031. Die magische Kraft war bei den Alten mystisch-poetisch

Auch die Erklärung der magischen Erscheinungen war bei den Alten eine mystisch- poetische.



Wie das häufigere Vorkommen des somnambulen Lebens in der alten Zeit seinen natürlichen Grund hatte, so ist auch die Erklärung der altern Philosophie mehr eine mystisch-poetische, wie die des Sokrates und Plato, und insbesondere der Alexandriner, wie des Platin, Jamblich und Porphyrius, und wie wir es bei den Brahmanen auch jetzt noch finden. Schon Megasthenes schreibt, daß sich Alles, was die Griechen über die Natur der Dinge philosophiert hätten, auch bei den Brahmanen in Indien gefunden habe, was ebenso Aristobulus, der Peripatetiker, beim Cyrillus bestätigt. Überall ist mehr eine kontemplative Anschauung und poetische Vergleichung der unbewussten Gefühlszustände sichtbar, weil der Verstand der noch jugendlichen Wissenschaft die weiten Kreise der Naturerscheinungen nach ihrer innern Gesetzmäßigkeit nicht erforscht hatte. So sagt Plato im Phädros: „daß aus dem ekstatischen Wahnsinne, der durch die göttliche Kunst verliehen wird, die größten Güter entstehen; denn die Priesterinnen zu Delphi und Dodona haben vieles Gute in besonderen und öffentlichen Angelegenheiten unserem Hellas verkündet, in der Besonnenheit aber nur weniges oder gar nichts. Denn viel vortrefflicher ist auch nach dem Zeugnisse der Alten ein göttlicher Wahnsinn als eine blos menschliche Besonnenheit. Ebenso hat auch, wenn Krankheit und schwere Plagen aus altem Zorn der Gottheit irgendwo verhängt wurden, ein prophetischer Wahnsinn Errettung gefunden.“ Sokrates (im Phädon) spricht sich, kurz, ehe er den Giftbecher trank, noch deutlicher über die Natur der Ekstase aus, ohne welche man blos mit den äußern Sinnen nicht das Wahre erfaßt. „Es ist mir wirklich ganz klar, daß, wenn wir je etwas rein erkennen wollen, wir uns von dem Leibe losmachen und mit der Seele selbst die Dinge schauen müssen; dann werden wir erst offenbar haben, was wir begehren und wessen Liebhaber wir zu sein behaupten, die Weisheit, wenn wir tot sind, wie die Rede uns andeutet, so lange wir leben aber nicht. Denn wenn es nicht möglich ist, mit dem Leibe etwas rein zu erkennen, so können wir nur eins von beiden, entweder niemals zum Verständnis gelangen, oder erst nach dem Tode. Und so lange wir leben, werden wir, wie sich zeigt, nur dann dem Erkennen am nächsten sein, wenn wir soviel wie möglich nichts mit dem Leibe zu schaffen haben und wenn wir mit seiner Natur uns nicht anfüllen, bis Gott uns befreit. Dem nicht Reinen mag aber wohl das Reine nicht zu berühren vergönnt sein. Dergleichen, denke ich, werden notwendig alle Wissbegierigen denken und untereinander reden.“


Die platonische Philosophie wurde, besonders in Hinsicht auf die magischen Erscheinungen, Grundprinzip des religiösen Bewusstseins für lange Zeiten hindurch. Das Göttliche wurde als die dunkle, im Hintergründe der Erscheinungen webende Macht fixiert, die eben in keinem stetigen und regelmäßigen Verkehr mit der Natur und dem Menschen steht, sondern sich nur in momentanen Einwirkungen kundgibt. Dadurch bekam nicht blos das ganze hellenische Leben einen gewissermaßen divinatorischen Charakter, wodurch jener geschärfte innere Sinn als Genius erwuchs, den Gott immerdar und überall bei allen ungewöhnlichen Erscheinungen wirksam anzunehmen, so daß alles Höhere und ungewöhnlich sich Offenbarende hinter dem Menschen als Göttliches wirkte. Die platonische Lehre wirkte durch die Neuplatoniker fort bis in die germanische Zeit herauf (wie wir in der Folge ausführlicher sehen werden), die divinatorische Natur der Therapeuten verkehrt m Schlafe mit Dämonen und mit dem Göttlichen nach Platins Lehre, und was der Magnetismus Wunderbares — Magisches wirkt, ist göttlicher und mystischer Art. Nach Platin ist das Anschauende beim Anschauen ganz in Ruhe, das Denken und Schließen ruht, es ist em Verzücktsein, das Anschauen und das Anschauende ist nicht mehr der Logos (die verständige Vernunft), sondern sie stehen vor und über ihm.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1