Zweite Fortsetzung

Es war das Fabrikmaschinenwesen, das somit in die Erscheinung gekommen war und das zunächst dem uralten wackeren Weberhandwerk gegenüber, außerordentliche, dieses fast vernichtende Kräfte entwickelte. Wir haben schon oben die Arkwright'sche Spinnmaschine erwähnt, die 1774 erfunden wurde; ihr folgten die Webemaschine des Engländers Cartwright 1792 und die Seidenwebemaschine des Franzosen Jacquard zu Lyon [b]1810, ferner Dressur-, Appretur-, Klopf-, Auspress- und Schermaschinen. Auf einem Arkwright'schen Stuhle können 3—400, ja auch 1.000 Fäden zugleich und zwar so fein gesponnen werden, dass ein Pfund Baumwolle 1.000 Strähne oder 488 Meilen lang wird; ebenso viele Spindeln können, in einer Reihe aufgestellt, so tätig sein, dass jede Spindel 3—4.000 Mal in einer Minute umläuft; und zur Besorgung eines solchen Stuhls reicht ein einziger Arbeiter mit einigen Kindern zu, welche die zerrissenen Fäden wieder anzuknüpfen haben; ja in neuester Zeit sind sogar völlig automatische Stühle in Gebrauch gekommen, die keines Arbeiters zur Führung bedürfen. Und solcher Spindeln gibt es gegenwärtig 17—18 Millionen in England und Spinnfabriken bestehen, welche mit 50.000 Spindeln arbeiten. So stieg die Produktion des Garnes ins Ungeheure. Man berechnet die jährliche Produktion der Baumwolle auf der ganzen Erde zu zirka 1.000 Millionen Pfund, wovon bei weitem der größte Teil in England versponnen wird. Würde dies aber mit Menschenhänden geschehen sollen, so hätte man an 30 Millionen Arbeiter nötig, wobei deren Weiber und Kinder gar nicht mitgerechnet sind. Dasselbe Verfahren hat man nun aber auch mit gleichem Erfolg auf das Spinnen der Schafwolle und des Flachses angewendet. — Wenn nicht in gleichem Grade, wie die Spinnmaschinen, so nahmen doch auch die mechanischen Webestühle immer mehr zu, und wenn es deren in England im Jahre [b]1814 erst 3.000 gab, so gibt es deren gegenwärtig mehrere 100.000. Auch die Bandstühle entwickelten eine erstaunenerregende Produktionskraft; man kann 30—40 Bänder zugleich erzeugen und eine Fabrik in Basel produziert jeden Tag auf 90 Stühlen 900 Ellen; Frankreich erzeugt an seidenen Bändern allein für 50 Millionen Franken und die Schweiz für 18 Millionen. Die Jacquardmaschine kann die einfachsten, wie die zusammengesetztesten Dessins ausführen. Selbst das Spitzenklöppeln ist durch das Maschinenwesen höchlich bedrängt worden. Im Jahre [b]1809 erfand der Engländer Keatkoth eine Maschine, auf der mit wunderbarer Schnelligkeit ein feines netzartiges Gewebe, das den kostbarsten geklöppelten Spitzen täuschend ähnlich ist und Tüll genannt wird, verfertigt wird. Während eine fleißige Klöpplerin kaum 2 Ellen ganz schmaler und einfacher Spitzen in Einem Tage zu Stande bringt, vermag ein Arbeiter auf einem solchen Stuhle 6 und mehr Quadrat-Ellen zu erzeugen. Und solche Stühle besaß England bereits vor 10 Jahren 4—5.000. Fast unglaublich ist es aber, dass selbst das Sticken mittelst einer Maschine ausgeführt werden kann, und wirklich brachte vor etwa 20 Jahren Johann Heilmann zu Mühlhausen eine solche zu Stande, die 100 Nadeln gleichzeitig mit bewunderungswürdiger Präzision in Bewegung setzt. Ferner ist das handwerksmäßige Scheren der Tücher völlig unhaltbar geworden, da man Schermaschinen erfunden hat, mit welchen selbst die zartesten Stoffe, wie Wollmousselin, geschoren werden können, wobei die Arbeit so schnell vorwärts geht, dass in Einer Stunde an 100 Ellen die Scherung erhalten. Und endlich hat auch der Kattundruck, der bis auf unsere Zeit nur durch die Hand geschah, einen erstaunlichen Umfang erfahren. Durch die Erfindung des Walzdrucks, nämlich durch die Einführung einer Maschine, auf welcher mittelst einer gravierten Walze das Drucken vor sich geht, kann das Bedrucken eines ganzen Stücks und zwar in 2—5 verschiedenen Farben in wenigen Minuten geschehen.
