Geschichte der Juden in Königsberg

Ein Beitrag zur Sittengeschichte des preußischen States
Autor: Jolowicz, Heimann (1816-1875) Prediger, Journalist, Publizist, Erscheinungsjahr: 1867

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Juden, Judentum, Jüdische Geschichte, Königsberg, Preußen, Mittelalter, Reformationszeit, Reformation, Religion, Christentum, Judenverfolgung, Antisemitismus, Sittengeschichte, Kulturgeschichte, Sozialgeschichte, Ostpreußen, Vertreibung
„Man könnte demnach sagen, Königsberg sei die erste Stadt im preußischen Staate gewesen, welche in ihrer Mitte einen Rabbiner sah, der wenigstens akademische Lehrsäle besucht hatte.“ S. 45

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Das vorliegende Buch, bei dessen Bearbeitung, außer einer großen Menge gedruckter Werke und Urkunden, noch besonders sämtliche Judenakten der hiesigen städtischen und königlichen Behörden benutzt worden sind, gibt eine umständliche, möglichst vollständige Darstellung der äußern und inneren Geschichte der Juden Königsbergs von ihrer ersten Ansiedelung im heutigen Ostpreußen bis auf die Gegenwart. Das Buch ist von keinem Parteistandpunkte aus, daher auch für keine besondere Partei geschrieben. Sämtliche Tatsachen sind den Quellen gemäß erzählt; ihr Ursprung und ihre weitere Entwickelung werden aus dem je zeitweiligen Kulturzustande der Provinz, Stadt und des Gesamtstaates erklärt und das Ganze bildet einen nicht unwichtigen Teil der reichhaltigen Sondergeschichte der Hauptstadt Altpreußens. Sehr viele neue, bisher unbekannt gebliebene Tatsachen liefern wertvolle Beiträge zur Geschichte des städtischen Handels, des Verhältnisses der städtischen zu den Staatsbehörden u. s. w. Andere beleuchten in eigentümlicher Weise manche Partien der örtlichen religiösen, staatsbürgerlichen, gesellschaftlichen und literarischen Zustände, während wieder andere vielerlei Stoff liefern zum Nutzen der Statistik.

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Inhaltsverzeichnis
    Einführung
  1. Von der ersten Ansiedlung der Juden im Jahre 1538 bis 1700
  2. Die Anfänge der jüdischen Gemeinde im Jahre 1700 bis 1740
  3. Staatsbürgerliche und religiöse Verhältnisse der Juden vom Jahre 1740 bis 1798
  4. Verbesserung der bürgerlichen Lage der Juden. Versuche der Umgestaltung des Synagogenwesens von 1798 bis 1840
  5. Emanzipations-Bestrebungen. Sieg und Rückschritte, Reform des Synagogenwesens. Deutscher Gottesdienst. 1840 bis 1866
Ermangelt auch der Anfang und Fortgang der Geschichte der Juden in dem heutigen Ostpreußen nicht der traurigen Züge, welche Barbarei, Unwissenheit und Eigennutz zu eigener Schmach darauf eingedrückt, so gewährt es doch andererseits Befriedigung, dass sie von keiner Massenverfolgung, Austreibung, Niedermetzelung und Verbrennung der im sonstigen christlichen Europa wie kostbares Wild umhergejagten Bekenner des Judentums zu berichten weiß. Freilich reicht die spärliche Einwanderung der Juden aus dem benachbarten Polen und dem jetzigen Westpreußen in diese Provinz nicht über den Anfang des vierzehnten Jahrhunderts hinaus; aber gerade in diesem Jahrhundert und den unmittelbar daran sich anschließenden, hatte sich die neue Barbarei mit den Resten der alten verbunden, um in der Demütigung und dem Elend der Schwachen und Wehrlosen die eigene Übermacht zu zeigen. Kein Wunder also, dass der deutsche Orden, der Ostpreußen, nicht sowohl durch die vorgebliche Schenkung des Herzogs Conrad von Masovien (1226), der selber über die damals noch rohen, unbändigen und unabhängigen Preußen kein Herrscherrecht hatte, als vielmehr durch Kriegs- und Waffengewalt an sich riss und auf Ausrottung alles dessen ausging, was seinem in den Kreuzzügen mit nur zu vielem Judenblut getauften Christentum entgegenstand, kein Wunder, dass diese Ritter den Juden jeden Schutz versagten, und dass der erste preußische Gesetzgeber, der Hochmeister Seyfridt (Siegfried) von Feuchtwangen 1309 die Verordnung erließ:

„Gott zu Lobe und Marien zu Ehren, deren Diener wir sind, setzen wir und wollen es ernstlich gehalten haben, erstlich, dass kein Jude, kein Schwarzkünstler, kein Zauberer, kein Waydeler *) und wie sie genannt werden mögen, die mit des Teufels Hilfe in Ehrung desselben und Missbrauch des Glaubens handeln und wandeln, in unseren Landen nicht verhalten, noch geduldet werden sollen, und wer so verhalten würde, der soll mit ihnen leiden, was solche Ungläubige und Unselige von Rechtswegen verdient haben.“ **)

*) So hießen die Geistlichen der heidnischen Preußen.
**) Preuß. Sammlung allerlei bisher nichtgedruckter Urkunden, Nachrichten und Abhandlungen, Danzig 1748. Bd. II. S. 100. Vergl. Caspar Schütz Historia Rerum Prusscarum, Zerbst, 1592. S, 62 b, wo die Verordnung auszüglich angeführt wird.


