036. Die Sprache war Selbstzweck ihrer Bildung

Über das Wesen der Sprache und ihre Bildung, wobei indessen bei ihrer ursprünglichen vollkommenen Bedeutsamkeit nicht zugleich auf eine größere Vollkommenheit des Geistes zu schließen ist.



Als ein angestammtes Gemeingut der Menschheit war die Sprache auch ebenso wenig wie eine zufällige Erfindung, oder eine fremde Mitteilung, das Erzeugnis eines einzelnen Menschen, sie war, wie der in die Nase geblasene Odem Gottes, der aus der Brust jedes Menschen tönende Laut, der Ausdruck der Freude und des Schmerzes, die der Mensch teils subjektiv in sich selbst, teils objektiv an den Eigenschaften der äußern Dinge vernahm, die er gleichsam unwillkürlich ihnen ablauschte, und so den empfangenen Eindruck in dem Widerschein seines eigenen Lesens auf sie zurückwarf. So scheint die Sprachbildung in der Urzeit nicht blos das Werkzeug der Gedankenmitteilung, sondern Selbstzweck gewesen zu sein, wie man bei den Hellsehern etwas Ähnliches auch jetzt noch sieht. —


Es ist aber hiernach nicht etwa auf eine größere Vollkommenheit des menschlichen Geistes in der Urzeit überhaupt zu schließen, wie auch Haug sehr richtig bemerkt, so daß derselbe eine seitherige Abschwächung erlitten hätte. Hat der Sprachbau der neuern Zeit die ursprüngliche Bedeutung verloren und ist ihm die gegenständliche Äußerlichkeit, die Form ihren wahren Beziehungen nach gleichgültiger geworden: so hat er jetzt nicht mehr auf das innere Leben zu sehen und auf die richtige Beziehung eines Dinges; nicht mehr die Sprachbildung ist sein Zweck, sondern die klare Verständigung und Gedankenmitteilung, wodurch er die Außenwelt nicht empfangen, leidend auf sich einwirken lassen, sondern sie beherrschen und sich über sie kräftig erheben will. Die modernen Sprachen werden daher eine leichtere Beweglichkeit, eine mannigfachere Beugung, wie eine schärfere logische Bestimmtheit haben; allerlei Verbindungen und Konsonanten in den Redeteilen werden daher zu diesem Zwecke notwendiger, als der Wohllaut eines bestimmten Tones und die Freude der eigenen Schöpfung, den rechten Ton gefunden zu hoben, um das Ding zu bezeichnen, welchen der Urmensch, wie der Hellseher im magnetischen Schlafe, mit feierlicher Würde vortrug, dem das Wort als eine Offenbarung Gottes erschien, mit dem er in geselligem Verkehr zu stehen und in der Macht auf die Natur einzuwirken glaubte.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1