060. Tumah, die physische und moralische Vereinigung

Von der Tumah — der physischen und moralischen Verunreinigung.



Von der physischen Verunreinigung — Tumah — welche nach der Kabbalah eine Folge der geistigen ist, sowie diese wieder ine Folge des Falles, und die in zwei Hauptklassen, in die grobe vor Gott vergraulte und in die feinere eingeteilt wird, welche in der Seele eine Trübung hervorbringt, lehrt die Kabbalah: je näher der Mensch dem Heiligen steht, desto höher steigert sich seine Sensibilität für jede, auch die leiseste Art von Trübung, wie man an den Priestern sehe. Sogar mit äußeren Dingen verhält es sich gewissermaßen ebenso. Je näher und inniger sich der Mensch dieselben assimiliert, desto empfänglicher wird er für die Tumah. Die dem Menschen innerlich verwandten, seinem Leibe näher stehenden organisch-verwandten Dinge sind viel leichter zu verunreinigen als diejenigen, die ihm organisch ferner stehen und eine eigene größere Selbstständigkeit besitzen. Hieraus erhellet, daß die Tumah des menschlichen Leichnams bei weitem die der tierischen Kadaver übertrifft. Da nämlich der Mensch das edelste, am feinsten organisierte Geschöpf ist, so entsteht bei ihm in der Auflösung gerade das aller unedelste. Daher behaupten die späteren Talmudisten, daß in den Leichen des heiligen Volkes ein weit höherer Grad von Unreinheit als in den Leichen der Götzendiener läge. Noch wichtigere Aufschlüsse gilbt die Betrachtung der geistigen Tumah. — Die Sünde, heißt es, macht nicht nur ein Gebrechen an dem göttlichen Ebenbilde, sondern ihre Wirkungen erstrecken sich auch auf die äußere Natur und gehen bis in die oberen Regionen der Engel, ja selbst bis zur Gottheit hinauf. Dadurch wird sogar eine Verletzung da Sch'chinach (Platons göttliche Idealwelt, J. Böhmes Sophia) geschwächt, verfinstert und in Strenge verwandelt. Daher den mit keinen guten Werken geschmückten Kindern, die sein Angesicht fliehen, nur sparsam der göttliche Einfluß zuträufeln kann, ja dieselben müssen mit schweren Leiden gezüchtigt werden. Solches gereicht Gott zur Betrübnis und Leiden — welches auch deshalb in Bezug auf den Messias vorhergesagt sei, welcher, um den Gefallenen wieder stufenweise zu beleben, sein Licht in die Finsternis scheinen lasse und die Menschen gleichsam gegen ihren Willen wieder aufrichte und zur inneren Freiheit nicht auf eine gewaltsame und plötzliche Weise erhebe.


Durch die Sünde verursacht der Mensch nicht nur ein Leiden in der Gottheit, sondern auch in dem Gesamtuniversum ganz besonders sei dies der Fall in dieser irdischen Welt — Asiah — wo die Natur voller Dissonanzen ist und alle Wesen unter dem Fluche der Sünde des ersten Menschen seufzen, ja sogar die Schuld Adams mittragen müssen, wenn seine Söhne sündigen, indem selbst das Tier- und Pflanzenreich verkümmert. „Wisse, heißt es im Sephir Gilgukim, daß alle vier Welten standen viel höher, ehe Adam gesündigt.“ Kehrt der Mensch wieder in Reue zurück, so wendet sich Gott, stets bereit dem Sünder im Kampfe beizustehen, sammt den schützenden Engeln wieder zu ihm hin, und in demselben Maße als der Mensch nach dem Guten verlangt, zieht er den Gotteseinfluss wieder an sich und verwandelt die Finsternis in Licht, die Strenge in Strenge in Gnade.

Zu der moralischen Verunreinigung werden insbesondere die Abgötterei, der Mord und die Unzucht als die drei Hauptverbrechen gerechnet. Mit Rücksicht auf die Tumah der Geschlechter wird vorzüglich auch die unnatürliche Fortpflanzungsweise, die Sympathie und Verwandtschaftsverhältnisse namhaft gemacht. So sind als widernatürliche Verbindungen nach dem alten Testamente anzusehen: „das Kochen des Zickleins in der Milch der Mutter; das Zusammenspannen ungleicher Tiere bei der Arbeit, das zu nahe Pflanzen widerstreitender Pflanzengattungen usw. In Hinsicht auf die verbotenen Heiraten mit ganz nahen Verwandten bemerkt die Kabbalah, daß bei solchen Verbindungen eine gewaltsame Hemmung der Evolution stattfinde durch eine widernatürliche Involution, indem hier die Zweige, die sich auszubreiten bestimmt sind, wieder zu ihrer Wurzel zurückgebeugt werden.“

Über die ansteckende Gewalt des Bösen und die hiervon abhängige immer weiter fortschreitende Verbreitung heißt es: „gleich der natürlichen strömt auch die geistige Tumah der Seele beständig von dem Menschen magisch aus, und es hat dieselbe sowohl für andere Menschen als auch für äußere Dinge eine verunreinigende Kraft. Daher kommt das Unangenehme, Abstoßende und Widrige, das der unverdorbene Mensch im Umgang mit Lasterhaften in sich verspürt, und dies um so mehr, je feinfühlender er ist. Zudem gewinnt jede unrechte Tat und jedes unsittliche Wort eine bleibende magische Existenz, welche Alles um sich her verunreinigt. In einem Lande, wo große Verbrechen im Schwange gehen, werden daher alle Dinge, Häuser, Möbel, Tiere, Pflanzen, der Erdboden und selbst die Luft verdorben.“ Deshalb wurde eine Stadt, wenn sie sich der Abgötterei ergeben, mit Menschen und Vieh verbrannt und geschleift, und durfte nie mehr aufgebaut werden.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1