Geschichte der Juden in Sachsen - 03

Beiträge zur Erforschung der Volkstümlichen Kunst in Skandinavien, Schleswig-Holstein, in den Küstengebieten der Ost- und Nordsee sowie in Holland.
Autor: Levy, Alphonse (1838-1917) deutsch-jüdischer Publizist, trat für die jüdische Gleichberechtigung ein und bekämpfte den Antisemitismus, Erscheinungsjahr: 1900
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutschland, Juden, Judentum, Sachsen, Judenverfolgung, Mittelalter, Deutsche, Menschenrechte, Bürgerrechte, Staatsbürger, Religion, Glaubensgenossen, Heimat, Antisemitismus
Die älteste Urkunde, welche auf das Vorhandensein von Juden in Meißen deutet, ist eine vom 6. Juli 1286 datierte Eignung Heinrichs des Erlauchten an das Afrastift über zwei Hufen bei Brockwitz und eine Mühle im Triebischflusse bei dem Jüdenberg zu Meißen*), also am Fuße des damaligen jüdischen Friedhofes. („Molendinum situm super fluvium Trebescam prope Misnam sub monte Judaeorum".) Eine andere dort gelegene Mühle wird in einer vom 10. August 1327 datierten Urkunde erwähnt, in welcher der Dekan des Hochstifts, Lutold, die von dem Müller Jeckil geschehene Erwerbung der Mühle unter dem Judenberge genehmigt (situm sub monte Judaeorum.)**) In einer Urkunde aus dem Jahre 1287 erklärt Bischof Withego I., das das Haus des Juden Isaak 30 Denare zu einer Zinsleistung beizutragen habe (de curia Ysaac Judaei triginta denarios.***) In derselben Weise bezeichnet Domherr Conrad von Boruz das Haus des Juden Bule am 16. Mai 1296 als zinspflichtig (quam possidet Judaeus dictus Bule****) Ob die beiden Juden Isaak und Bule getauft waren, oder ob damals die Juden in Meißen noch Grundeigentum besitzen durften , wie Ursinus in seiner „Geschichte des Klosters zum heiligen Kreuz" meint, ist schwer zu entscheiden.

Die Meißener Judengemeinde muss sich ausschließlich außerhalb der Stadtmauern auf dem „Neumarkte" befunden haben, auf dem wohl auch die Synagoge gestanden hat. Es ist (nach Genglers Forschungen über das Meißner „Judendorf“) nicht wahrscheinlich, dass neben dieser Gemeinde noch Juden innerhalb der Stadt, in der heutigen „Judengasse," gewohnt haben. Eine derartige zweifache Ansiedelung wäre nur denkbar unter der Annahme, dass der den Juden in der Stadt zugewiesene Raum sich später als unzureichend erwiesen habe, dass also die Vorstadtgemeinde jünger sei. Der Name „Neumarkt" weist aber darauf hin, dass die Meißener Judengemeinde auf demselben nicht erst entstanden sein kann, als die Juden bereits ausschließlich auf den Wucher angewiesen waren.

*) Codex dipl. Sax. Reg. 4. Bd. Nro. 175.
**) Codex dipl. Sax. Reg. 4 Bd. S. 21 Nro. 31.
***) Codex dipl. Sax. Reg. II. 1 Nro. 78.
****) Codex, diplom. Sax. Reg. II 1. Nro. 318.


Die Meißener Juden trieben in der Vorstadt Handel, noch ehe Meißen Marktrecht erhielt; nach Verleihung desselben wurde es ihnen auch für ihr Dorf erteilt — es entstand das Novum forum. Nach Ursinus „Geschichte des Klosters zum heiligen Kreuz" ist anzunehmen, dass das Jüdentor in Meißen nur auf Kosten der Juden, nicht für die Juden gebaut wurde, und dass die Gasse, die nach diesem Nebentore führte, davon den Namen „Jüdengasse" erhielt. Aus derselben Schrift ergibt sich auch, dass die Meißener jüdische Gemeinde auf einem von ihren Wohnungen entfernten Hügel einen besonderen Friedhof hatte, der durch Gräben abgegrenzt war. Später wurde der Kirchhof als Weideland benutzt und als solches hebt er sich auf einem im Jahre 1558 von Hiob Magdeburg gemalten Bilde der Stadt Meißen noch deutlich von dem Weinberge des heutigen Jüdenbergs ab.