Eine gleich erstaunliche, für Taufende noch ganz unbegreifliche Wirksamkeit, wie in der Bereitung der Kleidungsstückestoffe, entwickelte das Fabrikmaschinenwesen dem Handwerk der gleichfalls uralten Schmiede, überhaupt aller Metallarbeiter, gegenüber vom Hammerschmied bis zu den kunstreichsten Arbeiten der Gold- und Silberschmiede. Man zählt gegenwärtig gegen 24 solcher Fabrikmaschinen, die in Metall arbeiten, und die alle erst seit etwa 30 Jahren in Gang gekommen sind, und von denen ein Teil an die Stelle der sonst gebräuchlichen Handwerkszeuge getreten, der andere Teil aber aus die Hervorbringung eines bestimmten Produkts berechnet ist. So gibt es Maschinen, die gießen, clichiren, schmieden, walzen, Röhre bohren, schneiden, sägen, bohren, feilen, hobeln, fräßen, drehen, Schrauben schneiden, prägen, nieten, und dann solche, welche Draht, Nägel, Ketten, Feilen, Stecknadeln, Drahtstifte, Kleiderhäkchen, Kratzen und Münzen fabrizieren, lauter automatische Maschinen, die, von einer gewaltigen Dampfmaschine in Bewegung gesetzt, mit einer Schnelligkeit, Regelmäßigkeit, Genauigkeit und Kraft Arbeiten ausführen, wie es dem Menschen mit seinen eignen Händen nicht möglich ist, und die doch zugleich eine fast unberechenbare Anzahl von Menschenhänden ersparen. So entwickelt eine Schmiedemaschine eine Kraft von 100— 12.000 Pfund mit einer Fallhöhe von 1—0 Fuß und 50 — 200 Schlägen in einer Minute. Mit der Blech-Walzwerkmaschine kann 1 Zoll dicker, 2 Fuß langer Quadrateisenstab in nicht völlig einer Minute auf 32 Fuß Länge gestreckt und auf 3 Linien Stärke verdünnt werden. Die Schneidemaschine durchschneidet Eisenstäbe von 1 — 1 ½ Zoll Dicke und 4-6 Zoll Breite mit nicht größerer Schwierigkeit, als etwa ein Klempner mit seiner kleinen Haarschere ein dünnes Messingblech zerteilt. Eine Kreissäge schneidet in 9 Zoll dickem trocknem Eichenholz stündlich 120 Quadratfuß, was gleich einer Arbeit von 24 Männern innerhalb derselben Zeit ist. Die Drahtmaschine vermag einen Draht in einer Minute zu 560 Fuß Länge zu ziehen. Die Stecknadelmaschine erzeugt in 48 Stunden 100.000 Nadeln, die Drahtstiftmaschine in einer Minute 300 Stück Stifte und die Kleiderhäkchenmaschine 350 Stücke. Eine Münzmaschine prägt in einer Minute 45—50 Thaler. Aber die Maschinen haben sich auf das Gebiet der Kunst erhoben; es gibt Graviermaschinen, die prachtvolle Armringe, Siegelringe und andern Schmuck mit den herrlichsten Verzierungen verfertigen, Reliefkopiermaschinen, die Medaillen und andere plastische Kunstwerke aufs Vollkommenste nachbilden, und Guillochiermaschinen, die auf Uhrgehäusen, Dosen u. s. w. Tiere, Blumen und Arabesken zu Stande bringen, wie es der bloßen Handarbeit eine unauflösliche Aufgabe wäre.

