054. Männliche und weibliche Verhältnisse und Gegensätze

Männliche und weibliche Verhältnisse und Gegensätze.



Sehr mehrwürdig sind die Lehren der Kabbalah ferner über die Angriffspunkte, welche der Mensch dem Satan aus eigner Schuld zuweilen darbiete; über die Citation der Verstorbenen; über die Verunreinigung und über die Strenge, womit sie insbesondere das Weib bezeichnet. In Bezug auf letzteres bildet der Mann das positive selbsttätige und wirkende Prinzip, daher man ihn mit der Sonne und dem Lichte vergleicht; dem Manne steht das Weib als beschränkende Macht gegenüber, weil er sich ohne sie in das Maß- und Grenzenlose verlieren und sein höheres Verhältnis ganz vergessen würde. Das Weib ist der umgekehrte Mann, sein Spiegelbild. Wie er als selbsttätiges Prinzip produktiv nach außen strebt und immer nur das Allgemeine, Unendliche sucht, so ist das Weib das negativtätige — von außen nach innen, vom Umkreise zum Zentrum gewendete Prinzip, mithin lebt es im Aufnehmen und Empfangen, um die männliche Expansion in konkrete Formen zu bilden. Deshalb wird im Judentume das Weib das Haus des Mannes genannt; sowie der Talmud insbesondere das Weib als die Mauer bezeichnet, die um den Mann aufgeführt wird.


Mann und Weib sind ein untrennbares Ganzes, nur auf eine umgekehrte Weise, wobei das eine die ideale oder Vorder- und das andere die reale oder Hinterseite bildet. Im Mann herrscht das allgemeine Ideale — Schaffende, im Weibe die negative Hinterseite des Gefühls und der Empfindungen, weshalb dasselbe mehr am Konkreten und Äußern hängt und die Innerlichkeit lebendig fühlt. In ihm liegt die Welt in innerer Ahnung aufschlössen; daher hat es einen richtigen Takt und gelangt eher zur Reife als der Mann, welcher alles durch eigne Tat und den Begriff zu Stande bringen will. — Mit allen Vorzügen (die Molitor S. 298 f. anführt), welche das Weib vor dem Manne hat, ist sie ihrer äußern Wirkungsart nach schwach, nachgiebig, leidend, und daher inniger mit der Natur verwandt ils der Mann, daher dasselbe bezüglich auf den Mann der Mond, die Erde, das wässrige Prinzip genannt wird. Denn nach der Kabbalah entspricht dem strengen Feuerelement das Männliche, welches das mütterliche Element bildet. Aber das Feuer erscheint nur in der äußern Wirkung als Strenge, in seinem Innern ist es ein lauteres Licht; sowie umgekehrt das milde Wasser eine sanfte Strenge seinem Prinzip nach bildet, welches aber in ein wildes, verzehrendes Feuer sich verwandeln kann, wie denn das reine lautere Licht nur durch das Wasserelement zum fressenden Feuer wird, so daß das Wasser das eigentliche Prinzip des Feuers ausmacht. Daher denn das Wasser, welches gleichsam ein mild gewordenes Feuer ist, obwohl es zur Reinigung dient, andererseits auch wieder eine so große Anziehung zu der Tumah — Unreinigkeit hat. Wie im Manne das Dynamische und das Mysterium des Geistes das Wesentlichste ist, so liegt im Weibe das chemisch-plastische Naturgeheimnis. Die Sehnsucht des Weibes ist nach dem Reineren, Edleren gerichtet, es zieht den Mann zu sich herab (der überhaupt die Natur sucht, welche das Weib schon hat), nicht um mit ihm in der untern Region zu verweilen, sondern von ihm nach Oben sich ziehen und erheben zu lassen. „So formiert also das Weib einerseits den Leib und den äußern Umkreis des Mannes, andererseits bildet es auch wieder den innern Schlusspunkt desselben, indem es durch sein feines richtiges Gefühl dem Manne in den verworrenen Labyrinthen des Lebens nicht selten als ein sicherer Wegweiser zur Seite geht, durch seine Zartheit und Geduld und Sanftmut!) die Heftigkeit und wilden Ausbrüche der männlichen Natur mildert, und durch seinen frommen demütigen Sinn, den nach Außen zur Tat gewendeten und sich so leicht in seiner Kraft vermessenden Mann mehr innerwärts kehrt, ihn zur selbst entsagenden Hingebung stimmt und so mit und in ihm als ein empfangendes Wesen sich nach oben erhebt. In diesem Fälle heißt das Weib die Krone des Mannes.“

So hoch die Bestimmung des Weibes, so steht es als reale Naturseite dem Dunkel der Nacht viel näher als der Mann, und ist Reizungen und Verlockungen des Satans ganz unmittelbar ausgesetzt. — Darin liegt auch der Grund zur Umwandlung von der milden in die herbe Strenge. List, Neugierde, Vorwitz, der Trieb durch Reize den Mann zu fesseln, den sie durch die Macht nicht zwingen kann, die Schlangenlust das Vorgestellte zu verwirklichen, sind die Eigenschaften der Schattenseite. Dieser Eigenschaffen halber hat das Weib auch vorzüglich den Zug zu verborgenen Kräften, und die Neigung, aber auch das Geschick in das Reich der geheimen Natur einzugreifen und durch allerlei Zaubermittel ihre geheimen Zwecke zu erreichen. Die Zustände der Nacht, Schlaf und Traum, erleidet daher das Weib auch mehr als der Mann, woher die innere Sehergabe, das Schauen des inneren Sinnes bei geschlossenen äußeren Sinnen naturgemäß häufiger bei den Frauen als bei dem Manne stattfindet.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1