Geschichte der Kunst in Flandern

Die Kunstgeschichte eines Volkes
Autor: Rooses, Max (1839-1914) belgischer Schriftsteller, Literaturkritiker und Kulturhistoriker, Erscheinungsjahr: 1914
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Flandern, Kunstgeschichte, romanische Epoche, belgische Kunst, italienische Einflüsse, Schwung und Harmonie, Baudenkmäler, Miniaturmalerei,
Allgemeines über Land, Rasse und Geschichte — Die ersten Baudenkmäler — Die Skulptur — Die Miniaturmalerei bis zum Ende des 12. Jahrhunderts. — Die kirchliche Baukunst — Die Profanbauten: Die Hallen, Rat- und Wohnhäuser — Die Skulptur: Kultgeräte, Altäre und Grabmäler — Die Miniaturen — Die Malerei des 15. Jahrhunderts. — Der italienische Einfluß im 16. Jahrhundert Architektur — Skulptur — Malerei — Der italienische Einfluß im 16. Jahrhundert Architektur — Skulptur — Malerei — Rubens und seine Schule — Der italienische Einfluß im 16. Jahrhundert — Architektur — Skulptur — Malerei — Graphik
Vorwort des Verfassers

Die Geschichte der Kunst seines Volkes zu schreiben, den Geist jener Männer heraufzubeschwören, die die derbe und stammelnde Formensprache im Laufe der Jahrhunderte zu elegantem Schwung und Harmonie entwickelt, die uns Schöpfungen voll Schönheit und beglückender Güte geschenkt haben, ist ein Vorrecht , das man nicht hoch genug bewerten kann. Diese Aufgabe wird um so fesselnder, wenn in einem räumlich begrenzten Gebiete mächtige Generationen von Künstlern in glanzvoller und ununterbrochener Folge einander ablösen, wie es in Flandern der Fall war.

Früh schon wurde die Aufmerksamkeit der Welt auf diese schöpferische Fruchtbarkeit Flanderns hingelenkt, und Männer von Fach unternahmen es, das, was man vom Leben seiner Maler wusste, aufzuzeichnen. Ihre Arbeit wurde in wunderbarer Weise erleichtert durch die Register, in welchen die Lukas-Gilden ihre Mitglieder und Meister verzeichneten, und die noch in unseren Tagen den Kunsthistorikern die wertvollsten Dokumente liefern. Im 19. Jahrhundert hat die Forschung ihre Bemühungen noch vermehrt; man hat die Archive durchstöbert, man hat aus den Chroniken und der gesamten Literatur selbst die kleinsten Hinweise, welche jene entlegenen Zeiten aufhellen könnten, emsig zusammengetragen. Die moderne Leichtigkeit des Verkehrs hat dann die Forschungsmöglichkeiten vervielfacht. Jetzt begnügt man sich nicht mehr damit, die geschriebenen und gedruckten Dokumente zu befragen ; man wollte die Werke, die uns die Vorfahren hinterlassen hatten, selber sehen und untersuchen; man studierte die Gemälde, die Skulpturen, die Bauten; man verglich den Kunstbesitz des eigenen Landes mit dem des Auslandes. Jetzt konnte man sich eine begründete und vollständige Vorstellung schaffen von dem Anteil, den jede einzelne Völkergruppe zur künstlerischen Gesamtschöpfung der Menschheit beigesteuert hat, und eine Bilanz darüber aufstellen, was die eine Schule der anderen schuldete.

Wir wissen, wie groß der Anteil gewesen ist, den Flandern in dieses Gemeinvermögen eingebracht hat, wie zahlreich die glorreichen Persönlichkeiten waren, die sich bisweilen gleichzeitig, bisweilen in kürzeren oder längeren Zeitabständen aus der Masse der Künstler geringeren Rufes heraushoben; und den Größten haben wir mit Ehrerbietung den besonderen Rang gegeben, der ihnen zukommt.

Bei der Erfüllung unserer Aufgabe haben wir uns der gewohnten Behandlungsweise bedient, und nur in einem Punkte sind wir von ihr abgewichen; mit wesentlich größerer Ausführlichkeit als es in allgemeinen Darstellungen üblich ist, haben wir die Miniaturmalerei berücksichtigt, einen Zweig der Kunstgeschichte, der sonst allzusehr vernachlässigt wird. Diese köstliche und zarte Form des künstlerischen Ausdruckes ist in letzter Zeit mit ganz besonderer Sorgfalt studiert worden; die Bibliotheken und Privatsammlungen hat man durchforscht, das Studium der Hauptwerke durch vortreffliche Nachbildungen erleichtert, und es ergibt sich, daß die flämischen Künstler auch auf diesem Gebiete Außerordentliches geleistet haben. Um eine wirklich vollständige Geschichte der Malerei Flanderns zu schreiben, schien es uns notwendig, ihr die Darstellung der Kunstgattung vorauszuschicken, welche sie vorbereitete. Und auch auf allen übrigen Gebieten haben wir uns bemüht, die ruhmreiche Geschichte flandrischer Kunst lückenlos darzubieten.

Hans Memeling – Bildnis des Martin van Nieuwenhove (Brügge, Johannis-Hospital)

Hans Memeling – Bildnis des Martin van Nieuwenhove (Brügge, Johannis-Hospital)

Jan van Eyck – Die Frau des Künstlers (Brügge, Museum)

Jan van Eyck – Die Frau des Künstlers (Brügge, Museum)

Anton van Dyck – Bildnis des Franz von Moncada (Paris, Louvre)

Anton van Dyck – Bildnis des Franz von Moncada (Paris, Louvre)

P. P. Rubens – Frau des Künstlers mit ihren Kindern (Paris, Louvre)

P. P. Rubens – Frau des Künstlers mit ihren Kindern (Paris, Louvre)