Indem nun schon so, aus einer solchen Verbindung einer riesenhaften Kraft mit dem feinsten Scharfsinne, wie sie in den mit Dampfkraft getriebenen Maschinen vor sich gegangen war, Dinge hervorgingen, welche durch ihre Masse und Größe wie durch ihre Zweckmäßigkeit und Feinheit zum freudigen Erstaunen hinreißen, so schritt zugleich die von den Wissenschaften unterstützte und erleuchtete Gewerbetätigkeit auch da in ihrem weiten unermesslichen Gebiete zu einer gleich erstaunlichen Vollkommenheit vor, wo die Kräfte und Stoffe der Natur in ihrem freien selbstständigen Zusammenwirken bloß unmittelbar durch die Hand des Menschen zu leiten sind, und indem sie diese Stoffe und Kräfte zu ihren höchsten und edelsten Leistungen zu führen wusste, schuf sie in rascher Folge Werke, welche die ganze Welt in Erstaunen setzten und einen Reichtum und Glanz über das Leben brachten, wie sie vorher noch niemals gesehen worden waren. Zunächst war schon der Einfluss dieser Gewerbetätigkeit auf die Erzeugung und Herbeischaffung der Rohstoffe ungeheuer, wobei sich zugleich die ganze Welt eröffnete, indem sich jetzt ein Welthandel bildete, der alle Teile der Erde umfasste, um die Erzeugnisse aller Länder und Völker herbeizuschaffen. Was nur die Erde hervorbringt an Nahrungsmitteln, wie z. B. an jenen edlen Früchten, an Zucker, Kaffee und Tee, dann an Kleidungsstoffen und andern Erzeugnissen für das Haus, dessen Einrichtung u. s. w., wie z. B. Leder, Häute, Felle, Hölzer, Spinn-, Färbe- und Erleuchtungsstoffe, fließen aus allen Zonen in Europa in ungeheuren Massen zusammen. Den Verbrauch des Zuckers in Europa schätzt man gegenwärtig auf 1.600—1.800 Millionen Pfund, den des Kaffees auf 230 Millionen, den des Tees auf 50 Millionen, den der Schokolade auf 23 Millionen Pfund. Außerdem lernte man Zucker und Tabak im eigenen Lande erzeugen und bereiten, und den köstlichsten aller Stoffe, das Mehl, so zubereiten, dass es zum Welthandel geeignet wurde. Die jährliche Produktion an Baumwolle auf der ganzen Erde schätzt man gegenwärtig auf eine Milliarde Pfund, die der Wolle in Europa auf 600 Millionen, die des Flachses auf 300 Millionen preuß. Pfund, und an Seide verarbeitet Frankreich allein im Wert von 400 Millionen Franken. Unter den neu aufgefundenen Stoffen zeichneten sich besonders der Kautschuk und die Guttapercha aus, welche zu unzähligen Gegenständen verarbeitet werden können, und bereits zu vielen Millionen Pfund in Europa eingeführt werden. An diese Stoffe schließen sich nun die Metalle in gleich ungeheurer, bisher nie erlebter Menge an. Die jährliche Produktion an Eisen auf der Erde schlägt man gegenwärtig auf 60 Millionen Zentner, die des Kupfers auf 700.000 Zentner, die des Zinns auf 200.000 Zentner, die des Silbers auf 4 Millionen Mark, die des Goldes auf 200.000 Mark an. So außerordentlich aber diese Masse an Stoffen war, so außerordentlich wurde deren Behandlung, Ausarbeitung und Anwendung , wie dies teilweise durch das Maschinenwesen geschah, nun aber auch andernteils unmittelbar von Seiten der Wissenschaft und des Handwerks. So erhob sich die Färbekunst zur schönsten, höchsten, edelsten und reichsten Blühte: man lernte die alten Färbestoffe verbessern, und fand neue auf, wozu man noch durch allerlei Metalloxyde und Metallsalze, die als Beizmittel