062. Die Astrologie wird zu unrecht verpönt.

Zu der letzten Klasse gehört vorzüglich die Astrologie.



Die dritte Klasse, so nicht verboten ist, aber sich darauf zu verlegen den frommen Israeliten nicht geziemt, begreift die Astrologie. Dem Talmud und der Kabbalah zufolge haben die Gestirne einen ebenso großen Einfluß auf den Menschen als auf die gesamte Natur. Denn die Konstellation bei der Zeugung und Geburt eines Kindes bestimmt die physischen und geistigen Anlagen desselben. Daher es im Talmud heißt: „Kinder, Leben und Nahrung hängen nicht ab von der Frömmigkeit des Menschen, sondern von seinem Gestirne. Allein der Gestirne Einfluß erzeugt blos die guten oder bösen Anlagen, besitzt jedoch eine zwingende Gewalt über den Willen, der durchaus frei ist, und von dem es immer abhängt, den innern Neigungen seiner Natur zu folgen oder zu widerstreben. Wenn nun der Mensch ernsthaft seinem bösen Temperamente zu widerstreben sucht, und Gott um Beistand bittet, so wird, wie die Kabbalah lehrt, das Böse, das er durch die widrige Konstellation in sich trägt, zerstört und in Gutes verwandelt.“


Zwar stehet, heißt es weiter, jeder Israelit, wie jeder Mensch nach der Ursünde unter dem Einflüsse der Gestirnnatur; unter dieser Botmäßigkeit sollte jedoch der Mensch nicht bleiben, die göttliche Barmherzigkeit war gleich bereit ihn aus der Gewalt der Natur und der finsteren Mächte zu ziehen, aber der größte Teil der Menschen ließ sich nicht emporziehen, sondern blieb in der Äußerlichkeit der Natur stehen: dies waren die Heiden. Nur Abraham und sein Samen folgten dem höhern Rufe. Daher spricht der Prophet: „Vor den Zeichen des Himmels sollt ihr euch nicht ängstigen, davor haben sich blos die Böller zu fürchten. Wenn ihr in meinen Gesetzen wandelt, und meine Gebote haltet, so werde ich euch Regen geben zur rechten Zeit usw., d. h. Gott führt das israelitische Volk im Natürlichen auch mittelst der allgemeinen Naturkräfte, allein er wirkt nicht nach dem natürlichen, sondern nach dem übernatürlichen Gesetze der Gnade. Der Israelit ist daher auch nur in soweit dem Naturgesetze enthoben, als er sich der Gottheit hingibt und mit ihr unmittelbar verbunden ist. Jene übernatürliche Führung hört daher in dem Maße auf, als jeder Einzelne die Wege des Herrn verlässt. Dann fällt das Individuum oder das ganze Volk der Gewalt — Keri, der Natur anheim usw. — Aus diesem Grunde, sagt der Talmud, soll sich der Israelit nicht zu den Sterndeutern wenden, oder um sein Schicksal die Sterne befragen, sondern er soll Gott vertrauen. Damit ist jedoch nicht gemeint, als müsse der Jude die Astrologie durchaus verachten, und wenn ihm von einem Astrologen etwas gesagt wird, geflissentlich dagegen handeln. Denn der Mensch darf sich nicht auf Wunder verlassen. Er soll sich vielmehr die Sache in Gedanken nehmen, aber keineswegs dem unbedingten Glauben an die unabänderlichen Wirkungen der Gestirne Raum geben, sondern das Vertrauen fassen, daß Gott Alles zum Guten lenken werde. Nicht zu dem unbedingten Glauben, sondern zu der Naturweisheit gehört die Astrologie. Wer aber seine Prophezeiungen auf Astrologie gründet, erleidet die Todesstrafe. Auch das Tagewählen war den Juden verboten, — das Tragen astrologischer Amulett zur Heilung von Krankheiten, wobei die Zeichen der Gestirne auf Metallen eingezeichnet sind, ist nicht verboten, und ebenso ist das Tragen der Edelsteine erlaubt, welche die Kräfte der Planeten anziehen. Doch die Frommen bedienen sich solcher Mittel nicht und tragen blos die heiligen Namen als Amulette.

Endlich gehört in diese Klasse der Umgang mit den sogenannten Naturgeistern, deren es unter dem gemeinschaftlichen Namen der Schedim verschiedene Arten gibt, welchen Namen auch die bösen Dämonen führen. Jene Naturgeister sind aber nicht mit den eigentlich satanischen Wesen zu verwechseln, was häufig zu Missverständnissen führt, worauf Molitor insbesondere aufmerksam macht — denn Schedim heißt Kraft — Macht, und nicht Teufel, wie es schon Ältere, namentlich Eisenmenger übersetzten, und ebenso heißen nach Molitor auch die Lebenssäfte in jedem Dinge Schad; — Sie ist das Innerste in den Elementen, das am wenigsten Trübe, die Hefe des Geistigen.

Dieser Auszug aus Molitors Schrift mag genügen, den Inhalt der Kabbalah in Bezug auf die Magie kennen zu lernen, welche sich über das ganze Gebiet derselben nach allen ihren Teilen verbreitet, und Alles wenigstens andeutungsweise berührt, was bei anderen Völkern des Altertums gefunden wird und was später Gegenstand der Theosophie, wie der christlichen Mystik geworden ist, und was endlich die Magie des Mittelalters auf die abenteuerlichste Weise ausgebeutet und umgebildet hat. Auch Alles ist darin in jeder Hinsicht enthalten, was wir jetzt unter dm Erscheinungen des tierischen Magnetismus begreifen. — Als Zusatz setze ich aus Molitors Anhang einiger Stellen aus der Kabbalah zur Vergleichung und Beherzigung noch im folgenden §. die Erzählung von einer besessenen Jüdin hinzu.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1