Indes erwies sich die Kraft der neuen sozialen Verhältnisse stärker als die Macht dieses papiernen Erlasses. Die allmähliche Kultivierung des Landes durch deutsche Einzöglinge in die neuangelegten Städte und die dadurch gesteigerten Bedürfnisse des Landes riefen bald einen lebhaften Handelsverkehr mit dem Auslande ins Leben, und das damals im Osten von Estland bis an das schwarze Meer sich erstreckende Polen, mit welchem der deutsche Orden im Jahre 1243 einen förmlichen Handelsvertrag geschlossen, benutzte die samländischen Küstenstädte als Absatz- und Stapelplätze für seine Waren. In Polen genossen die Juden zur Zeit größere Freiheiten und mehr Menschenrechte, als sonst irgendwo in Europa. Das Privilegium Casmirianum *), oder der von Casimir dem Großen im Jahre 1334 erneuerte und erweiterte Freibrief des Herzogs Boleslaus des Frommen in Kalisch für die Juden Großpolens, von 1264, sicherte den Juden ihren Handelsbetrieb auf breiter Grundlage; und gestützt auf dieses Statut haben sie, trotz des ihnen von dem Hochmeister angehefteten Makels der Ungläubigkeit und Unseligkeit, sich mit ihren Handelsartikeln nach Preußen begeben und da sich nachgerade heimisch gemacht. Denn Hennenberg berichtet nach Simon Gronau Tr. 12, K. 13.): „För zeiten woneten auch Juden unter dem Orden, da lernte ein Jud einen armen Fischer, Er solte eine Consecrirte Ostien in holtz spünden, vnd mit an das Garn hengen, so würde er viel Fische fangen, vnd reich werden, vnd dis geschach auch. Der Jud ward anderer sachen halber eingesetzt, in der pein bekante er auch dis, vnd da die Diener den Fischer holen solten, vnd ihr der Fischer gewar wurde, wil er daruon vnd durch die Weissel schwimmen, aber er erseufft darinnen. Nun wuste man nicht in welchem holtze die Ostien war, doch hat man an einem lichtlein, so des nachts ob demselbigen höltzlein brannte, es gemerckt. Die Consecrirte Ostien hat man consumiret. Derethalben mus kein Jude in Preußen wonen. Dörfen auch in keiner Stadt einreiten noch fahren, sondern zu fus gehen. **)

*) Den Inhalt dieses Privilegiums, siehe weiter unten, S. 15 Anmerk. 2, hier sei nur noch bemerkt, dass die Juden Polens schon früher mit günstigen Privilegien bedacht waren, so 1175 von Miecislav dem alten, 1203—1207 von Heinrich dem Bärtigen, Herzog in Schlesien.

**) Auch Lucas David erzählt nach Gronau dieses Märchen umständlich in seiner Preußischen Chronik Bd. 6 (Kngb. 1814) S. 152—53, er verlegt den Vorfall in die Zeit des Hochmeisters Ludolf König von Weitzan, 1343 ff. und nach dem Städtchen Schwetz, erwähnt aber nicht des Verbotes des Reitens und Fahrens in der Stadt, führt jedoch weiter aus Gronau an: „der Jude wart seiner Misshandlung nach zum Tode verurteilt vnd gericht vnd weil er etliche nicht geringe Vbelthaten bekant, haben die Herren vnd andere Stende des Landes von wegen solcher gotteslästerigen Thaten vnd weil er nicht alleine wider Menschen, sondern auch wider Gott vnd die heiligen Sacrament mißgehandelt, ist allen Juden nicht alleine die Vonung im Lande Preussens, damit dann auch Pomerellen gemeinet worden, sonder auch aller Handel und Wandel darinne verboten worden, außgenommen Thorn, dahin sie mir im Jahrmarkt trium regum doch mit Geleite vnd mit einem gewissen Zeichen, daran sie mögen erkannt werden, zu kommen Inen ist zugelassen worden.“ Der gelehrte Herausgeber der Chronik, Archiv-Direktor Ernst Hennig, bemerkt hierzu: „dass sich aber, wenigstens im 15. Jahrhundert, mehrere Juden als Ärzte im Lande aufhielten, darüber befinden sich viele Beweise im hiesigen geh. Archiv.“ Siehe weiter unten, S. 7. 8.


