfen und die Wunder, welche der Herr durch ihn vollführte, mußten wohl, verglichen mit den heidnischen Wundern, um so größer und herrlicher sein, als Gott selbst den Israeliten nicht nach seiner äußern, sondern nach seiner inneren Herrlichkeit sich offenbaren wollte. Diese Wunder dienten zur Errettung der Kinder Israel aus der Knechtschaft. Allein die Widersetzlichkeit gegen die vom Sinai herab gegebenen majestätisch geoffenbarten Gesetze ist ein Beweis der eingewurzelten Sündhaftigkeit, weshalb sie auch vierzig Jahre lang in der Wüste verharren mußten, bis sie das heilige Land in Besitz bekamen. Diese Gesetze dienten zunächst, sie allmälig über die Natur auf eine höhere Lebensstufe zu heben, dann aber vorbildlich durch Opfer und Feste auf den wahren Heiland in der Hoffnung vorzubereiten, worauf vorzüglich die herrliche Reihe der Propheten immer klarer und deutlicher hinwies, bis endlich Christus leibhaftig unter der Menschheit erschien, um ihr die innersten Tiefen der Gottheit aufzuschließen und sie mit dem Ewigen wieder zu vereinigen, zu einer Zeit, wo die Völker offenbar in die tiefste Nacht gesunken waren und in den Schatten des Todes lagen, der erlösenden Gnade im höchsten Maße bedürftig. Über ihr wollte nun der Herr als das Licht der Welt, als die Sonne des Lebens aufgehen und zugleich auch seine Jünger als die wahren Gestirne, alle Welt zu erleuchten, hervortreten lassen. Jetzt war in Christo nicht nur das Allerheiligste, das Geheimnis seiner ewigen Liebe, völlig aufgeschlossen, sondern hiermit auch die ganze Fülle des äußern Lebens Gottes geoffenbart, der Zugang also zur Herrlichkeit allen Menschen eröffnet und so die Scheidewand, die bis dahin zwischen den Juden und Heiden stattgefunden hatte, aufgehoben. Was bis dahin beiderseitig als Geheimlehre gegolten hatte, das wurde nun überall offenkundig, und es konnte nun die Lehre von dem dreifaltigen Leben Gottes, sowie die Lehre von der heiligen inneren Welt des Herrn allen Völkern der Erde geradezu verkündigt werden.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1