039. Die Erscheinungen werden in allen Völkern angetroffen

Die Erscheinungen des Magnetismus und die mit ihm verwandten Zustände werden in jeder Zeit und bei allen Völkern angetroffen; nie häufiger aber als in der Zeit des Mittelalters.



Uns interessiert nun zunächst, die Erscheinungen und Wirkungen des Magismus näher kennen zu lernen, und da wir von jenen vorzüglich die Visionen und die Zustände der Ekstase, von diesen die Art der Heilwirkungen verstehen: so haben wir sie bei allen Völkern nach ihren verschiedenen Modifikationen aufzusuchen, wie sie sich in den Wandlungen der Zeiten gestalteten. Dann haben wir die ihrem Wesen nach mit jenen magischen Erscheinungen verwandten Zustände zu betrachten, wie den Traum, das Nachtwandeln und die Visionen in Krankheiten, welche von jeher ihrer subjektiven Beschaffenheit nach, nicht von jenen geschieden wurden. Insbesondere waren es die Träume, die mit der ekstatischen Sehergabe und mit der Prophetie von gleichem Werte geschätzt waren, wenn sie von frommen, in religiösem Ansehen stehenden Personen kamen.


Wenn nun das Wesen der Magie in der menschlichen Naturanlage so tief gegründet ist, wie wir eben gesehen haben: so ist es wohl von selbst klar, daß man ihre Erscheinungen schon in der aller ältesten Zeit antrifft, und zwar um so mehr werden sie gleichsam zu der unveräußerlichen Funktion des Lebens gehören, wo die Phantasie über den Verstand die Herrschaft führt. Wir finden Visionen ekstatischer, die schon von jeher als Heilige religiös verehrt wurden, weil sie vermöge ihrer Wahrsagung mit den Göttern in Verkehr stehen, in Indien als ganz gewöhnliche Erscheinungen. Es ist auch bekannt, daß die Inder Mittel gebrauchten, die Ekstase künstlich zu erzeugen.

Bei den Ägyptern war der Magismus in ein ordentliches System gebracht; nicht blos in Einöden und Höhlen sich zurückziehende Asketen hatten Visionen, sondern bei ihnen war das Wahrsagen methodisch in den Tempeln gepflegt, und wie wir schen werden, wurde das Heilen kranker Personen ganz nach der Art ausgeübt, wie es jetzt durch den Magnetismus geschieht.

Kein Volk war im Allgemeinen mehr geneigt zu Visionen als das israelitische, und die religiöse Prophetie, selbst in Traumgesichten galt ihnen durchgehends als göttliche Offenbarung.

Bei den Griechen sind ekstatische Visionen nichts Seltenes, und auch bei ihnen war ein regelmäßiger aus Ägypten überkommener Tempeldienst der Orakel. Träumen und künstlich erzeugten Phantasiebildern wurde auch hier häufig Objektivität beigelegt.

Bei den Römern findet kein wesentlicher Unterschied von dm Griechen statt; der Traumschlaf — Incubatio, war aber noch allgemeiner bei ihnen, sowie die Sibyllen, welche nicht blos für Kranke, sondern auch in politischen Angelegenheiten um Rath gefragt wurden.

Zu keiner Zeit war das magische Zauberwesen häufiger als bei dem Anfang des Christentums, und mit der Verbreitung desselben unter die heidnischen Völker wuchs der Zauber- und Gespensterglaube allgemein in den verzerrtesten Gestalten. Religion und Wissenschaft nahm man als die wichtigsten Angelegenheiten des Menschen auf das Gebiet der Forschung zu Schutz und Trutz; wozu die religiösen Phantasmen der Neuplatoniker und ihre theurgische Philosophie und Dämonenlehre ganz besonders beigetragen hat. Der religiösschwärmerische Sinn; das asketische Leben; die Zurückgezogenheit in die Klöster; das absichtliche Fasten und Kasteien des Leibes und der noch unaufgeklärte Verstand, waren ebenso viele Mittel zu subjektiven visionären Vorstellungen, als wie die geschäftige Phantasie aus den gärenden Elementen des Mittelalters, nach allen Richtungen geschäftig, künstlerisch baute, aber nichts aufbaute als Luftschlösser, in denen das Leben der Heiligen mit den Phantasmagorien der Engel und Teufel, des Geisterwesens und Hexenspuks zur Schau gestellt wurden. Die schwarze und weiße Magie drückt die Art ihres Wirkens deutlich aus, und wie endlich im achtzehnten Jahrhunderte die Morgenröte eines neuen Tages der wissenschaftlichen Aufklärung anbrach: so fand Mesmer Materialien nach allen Seiten vorrätig genug, den Grund zu einem unvergänglichen Werke zu legen, welches die dunkle Nacht der Vergangenheit erhellen, die Scheinbilder von der Wirklichkeit scheiden und Ordnung mit Gesetzmäßigkeit aus dem Chaos aufbauen wird, wozu auch der künftigen Zeit noch Raum genug übrig bleibt, das im Grunde und in seinen Umrissen begonnene Gebäude fortzuführen und zu vollenden.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1