angewendet wurden, eine zahllose Menge der glänzendsten und eigentümlichsten Nuancen zu erzeugen wusste; man lernte die Farben weit haltbarer, schöner und glänzender auf die Zeuge zu bringen als sonst, und gegenwärtig gehört zu jeder bedeutenden Kattundruckerei notwendig ein ordentliches vollständiges Laboratorium, dem ein gründlich gebildeter Chemiker vorsteht. — Ausnehmend ist die Bearbeitung der Metalle vervollkommnet worden, man erfand neue Legierungen, wie Argentan, die Plattierung der Metalle, womit man die kostbaren edlen Metalle zu ersetzen wusste, lernte Bronze in edelster reinster Art zu erzeugen und zu verarbeiten. Die Fabrikation dieser Legierungen steigt gegenwärtig zu vielen Millionen Gulden. Aber noch erfreulicher bildete sich die Kunst der Verarbeitung des Eisens aus: man lernte das Eisen in immer bessern Stahl zu verwandeln, beides, Eisen und Stahl, besser zu gießen, schmieden, walzen, strecken, ziehen, schleifen, wetzen, polieren, gravieren, ätzen und vergolden: alles dies in erstaunlicher Vollkommenheit. Man gießt jetzt die mannigfaltigsten Gegenstände aus Eisen, als Räder, Zylinder, Balanciers oft von mehreren 100 Zentnern Gewicht wie die zartgebildetsten Galanterie- und Bijouterieartikel. Die Fabrikation aller Stahlarbeiten, wie Messer, Gabeln u. s. w. ist zu einem ungeheuren Umfang erwachsen. England führt deren allein für mehr als eine Million Pfund Sterling aus, und der Traunkreis in Österreich liefert jährlich viele Millionen aller Gattungen von Messern und Stech- und Schneidewerkzeugen. — Die Verarbeitung des Glases, die des Holzes durch das Schreinerhandwerk, die des Tones durch die Töpfer ist ebenso vollkommen als umfangreich geworden. Man lernte dem Glas die schönsten Farben beizubringen, und zugleich es so zu bereiten, dass helle rechteckige Glasfenster bis in die gemeinste Dorfhütte sich verbreiten konnten. Fast gleiche Verbreitung geschah mit dem Porzellan. Zur höchsten Vollkommenheit brachte man es in der Lackierkunst und in der Furnierkunst, ebenso in der Fabrikation der Spiegel, der Uhren, der Lampen und der Chaisen und Wagen; ausgezeichnete Erfindungen aber waren die Vergoldung auf galvanischem Wege anstatt der alten Feuervergoldung, dann die Emaillierung der eisernen und blechernen Kochgeschirre, eine höchst freundliche die Lithophanie oder die Kunst auf Platten von unglasiertem Porzellan schattierte Bilder darzustellen, die hervortraten, sobald jene vor das Licht gehalten wurden. Drei Erfindungen indessen haben nach einander vor Allem die Welt in das freudigste Erstaunen versetzt, die Gasbeleuchtung, die elektro-magnetischen Telegraphen und die Sonnenmalerei, Erfindungen, die die Fähigkeit des menschlichen Geistes und die Macht der Wissenschaft aufs Glänzendste an den Tag legten. Endlich gelangte das Schrift- und Druckwesen zu einem ungeheuren Umfang und Vollkommenheit durch Erfindung der Schnellpresse, der Letterngießmaschinen und des Maschinenpapiers, dem sich zugleich die Erfindungen der Lithographie, der Stereotypie und des Kolorits- und Illustrationsdrucks, sowie die der Stahlfedern anschließen. — Eine solche Menge der glänzendsten Entdeckungen und Erfindungen, eine solche Entfaltung des Reichtums der Natur, eine solche Entwicklung der Gewerbe, und in so kurzer Zeit, war noch nie erlebt