Auch in Freiberg, wo sich frühzeitig Juden niederließen, gab es zu jener Zeit einen solchen „Jüdenberg", aber nicht für die Toten, sondern für die Lebenden, und zwar nahe der inneren Stadt vor dem Erbischen Tore, an dem heutigen „Roten Wege", wo auch eine Synagoge gestanden haben soll. In den von Andreas Möller verfassten gleichzeitig mit den „Annales" bei Georg Beuther erschienenen „Freybergischen Theatri Chronici" heißt es wörtlich*): Item der Jüdenbergk, da sich für diesem viel Jüden aufgehalten, welchen E. E. Rath Anno 1545 an Balthasar von Ragewitz, letztem Thum Dechant zur Stadt gekauft."

*) Andreas Möllers Theatri Chronici S. 40.

Die Meißner Synagoge war nicht nur für den Gottesdienst und den Unterricht, sondern auch für die jüdische Gerichtspflege bestimmt und stand als solche in hoher Achtung. In Schäfers „Sachsenchronik" heißt es: „Nach mündlichen Überlieferungen war daselbst das größte Sanhedrin der Juden, wo einst die jüdischen Gelehrten gebildet wurden daher bei ihnen noch das Sprichwort: „Der Weise von Meißen." Dr. Leicht, welcher dagegen die Nachricht von der großen Schule in Meißen in das Reich der Fabel verweist, stützt sich dabei auf eine Mitteilung des Dr. Cassel. Er gibt aber dabei doch zu, dass entsprechend einer alten Schulordnung aus dem 13. Jahrhundert eine durch Steuer der jüdischen Einwohnerschaft zu erhaltende hohe Schule am Sitze der Landesregierung bestehen sollte, dass in Meißen jedenfalls auch eine Bildungsanstalt für Lehrer bestand, aus welcher die Rechtspflege für die israelitische Gemeinschaft hervorging .*) Wiederholt kommt die Meißner Judenschule in Urkunden vor. Im Jahre 1320 wird in einer Schrift über eine vereinbarte Zinsenveränderung, ein Garten wie folgt bezeichnet: „in novo foro de horto secundo ab scola Judaeorum contra Albiam.“**) Von demselben Garten ist in einer vom Jahre 1349 datierten Urkunde die Rede, in der es wieder heißt: „sito in novo foro a scola Judaeorum contra Albiam."***) Noch einmal findet die Meißner Synagoge Erwähnung in einer vom 25. November 1377, also nach der Vertreibung der Juden datierten Urkunde ****), in der gesagt wird: „Die Äbtissin und der Convent des Klosters zum heiligen Kreuz erklären als Patron der Kirche zu St. Nicolai, dass die vom Markgrafen Balthasar getroffene Entscheidung, wonach die Judenhäuser (iudenhuesere) an die Stadt, die Judenschule (dy iudenschulle, dy do geleygin ist in der pharre czu sente Niclaus) an den Pfarrer zu St. Nicolai gekommen sind, unverrückt aufrecht erhalten werden solle.“

*) Mitteilungen des Vereins f. Gesch. d. Stadt Meißen 2. Band 4. Heft S, 442.
**) Codex diplom. Sax. Reg. II. 1. Nr. 381.
***) Codex diplom. Sax. Reg. II 1. Nr. 451.
****) Codex diplom. Sax. Reg. 4 Bd. Nr. 53.