Selbst wenn man die Richtigkeit dieser Angabe unangetastet lässt, obgleich sie, wie der Augenschein lehrt, in Wahrheit nach ihrer ganzen Färbung nichts anderes ist, als eine spätere, dem Geschmacke der Zeit angepasste Rechtfertigung der Verordnung Feuchtwangens, so kann man doch mit Sicherheit annehmen, dass nachdem Preußen durch den Thorner Frieden vom 19. Oktober 1466 unter die lehnsherrliche Oberbotmäßigkeit der Krone Polen kam, die Juden mehr und mehr festen Fuß in den Städten fassten. — Darum überrascht es auch nicht, wenn später, seitdem König Sigismund von Polen im Krakauer (ewigen) Frieden vom 8. April 1525 die Provinz dem Markgrafen Albrecht zu Brandenburg als weltliches, erbliches Herzogtum und polnisches Lehen übergab, fast auf allen Landtagen Anträge auf Vertreibung oder Beschränkung der Juden im Handel und Wandel zur Verhandlung und Sprache kamen. *) Um den Geist dieser Anträge und der darauf erfolgten Bescheide, deren einige weiter unten mitgeteilt werden, richtig zu würdigen, muss man in Betracht ziehen, dass das junge Herzogtum, wenn auch die Arbeiten der Industrie und die Geschäfte des Handels pflegend, doch noch nicht so weit in der Entwickelung der Sitten gediehen war, dass weder Priester noch Adlige, weder der Fürst, noch der gewöhnliche Arbeiter Hindernisse schaffen und Reibungen erzeugen konnte, um die ersten Knospen der Freiheit, welche Wissenschaft und Kunst anzusetzen begonnen, schon im Keime zu ersticken. — Dazu kommt noch, dass die Einführung der Reformation in Preußen einen Geist des Fanatismus gegen Nichtlutheraner geweckt hatte, der rücksichtslos Alles niederwerfen und vernichten mochte, was seinem Bekenntnisse entgegenstand. Daher werden die Juden, wie früher mit den heidnischen Schwarzkünstlern und Zauberern, so jetzt meist mit Socinianern und Arianen, und später wieder mit Zigeunern gleichgestellt, um ihre Vertreibung scheinbar zu rechtfertigen. Indes beweist gerade die so oft und verschiedentlich auf die Tagesordnung gebrachte Judenfrage, dass die Juden damals bereits zu einer gewissen Bedeutsamkeit sich müssen emporgearbeitet haben, was sie allerdings durch Vermittlung des Handelsverkehrs als Faktore der polnischen Magnaten leicht konnten. Und diese ihre Wichtigkeit, ja man möchte fast sagen, Notwendigkeit für den im Aufschwunge begriffenen Handel Preußens haben die Regenten aus dem Hause Brandenburg - Hohenzollern zu würdigen gewusst: daher wurde unter ihrer Herrschaft die Stellung der Juden allmählich eine gesichertere, wenn auch nicht eine von vielen Quälereien und hohen Besteuerungen befreite. —

In wie fern und in welcher Weise das Chaos von Erlassen und Verordnungen über die Juden Ostpreußens, deren Mittelpunkt gleich anfangs Königsberg war und bis auf die Gegenwart blieb, allmählich besseren Ein- und Ansichten Platz machen musste, und zu einem Objekt der Vergangenheit wurde, welches eine ernste geschichtliche Beurteilung seines Wertes für die Sondergeschichte der Stadt und Provinz herausfordert, darüber sollen die folgenden Kapitel Aufschluss geben. **)

*) 1528 klagen die Städte über den Handel der Juden auf dem Lande und über deren Anwachsen in den kleinen Städten; 1594 wollen die Stände ein Verbot der häuslichen Niederlassung der Juden veranlassen. Gottfried Lengnich, Geschichte der Preußischen Lande Bd. I„ S. 55. 70.

**) Wenn es im „Jus Culmense es ultima revisione“ (herausg, von Hanow) Danzig, 1767, fol. Cap. 2, Tit. 5, Buch IV, p. 158. heißt: „Die Juden sollen, vermöge der alten Ordnung, nirgends im Lande gelitten werden“ so ist die Quelle dieser Bestimmung in den Landessatzungen von 1529 und 1537, so wie in dein Landesedikt von 1551. In dem alten Culmischen Recht findet sich darüber nichts. Mitteilung des Dr. Emil J. H. Steffenhagen.

Königsberg, Schloss und Bellevue

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Königsberg, Schlossteich-Promenade

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Königsberg, Schmuckplatz an der Gluck-Straße

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Königsberg, Schloss

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Königsberg, Schloss und Kaiser-Wilhelm-Denkmal

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Königsberg, Kaiser-Wilhelm-Platz

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Königsberg, Hafenpartie

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Königsberg, Hafen (Hundegatt)

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Königsberg, Dom

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Königsberg, Börse

Königsberg, Börse

Königsberg, Börse 2

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Königsberg, Blutgericht

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Königsberg, alter Innenhafen

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