worden, und es hatte sich auch Alles im ungeheuren Zusammenwirken zahlloser Kräfte so zusammengedrängt, dass Tausende sich nicht der Umwandlung bewusst wurden, in die man plötzlich eingetreten war. Und doch, wie sichtbar war die Wirkung auf alles Leben ringsumher! Noch pries man die Vergangenheit, die gute, alte Zeit, noch klagte man über die Gegenwart, noch hoffte man auf die Zukunft, während sich doch Alles in nächster Nähe zum Erfreulichsten umgeschaffen hatte. Wo sonst weithin unbebaute Felder sich erstreckten, trug jetzt Alles Früchte, wo sonst öde Strecken lagen, hoben sich ungemessene Schätze zu Tage; an der Stelle der uralten ungebahnten Wege durchzog ein Netz der schönsten Straßen das Land, selbst die höchsten Gebirge durchbrechend; eine zahllose Menge der schönsten wundervollsten Brücken überspringen die Ströme und Flüsse; die alten dunklen engen Straßen der Städte hatten sich geöffnet; eine Menge der herrlichsten Paläste und Tausende von geschmackvollen Häusern erhoben sich; die Städte bevölkerten sich zur Hälfte mehr als sonst; auch das Land ringsum blühte auf und man sah schöne wohlgebaute Dörfer, wo sonst nur eine Reihe armseliger Lehm- und Strohhütten gestanden war; wie sonst Fürsten und der Adel, so wohnten jetzt Bürger und Bauern. Und wo sonst Tausende in Lumpen und hungrig ein elendes Dasein fristeten, erblickte man jetzt gesunde und gutgekleidete Menschen, denen auch endlich einmal die Schönheit und der Reichtum von Gottes Natur aufgegangen war.


An dieser in der Geschichte beispiellosen Entwicklung der Gewerbe und somit der Kultur haben nun besonders drei Nationen mitgewirkt, das deutsche, das englische und das französische, jetzt die drei ersten Kulturvölker der Erde. Noch immer unversiegbar ist der Ideenreichtum, die Erfindungsgeist und der Fleiß des deutschen Volkes, darin alle andern Völker übertreffend, wozu noch der edle Kunstsinn kommt, den es wie kein anderes Volk seinen Erzeugnissen einzuprägen vermag; das englische Volk überragt alle andern durch die Kolossalität seiner Kräfte und Leistungen, die es in seinen Leistungen zu entwickeln vermag, wahrend das französische Volk an Geschmack alle überstrahlt. So hat eine wunderbare Schickung und Weltregierung drei große Nationen zu gleicher Zeit neben einander gestellt, deren verschiedene Eigenschaften und Tugenden eben dazu gehörten, um die Gewerbe und somit die Menschheit auf die Höhe der Vollkommenheit zu bringen, auf der sie jetzt stehen, und von denen keine hätte fehlen dürfen, wenn es zu dieser Vollkommenheit hatte gebracht werden sollen. Der alte Orient aber, die Urheimat aller Künste und Gewerbe, ist schon längst weit hinter Europa zurückgeblieben, er steht auf demselben Standpunkt wie noch vor Jahrtausenden, wenn er auch noch immer jenen üppigen, den Naturzuständen der Völker entsprechenden Reichtum der Erzeugnisse zu entfalten vermag. Wie aber der Orient das Land der Vergangenheit und Europa das der Gegenwart ist, so Nordamerika das Land der Zukunft, dessen Gewerbetätigkeit, gestützt auf die reichsten Naturkräfte, auf die freieste Entwicklung und unbeschränkte Konkurrenz, und endlich erfüllt vom kühnsten Geiste der Kombination und Spekulation, sich wie ein Riese neben der von Europa erhebt und uns prophetisch eine Zukunft verkündet, deren