015. Aufschwung der Naturwissenschaft

Der Grund, dass der Magnetismus jetzt Sitz und Stimme erhält, liegt in der unaufhaltsam fortschreitenden Geistesentwicklung überhaupt und in dem raschen Aufschwung der Naturwissenschaft insbesondere.

Es gibt unter allen lebenden Wesen eine gewisse Wechselwirkung in der gegenseitigen Anregung der Kräfte und der Entwicklungen von Naturprozessen, wodurch in gewissen Fällen zuweilen ganz ungewöhnliche Erscheinungen sich offenbaren, die von den allgemeiner bekannten Gesetzen und von der gangbaren Erdung abweichen. Solche Erscheinungen entstehen entweder in abnormen Zuständen des Organismus mit oder ohne absichtliche Anwendung materieller Arzneistoffe; oder sie werden von kundiger Hand künstlich erzeugt; und diese werden eigentlich die magnetischen genannt. Sie bestehen in physiologischen und pathologischen Prozessen und allerlei kritischen Bewegungen; zuweilen und in seltneren Fällen, was jedoch nicht wesentlich zur Sache des Magnetismus gehört, bestehen sie in ungewöhnlichen psychischen Zuständen, die man unter dem Namen des Schlafwachens begreift (§ 10). Bis zu diesem gegenwärtigen Zeitpunkte der Geschichte hat man diese hin und wieder vorkommenden Erscheinungen im Allgemeinen entweder nicht beachtet, oder, weil sie in den gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht einpassten, absichtlich ignoriert, und wenn Einer oder der Andere sich dieser sonderbaren Zustände annahm, so fand er von allen Seiten den vorhin angegebenen Widerstand.


Es gibt in der Natur, wie in der Geschichte der Menschheit, bestimmte Gesetze einer steten Entwicklung, welche unaufhaltsam einem gewissen Ziele entgegengeht. Diese Entwicklung vermag weder ein hartnäckiger Widerstand niederzuhalten, noch ein ungeduldiges Treiben zu beschleunigen. Der menschliche Geist vermag allerdings, wenn man die Hände nicht grade in den Schoß legt, einzelne Triebe nach gewissen Richtungen aus ihren Keimen hervorzudrängen; aber die volle Entfaltung des ganzen Inhalts kommt immer erst in der Zeit einer allgemein zusammenstimmenden Weltwirkung zu Stande. Daß nun auch der Magnetismus grade erst in der neuesten Zeit zu einer gemeinsamern Anerkennung gelangt, geschieht offenbar nach einem solchen Gesetz einer allgemeinen Kulturentwicklung; denn wer wollte es verkennen, wenn er in die Geschichte und in die Lebensbildung der Völker und der Wissenschaften schauet, daß jetzt die Sonne einer neuen Kulturperiode aufgeht? Und die Naturwissenschaften sind es in der Tat vor allen anderen, welche den raschen Aufschwung in allen Zweigen des Wissens und der Industrie, des inneren und äußern Lebens veranlaßt haben. Die Hüllen, welche früher so manches Geheimnis und Rätsel verdeckten, fallen nach und nach von selbst ab, durch die unübersehbaren und in rascher Folge auf kommenden Entdeckungen der Physik und Chemie, der Organologie und Anthropologie. Die geläuterten Vorstellungen von Ursachen und Wirkungen, von den Gesetzen und Kräften des Lebens; von den Erscheinungen der Polarität und der Wahlverwandtschaften; von den sympathischen und antipatischen Gegensätzen; von der physischen Ökonomie der Natur und der geistigen Bestimmung des Menschen, bringen eine durchgreifende allgemeine Reform der Weltanschauung hervor, in welcher die Schulen und Sekten, die engherzigen Privatansichten, die Phantasiegebilde und Vorurteile wie dunkle Nebelgewölke durch die geistige Sonne verscheucht und aufgeklärt werden. Wer wird es nicht glauben, daß darin auch der vorzügliche Grund liegt, daß jetzt der Magnetismus freier seine Schwingen erhebt und in den gemeinsamen Lebenskreis der Wissenschaften eintretend, als ein wirksames Glied Sitz und Stimme erlangt?


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1
Verbrüderung von Sonne und Mond

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