013. Magnetismus findet keine Aufnahme bei den Fakultäten

Ursachen, warum der Magnetismus bei allen Fakultäten bisher keine Aufnahme gefunden hat.



Der Magnetismus hat so tiefe Wurzeln in der Natur und im Wesen des Menschen, daß sie der gewöhnliche, an der Oberfläche dahinfahrende Blick nicht erfaßt; seine Kraftwirkungen gehen in eine so vielseitige Modifikation der Entwicklungen ein, daß sogar der forschende Fleiß des Beobachters den Richtungen und Spuren desselben nicht mit Sicherheit zu folgen vermag. Zudem sind die Erscheinungen oft so neu und unbekannt, daß die gewöhnliche Erfahrung mit ihnen nichts anzufangen weiß; die Resultate seiner Wirkungen sind nach den Motiven und Intentionen, nach den Einsichten und Endzwecken der Magnetiseurs so verschieden und sich nicht selten widersprechend, daß Zweifel, ja Furcht davor leicht begreiflich werden; die Grundsätze endlich, die darüber aufgestellt worden, sind den gangbaren Begriffen über die Gesetze der Naturerscheinungen so wenig adäquat, oft paradox und häufig sogar einander aufhebend, daß die Gründe, diesen Novizen aufzunehmen, nicht so zahlreich vorhanden sind, als wie jene, ihn zu verwerfen und ihn für ein Spiel der Einbildung müßiger, wundersüchtiger, oder leichtgläubiger Köpfe zu halten. —


Wenn demnach Ärzte und Physiker, Theologen und Philosophen, und selbst die Gelehrtenvereine den Magnetismus bisher unberücksichtigt gelassen haben, oder gar Partei gegen ihn ergriffen, so ist einerseits die genannte Eigentümlichkeit des Magnetismus daran ebenso Schuld, als es andrerseits die besondere Stellung, die Bildungsstufe und der Beruf jener Stünde mit sich bringt. Denn der praktische Arzt ist gewöhnlich ein Routinier, der sich um das, was außerhalb des Kreises seines gewohnten Geschäftes vorgeht, nicht gern viel zu bekümmern Lust und Zeit hat; der überhaupt gar zu leicht glaubt, sich über Alles Rechenschaft geben zu können in der für ihn bereits abgeschlossenen Wissenschaft.

Für den Physiker sind die Erscheinungen des tierischen Magnetismus ohnehin größtenteils zu fremdartig und von den Naturgesetzen der physikalischen Erscheinungen gleiches Namens zu sehr abweichend, als daß es ihn anginge, sich weiter damit zu beschäftigen.

Das Reich des Theologen ist nicht von dieser Welt, seine Aufgabe ist es daher auch nicht, die Erscheinungen der Natur zu beobachten und ihre Gesetze zu ergründen. Wenn nun zuweilen der Magnetismus Erscheinungen darbietet, wie jene des Somnambulismus, so sind diese geeignet bei ihm leicht die Idee übernatürlicher Einflüsse zu erzeugen, welche er guten oder bösen Geistern zuschreibt, und er wird sie nach seinen Begriffen beurteilen, und sie daher ihrer Natur nach von, religiösen Standpunkt aus, rein geistig als Wunder überschätzen, oder als dämonisches Spiel perhorreszieren [verabscheuen]. —

Die Philosophen des Faches spekulieren über die subjektiven und objektiven Tatsachen des Ich und Nichtich. — Da nun die Erscheinungen des Magnetismus weder im subjektiven Ich sich vorfinden, noch als objektives Nichtich Stand halten, so werden sie in ihren Systemen die erzählten Tatsachen nur insofern einflechten, als sie dieselben zu Vergleichungen, oder zu hypothetischen Beweisen ihrer individuellen Ansichten gebrauchen können. Häufiger wird aber noch der eigentliche Naturforscher, der die sinnlichen Objekte der drei Reiche sichtet, aus dem non liquet, das non placet aussprechen, und wie er die alte Magie zu den Märchen, so wird er den neuen Magnetismus zu den Romanen zählen. Andere sind nur zu oft geneigt, den gesunden Menschenverstand und das Schema der äußern Sinnlichkeit als die fixen Normen und Angelpunkte einer unfehlbaren Dogmatik, oder des echten Rationalismus anzusehen. Geist und Welt sind ihnen so klar, wie der durchsichtige blaue Himmelsraum, in welchem eine Vollkommene und unveränderliche Gesetzmäßigkeit herrscht in den Bahnen der Sonnen und Welten. —

Wenn endlich die Gelehrtenvereine und Akademien bei dem bisherigen Standpunkte der Erfahrungen, und vor den völligen Entscheidungen des Kampfes über die neuen Zustände des Magnetismus ein so geringes Interesse gezeigt haben und noch jetzt so unentschieden zusehen: so gereicht es diesen besonders zum Vorwurf, daß sie es bisher unter ihrer Würde gehalten haben, sich mit diesem verschrieenen Gegenstände abzugeben; daß sie nicht nur es verschmähten, selbst Beobachtungen anzustellen und Materialien für Sein und Nichtsein zu sammeln; sondern daß sie offenbar schon seit Mesmers Zeit her die ihnen angetragenen Untersuchungen entweder ganz abwiesen, oder mit parteiischen Vorurteilen und mit einer wahrhaft philosophielosen Kritik behandelten. — Nur zu oft hat ein affektierter Skeptizismus mutwillige Widersprüche und Schwierigkeiten zu erkünsteln gesucht (wie die Akademie zu Paris), um nur das schadenfrohe Vergnügen zu haben, jeden unbegriffenen Verbesserungs- oder Heilversuch in der Wurzel zu ersticken und als unverdächtiger Zeuge das alte Gut und das Jahrhunderte lang behauptete Ansehen nicht zu gefährden. Alles zusammengenommen ergibt sich demnach als Ursache der so späten Anerkennung des Magnetismus 1) Mangel treuer Beobachtungen, 2) Mangel kritisch gesammelter Erfahrungen, 3) Mangel der Vergleichung mit verwandten Erscheinungen, und 4) endlich der niedere wissenschaftliche Standpunkt selbst.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1