Großartigkeit wir kaum noch zu ahnen vermögen. Aber noch größer wird unsere Aussicht durch die universelle Verbindung, in der die ganze Erde zu sich selber getreten ist und alle Völker derselben. Wohin wir den Blick über die unermesslichen Gebiete derselben werfen, überall erblicken wir Leben, Regen und Bewegung. Sonst verschlossene Länder öffnen sich, das Innere der Weltteile schließt sich auf, und unzählbare Schiffe eilen zum gegenseitigen Austausch von Küste zu Küste und Meerengen werden durchbrochen, wenn sie der Verbindung hinderlich sind. Keine bedeutende Entdeckung oder Erfindung geschieht auf irgend einem Punkte der Welt, ohne sogleich mit Blitzesschnelle zum andern Ende derselben zu gelangen, kein Wetteifer tut sich auf, ohne in weiter Ferne zu wirken. Das Band eines allgemeinen Verkehrs umschlingt die ganze Runde des Erdkreises.

So ist die Geschichte der Gewerbe, die wir bisher nur an einer bestimmten Linie der einzelnen Völker hindurch führen konnten, eine große allgemeine geworden, ein gewaltiger Strom, an dessen Ufer n alle Völker der Erde wohnen und arbeiten. Dies sprach sich besonders in jener Weltausstellung aus, die vor wenigen Jahren gerade im Beginne der letzten Hälfte unseres Jahrhunderts in England veranstaltet worden ist. Industrieausstellungen, um die Leistungen einzelner Länder und Provinzen zu Tage zu stellen, waren bereits seit einiger Zeit Sitte geworden; die erste war zu Paris im Jahre [b]1798
, die erste deutsche im Jahre 1817 zu Kassel. Aber die Londoner Ausstellung war eine solche, wo jedes Volk das Beste seiner Kraft, seines Erfindungsgeistes, seiner Fertigkeit und seines Fleißes zur allgemeinen Belehrung und Vervollkommnung vor Augen stellte, wo die Menschheit gleichsam Rechnung hielt mit sich selbst darüber, wie weit sie denn eigentlich seit ihrem Bestehen in allen Künsten und Gewerben vorwärtsgekommen wäre. Zur Verwirklichung einer so großen nie vorher nur gedachten Idee hatten auch die Engländer Alles so vorbereitet, wie es einer so reichen Nation würdig war. Sie hatten nicht ferne von den Ufern der Themse im Parke von Hydepark bei London ein ungeheures Haus gebaut mit einem Aufwande von 1 ½ Millionen Gulden; es war 1.851 Fuß lang, 408 Fuß breit und 66 Fuß, im Querfuß 112 Fuß hoch, und es war nicht von Stein oder Holz, sondern sein Gerippe von Eisen, die Wände und das Dach von Glas. Der ganze Flächenraum, den es darbot, umfasste 1.016.012 Quadratfuß, der Kubikinhalt desselben 33 Millionen Kubikfuß. In der Ausstellung selbst waren auch alle köstlichen Erzeugnisse sowohl der Erde selbst wie des Menschenfleißes beisammen aus allen Teilen derselben, aus Asien, Afrika, Amerika und ganz Europa, aus China, Indien, Persien, Arabien, Ägypten, aus der Türkei, vom höchsten Norden und vom tiefsten Süden, vom fernsten Osten und dem äußersten Westen, von den Inseln des Weltmeers aus den entlegensten Winkeln der Erde. Die Zahl der ausgestellten Gegenstände belief sich auf mehr als eine Million, und ihr Wert auf mehr als 15 Millionen Reichsthaler. Besucht haben den Kristallpalast von allen Völkern in dem Zeitraum vom 1. Mai bis zum 11. Oktober über 6 Millionen Menschen. Für die besten Gegenstände waren Auszeichnungen verschiedener Art ausgesetzt, deren auch am Schluss der Ausstellung 5.248 ausgegeben wurden.

