019. Der Magnetismus vom praktischen Standpunkt aus

Der Magnetismus als Tatsache von dem praktischen Standpunkt aus.



Wie der Magnetismus in historischer Hinsicht kein neues und isoliertes Factum ist; so kann man auch in praktischer Hinsicht nicht sagen, daß er, als eine neu entdeckte Quintessenz der Lebensverlängerung, alle anderen Arzneien überflüssig mache, und allein unbedingt und ausschließlich alle Krankheiten heile. Dabei steht es gleichwohl durch tausendfältige Erfahrungen als eine ausgemachte Tatsache fest, daß der Magnetismus gewisse physiologische Veränderungen und pathologische Umstimmungen hervorbringt; daß er zweckmäßig angewandt, ein ganz vorzügliches Linderungsmittel und häufig in den hartnäckigsten Krankheiten ein großes Heilmittel wird; daß seine Wirkungskräfte allgemein über Menschen, Tiere und Pflanzen sich erstrecken; daß er sich bei jedem Alter, bei beiden Geschlechtern und bei den verschiedenartigsten Krankheiten erprobt, wobei er allerlei kritische Vorgänge, gleichwie es mit der Anwendung anderer Arzneistoffe geschieht, hervorruft. Insbesondere ist er ein vorzügliches Mittel, einen natürlichen heilsamen Schlaf zu erzeugen. Viele Erscheinungen, welche früher zweifelhaft waren und welche sonst nur sehr selten oder flüchtig zum Vorschein kommen, werden durch die künstlich erzeugten magnetischen konstatiert; dadurch wird eine sichere Diagnose eingeleitet, sowie durch die Angabe neuer allgemeiner und spezifischer Heilmittel neue Wege zur Behandlung, ganz besonders der psychischen Krankheiten, angewiesen werden. Außerdem wird der Magnetismus in seltenen Fällen auch die veranlassende Ursache jenes psychischen Schlafwachens, wodurch die Kranken Gesichte usw. haben und sich selbst die Kur verordnen. Bei allem dem werden indessen die übrigen Heilmethoden und Mittel nicht überflüssig gemacht; im Gegenteil, wenn der Magnetismus recht verstanden wird, so wird er die durch den bereits erworbenen Schatz der Erfahrungen bereicherte Heilwissenschaft nicht nur nicht beeinträchtigen; er wird keine Methode ganz ausschließen; kein Mittel verwerfen, sondern er wird, hier- und dahin sich wendend, mit unparteiischer Wahl den vorhandenen Schatz vermehren und den individuellen Zwecken anpassen, er wird heute sich selbst genug sich isolieren und morgen mit Hilfstruppen sich verstärken, er wird die antagonistischen Gegensätze und Methoden der Allopathie, der Homöopathie und der Hydropathie vermitteln und alle Ströme der verschiedenen Lebensrichtungen befreunden, kurz er wird nicht teilen, um zu herrschen, sondern er wird herrschen durch einen organischen Einheitsverband zu dem großen Zwecke des allgemeinen Heils in der Lebenserhaltung der Menschen. Der Magnetismus ist aber auch ganz besonders geeignet, eine größere Harmonie zwischen dem materiellen Empirismus und einer supernaturalistischen Psychiatrie herbeizuführen. Indem auf diese Weise der Empirie das Tor auf ein weiteres Feld der Beobachtungen geöffnet und der Autonomie des Geistes Stärke und Gewandtheit erteilt wird, dürfte es allerdings auch nicht fehlen, daß manche luftige Geister durch dasselbe hereinschlüpfen und im Winde der Hypothesen herumflattern werden. Immerhin wird man aber dabei die Überzeugung erlangen, daß es außer der Waage, dem Kalkül und dem logischen Sorites auch noch andere Dinge gibt, die nicht in der sichtbaren und Jedermann zugänglichen Materie ihren Grund haben, und daß in der großen und kleinen Welt Kräfte walten und Dinge vorgehen, wovon der Verstand der gewöhnlichen Schulweisheit nichts versteht.





Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1