030. Wir die magische Kraft wirkt

Wie der innere Sinn allgemeiner im Altertum, so auch die Kraft magisch zu wirken.



Wagner hat auch die praktische Seite des Magismus in seiner ganzen Tiefe erkannt. „Dieser Allsinn hat also jetzt noch eine andere Seite, nämlich mittelbar zu sein und auf der Natur Inneres zu wirken. Wem aber dieser Allsinn mit seiner wunderbaren Kraft inwohnt, den muß eine unerschütterliche Kraft erfüllen, und wem nichts davon inwohnt, der wird sich an seiner physischen Kraft vergebens abarbeiten, um solchen Sinn ober solche Kraft zu erzwingen. Jener Allsinn mit jener innern Kraft, welche beide sich den Phänomenen des magnetischen Traumsehens verwandt zeigen, erscheinen aber im Altertume außerordentlich verbreitet und enthalten den Schlüssel zu dem, was uns im Altertum das Rätselhafteste ist; denn außerdem, soweit das Altertum von diesem ihm eigentümlichen Sinne verlassen ist, treibt es sich in Reflexion und sinnlichem Werke uns völlig verständlich herum. Uns wird dieser Sinn nicht eher wieder zu Teil werden, bis wir unsere Wissenschaft in den Ideen zur klaren Weltanschauung gebracht haben, wozu die Aufstellung des von Menschenwitz unentstellten Weltgesetzes und seiner Durchführung der erste, das Vereinfachen und Zusammenfassen des Experiments aber der zweite Schritt ist. Die Voltaische Säule hat bereits auf die Verwandlung der Erden in Metalle geführt, für die alte Magie besteht der ganze Apparat aus einem Stabe.“


Mit dieser treffenden Einführung in den Geist des Altertums ist das Verhältnis des Magismus zu der neuen Zeit des tierischen Magnetismus vollständig bezeichnet. Da nun das Leben ein ungeteiltes Ganzes ist von Kraft und Materie, von Sinn und Bewegung durch physische Mittel: so wird auch die magnetische Wirkungsart nach dem Vorigen erklärlich. Gleichwie in dem inneren Gemeinsinn das All sich reflektiert, ohne auf bestimmte Grenzen des Raums und der Zeit beschränkt zu sein, wie es die äußern vereinzelten Sinne sind; so ist auch die einfache Kraft des magischen Individuums eine über die gewöhnlichen Grenzen sich erstreckende; der innere Sinn wird der Erreger der Bewegungsglieder, und die Hände und Finger sind es vorzüglich, als die Träger des Willens, welche die innere aufgeregte Kraft an andere Individuen übertragen, sie gleichsam wie der Magnet das Eisen erfüllen und in ihre Sphäre ziehen, wodurch jene wunderbaren Wechselwirkungen des unverstandenen Rapports, der Sym- und Antipathien ihren Grund haben. Diese Wirkungen von der inneren Urkraft aus durch die leiblichen Glieder und durch diese auch auf unorganische, magnetisierte Leiter übertragen, treffen daher auch unmittelbar und vielseitig, indes andere physische Wirkungen nur mittelbar auf dem gewöhnlichen Wege und einseitig geschehen. Nicht wie auf den verschiedenen Um- und Irrwegen der große Apparat der chemischen Medikaster ist die Wirkung des Magnetismus, und der einfache Stab wirkt unmittelbar auf die Lebenskraft erregend und magisch belebend.

Sowohl der Sinn als das magische Wirken gehörte zu der Naturanlage des Altertums, es war gleichsam eine normale Erscheinung der damaligen Konstitution. So waren die geheiligten Institute und das höchste Ansehen der Personen auf den Besitz der magischen Kraft begründet, und die Orakel hatten göttliches Ansehen, welche in ihren Ekstasen Prophezeiungen gaben in den dem Äskulap und den Göttern geweihten Tempeln, worin der magnetische Schlaf kunstmüßig gepflegt wurde. — Die neuere Zeit steht hingegen in einem völlig umgekehrten Verhältnisse zu in alten Welt, sie geht mit höchst mannigfaltigen Bestrebungen in dm vielseitigsten Richtungen auseinander, und indem sie überall schätze sucht, den Geist und das Leben zu bilden und zu verfeinern, schwankt sie meist auf grundlosem Boden ihres Wissens, und indem sie Alles mit allgemeinen Ideen aufzuklären strebt und die Freiheit des Geistes predigt, verliert sie gleichsam die letzten Spuren des Instinktes und die alte angestammte Kraft der magischen Kraftwirkungen. Der Zustand der menschlichen Bildung steht noch auf einer so niedrigen Höhe, daß man kaum die Grundfähigkeiten kennt, die der Menschheit Eigentum sind, und jene magnetischen Zustände erscheinen daher nur mehr vereinet in allen jenen abnormen Verzerrungen des Hysterismus, die man weder zu deuten, noch zu bändigen und zu regeln versteht.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1