Und aus diesem großen Weltwettkampfe ist denn auch das deutsche Volk vor vielen andern ruhmgekrönt heimgekehrt: von jenen Auszeichnungen sind 757 auf deutsche Aussteller gefallen, nämlich 16 große Verdienstmedaillen, 375 Preismedaillen und 366 ehrenvolle Erwähnungen. Es hatte sich gezeigt, dass die deutsche Gewerbetätigkeit nicht nur in verschiedenen Zweigen mit andern Nationen auf gleicher, sondern auch in manchen auf einer höheren Stufe stehe, namentlich aber, dass sie an Erfindungsgeist, an Reichtum der Ideen und vorzüglich an Kunstsinn sie alle übertreffe. Und so mag denn das deutsche Volk in Mut und in Kraft die Bahn immer weiter vorwärtsschreiten, die es bereits, als noch die Völker ringsum in Unwissenheit versunken waren, tief in jenen Jahrhunderten des Mittelalters, so kräftig, so reichbegabt, so glücklich betreten. Kein anderes Volk der Erde hat seitdem bis auf unsere Tage herauf in seinen Werkstätten so große Erfindungen und Entdeckungen gemacht, Entdeckungen und Erfindungen, die mehr als einmal auf die gesamte Gewerbetätigkeit völlig umgestaltend eingewirkt haben, kein anderes Volk hat solchen Fleiß entwickelt, keines so immer und zu jeder Zeit nach dem Höheren gestrebt als das deutsche. Jetzt ist aber seine Aufgabe, den gewaltigen Anstrengungen und Fortschritten der andern Völker, namentlich der Engländer und Franzosen, gegenüber rühmlich den Platz zu behaupten. Dazu ist vor Allem nötig die einheitliche Machtentfaltung vom Kieler Hafen bis zu den Marken Italiens, von den Ufern der Donau, wo sie ins fremde Land hinausströmt, bis zu den Vogesen und den weiten Ebenen der Niederlande; nur im nationalen Zusammenhalten kann der Stand gegen Außen festgehalten werden auch auf dem Gebiete der Gewerke. So aber geschlossen und geeint wird sich seine ursprüngliche Kraft im Innern aus sich selber heraus immer herrlicher und mächtiger entfalten, wie damals im 15. Jahrhundert, wo Deutschland der Mittelpunkt aller Gewerbe, alles Handels, aller Bildung von ganz Europa war. Dieselben Tugenden aber, die damals so Großes bewirkten, sind es, an die sich heute noch der deutsche Handwerksstand zu halten hat, es sind die Tugenden einer tüchtigen, kunstreichen, ehrlichen und rechtschaffenen Arbeit. Es hat das Handwerk vielfach gegen das Maschinenwesen geklagt: Klagen von Toren einer Macht gegenüber, die einmal da ist, die nicht mehr verdrängt werden kann, die sich immer mehr erweitert und vergrößert, die dazu anstatt beklagt freudig begrüßt werden muss, als eines der ausgezeichnetsten und glänzendsten Erzeugnisse des menschlichen Geistes, das die Menschheit von harter Sklavenarbeit befreit, vielen Tausenden Unterhalt, Millionen bessere Nahrung, Kleidung und Wohnung, überhaupt ein schöneres menschliches Dasein verschafft hat, bei dem es nun auch möglich ist den höheren Zwecken des menschlichen Lebens sich zu widmen. Aber auch dem Bedrohlichen, dass das Maschinenwesen an sich hat, kann der Handwerkstand siegreich entgegentreten, sobald er sich eben dahin erhebt, wohin jenes nicht folgen kann, wozu eben nur die Hand gebraucht werden kann, und das ist eben eine tüchtige kunstreiche Arbeit, in deren Erzeugnissen Kunstsinn und technische