Geschichte der Juden in Sachsen - 09

Beitrag zur Geschichte der Juden in Deutschland
Autor: Levy, Alphonse (1838-1917) deutsch-jüdischer Publizist, trat für die jüdische Gleichberechtigung ein und bekämpfte den Antisemitismus, Erscheinungsjahr: 1900
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutschland, Juden, Judentum, Sachsen, Judenverfolgung, Mittelalter, Deutsche, Menschenrechte, Bürgerrechte, Staatsbürger, Religion, Glaubensgenossen, Heimat, Antisemitismus, Reformation, Reformator Luther
Zu den bereits vor der Zeit des Churfürsten August erlassenen scharfen Verordnungen wider den Aufenthalt der Juden in der Gegend der Erzgruben scheint ein Jude, Namens Ephraim, der wegen angeblicher Münzfälschung verbrannt wurde, den Anlass gegeben zu haben. David Pfeifer berichtet über den merkwürdigen Zwischenfall: „Derjenige, welcher zuerst von den Einwohnern Annabergs Minen des Silbersuchens halber gegraben, hieß Schreckenberger und daher haben die Geldstücke ihren Namen. Als Ephraim Verpa solche Geldstücke fälschte, wurde er in Leipzig 1502 gefangen genommen und auf einen entflammten Scheiterhaufen geworfen und selbiger hat, bis er vom Rauch erstickt worden, den göttlichen Namen des himmlischen Wesens Adonai gerufen. (Qui primus ab incolis istius oppidi (Annaberg) cuniculos argentt inquirendi causa actus est, cum Schreckenbergerium appellarunt, atque hinc nummi ejusdem nominis deinde signati fuerunt. Eos cum Ephraim Verpa, adulterasset, Lipsia anno 1502 comprehensus et in succensum rogum injectus, inter flammos quod afflatu vaporis suffocaretur, divinum nunimis coelestis Adonai imploravit nomen.)*) Von da ab durften die Juden in Freiberg nicht nur nicht übernachten; sie mussten sich außerdem, wenn sie sich daselbst vorübergehend aufhielten, von einem Polizeibeamten begleiten lassen, wofür wieder nach der aufgestellten Geleitsordnung eine verhältnismäßig hohe Entschädigung zu zahlen war.

So traurig nun auch diese Verordnungen für diejenigen Juden waren, die sich in keiner Weise mit Erzgeschäften befassten, scheint es doch einige jüdische Metallhändler gegeben zu haben, bei denen die angeordnete Überwachung angebracht war. Dafür spricht nachstehende Aufzeichnung in den Freibergischen Annalen des Dr. Andreas Möller: „Anno 1621 den 24. Juni sind zufolge gedachten Münzedikts etliche Jüden mit ihren Gütern in Freibergk angehalten und alles besichtiget und durchsuchet worden, dass sich denn befunden, dass nicht allein in Fassen viel Geld unter die Wahren verpackt, oder sonst zwischen doppelte Boden und heimliche Fache der Boden und Kästen versetzet, ingleichen in ihre Kleider und Moderatzen, die sie an Leiben getragen, vernehet gewesen, sondern dass auch die Futtersäcke, Sattel, Kummete und Gurte der Pferde voller aufgewechselter Müntze gesteckt, welche man ihnen, weil sie solche verläugnet und hinderhalten, wie auch das aufgekaufte alte Kupfer, so sie bei sich geführt und fast zweyhundert Centner gewogen, abgenommen und auf Churfürstlichen einkommenden Befehl nach Dresden übersendet."

*) Davidis Peiferei sen. originum lipsiensium libri IV. Martisburg 1689. S. 258, 259.

Dass dieser unsaubere Münzhandel damals, in der sogenannten „Kipper- und Wipperzeit" überhaupt in Schwang war, von Juden aber nur ganz vereinzelt getrieben wurde, dürfte urkundlich nachzuweisen sein. Churfürst Johann Georg I. machte in einem am 3. Dezember 1621 an den Rat zu Leipzig gerichteten Schreiben, die gesamten Handel- und Gewerbetreibenden der sächsischen Städte für die Verwirrung im Münzen wesen verantwortlich.*) In den „Mitteilungen des Vereins für Gesch. d. St. Meißen" veröffentlicht Dr. Georg Beutel in Dresden den Wortlaut mehrerer Schriftstücke aus dem Jahre 1621, welche sich auf das Münzwesen beziehen und im Hauptstaatsarchiv zu Dresden befinden **) Dazu gehört ein Protokoll-Verzeichnis „wegen Aufwechselung der Münzsorten zu Meißen." Darnach sind damals der Kramer Vopelius, der Seiler Steinbach, der Goldschmied Gerbe, der Organist Genreif, Friedrich Kirsten, Kramer Heinrich Schmidt und Eisenhändler Fickler (kein einziger Jude) wegen solchen Münzhandels vernommen worden; und nach dem am 21. November 1623 zu Meißen publizierten Urteil „Jacob Gerbe und Greger Zimmermann desswegen willkürlichen entweder mit Landesverweisung oder umb eine tapfere Geldtbuße ihrem Vermögen nach in Straff genommen." Durch die Rückkehr zum Reichsmünzfuß vom Jahre 1559, zu der sich Churfürst Johann Georg I. im Jahre 1623 entschloss, wurde dem damals arg verbreiteten Münzunwesen ein Ende gemacht.

*) Klotsch, Münzgeschichte II. 508.
**) Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen S. 453.