020. Der Magnetismus in wissenschaftlicher Hinsicht

Der Magnetismus als Tatsache in wissenschaftlicher Hinsicht.



In wissenschaftlicher Hinsicht bedarf der Magnetismus gleichfalls keines eigentümlichen isolierten Systems; denn wenn er kein neues Factum ist, und wenn mit ihm keine absolut neue Eigenschaften und Erscheinungen gegeben sind, so bedarf es auch keiner besonderen Gesetze für die besonderen magnetischen Erscheinungen, In einer umfassenden allgemeinen Theorie über die allgemeinen und die besonderen Lebensprozesse der Natur, der Wechselwirkungen in den Sympathien und Antagonismen der Individuen untereinander, wird auch der Magnetismus eingeschlossen sein. Und er wird nach allen diesen Rücksichten der Wissenschaft ein mächtiges Förderungsmittel abgeben. Ganz vorzüglich aber ist es der Magnetismus, welcher das rätselhafte Gebiet des Schlafes und der Traumwelt und so viele damit verbundene Seiten der menschlichen Natur aufklärt, wodurch er vor Allem dem Geschichtsphilosophen und dem ärztlichen Naturforscher einen unberechenbaren Dienst bereits schon geleistet hat, indem er jene instinktiven Regungen, jene dunklen Schatten, die aus dem tiefen Grunde des menschlichen Gemütes so geheimnisvoll auf- und niedertauchen, als wohl begründete Zustände darstellt, und auf jenem magischen Felde der Dämonenerscheinungen den physiologischen Grund und den anthropologischen Zusammenhang aufzeigt. Denn bis dahin ergriffen die Mystiker auf diesem Felde Alles begierig, um dem Reiche des Übersinnlichen Grund und Boden zu bereiten und auf Erden die Herrschaft des Wunder- und des Aberglaubens zu befestigen, während die rücksichtslose und meist sehr stäche Zweifelsucht auf der entgegengesetzten Seite alle jene Unbegreiflichkeiten der Gesichte [Vision], des Gespensterglaubens usw., von denen es in der Geschichte aller Zeiten und Völker wimmelt, alle Sympathien und Wunder als leere Fabeln, als Betrug oder als Verirrungen der Einbildungskraft angibt, und so einen vergiftenden radikalen Unglauben über alles Höhere und Tiefere der Menschennatur verbreitete. Wenn nun bei einem solchen Stande der Dinge die Superklugheit besonders in Religions- und Kirchensachen irgend einen Mittelweg einschlagen oder ein Versöhnungsmittel ausfindig machen wollte; so konnte es ihr nicht gelingen, jene dunklen Flecken auszuwaschen, da sie weder die innere gleichsam chemische Natur derselben, noch die entsprechenden äußern Reagenzien kannte. Auf solche Weise konnte es denn auch nicht fehlen, daß man entweder die Berichterstatter jener mysteriösen Erscheinungen hinsichtlich der Treue verdächtigte, oder daß man ganze Zeiträume der Geschichte als Perioden der Fabeln und Verirrungen ansah.


Für jenes räthselhafte mystische Gebiet der menschlichen Seele, in welchem der innere versteckte Poet seine magischen Rollen so verschiedenartig abspielt, hat uns in der Tat nur der Magnetismus den Schlüssel zu einer historischen Kritik an die Hand gegeben; jene Hieroglyphen der Schwärmereien und einer falschen Wundersucht im Zauber- und Hexenwesen hat erst der Magnetismus aufgelöst und in das rechte Licht eines wissenschaftlichen Verständnisses gestellt. Der Magnetismus wird also eine bedeutende Hilfswissenschaft der Philosophie und Geschichte, indem er ihre Richtung auf jene verrufenen Seiten der menschlichen Natur hinlenkt, ihren Blick für dieselben schärft und sie wenigstens durch seine Vermittlung mit Gesichtspunkten und Ideen bereichert, die sie aus sich selbst noch lange nicht erzeugt haben wurden.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1