Fertigkeit, Kunstgeschmack und sorgfältiger Fleiß, Schönheitsgefühl und materielle Brauchbarkeit verbunden sind. Höhere Geschicklichkeit, kunstvolle Produktion — das ist die Zauberformel, um von Seiten der Gewerbe die Gefahr, welche von den Maschinen droht, zu überwinden. Um solche Tüchtigkeiten zu erwecken, hat jetzt das englische Volk einen neuen Kristallpalast erbaut, einen noch prächtigeren als den der Weltausstellung, den zu Sydenham bei London; darin ist abbildlich zu sehen, was jemals die gebildetsten Völker der Weltgeschichte von den Ägyptern und Babyloniern an bis auf die neueste Zeit im Ganzen Großes und Herrliches geschaffen. Die Erbauung dieses Palastes, der einen Flächenraum von 300 Morgen einnimmt, hat bis jetzt nicht weniger als über 11 Millionen Gulden gekostet. Wir Deutsche aber haben von Natur einen Kunstsinn, wie ihn kein anderes Volk besitzt, wie er erst bei den andern hervorzubringen ist, und es braucht nur ihn in unserer Jugend zu wecken und weiter auszubilden. Und dazu gibt es nun in ganz Deutschland eine Menge von Schulen, Gewerbe-, polytechnische und andere Schulen, in denen man überhaupt Alles lernen kann, was nur zu einem braven, tüchtigen und geschickten Handwerksmann nötig ist. In Karlsruhe besteht eine polytechnische Schule, an der nicht weniger als 41 Professoren angestellt sind, und die mit großen bequemen Gebäuden versehen ist, in denen sich mannigfache Museen, Laboratorien und Werkstätten befinden. So ist erst in jüngster Zeit in Elberfeld eine industrielle Hochschule gegründet worden, auf der besonders in Allem unterrichtet wird, was für die Manufaktur-Industrie nötig ist, als im Maschinenwesen, in der Komposition der Stoffe und deren Verarbeitung, dann in der physikalischen und chemischen Farbenlehre, endlich im Zeichnen und Erfinden von Mustern. Man berechnet gegenwärtig die Zahl der Schüler, die in solchen gewerblichen Anstalten in Deutschland jährlich unterrichtet werden, auf mehr als 15.000, und die der Arbeiter auf mehr als 30.000, welche alle hier Gelegenheit haben die Grundsätze der Kunst und der Wissenschaft kennen zu lernen, von welchen die Produktion abhängt, sowie die Natur und Eigentümlichkeit der technischen Prozesse, wogegen die praktische Ausbildung für die Werkstatt oder die Fabrik vorbehalten ist.

Wie Alles in der Welt der Veränderung unterworfen ist, so auch das Gewerbewesen und das Handwerk insbesondere. Nachdem es Jahrtausende hindurch durch Handarbeit, nur mit wenigen Werkzeugen unterstützt, sich ernährt und bloß in kleinen Werkstätten mit Meister, Lehrlingen und Gesellen gearbeitet hat, so droht jetzt das Maschinenwesen und die große Industrie der Fabriken, mit ungeheurer Geldmacht ausgerüstet, alle die einzelnen kleinen Meisterschaften und Werkstätten zu vernichten, wobei zugleich die allgemeine Gewerbefreiheit Alles aufzulösen scheint. Und es ist kein Zweifel, dass das Gewerbewesen bereits wirklich schon im Übergange zu einer solchen durchgehenden Umgestaltung begriffen ist. Da gilt aber kein Klagen und kein Sichsperren, sondern frisch und mutig und männlich das Unvermeidliche zu fassen, es zu seinem Vorteile umzuwandeln, sich im allgemeinen Sturze zu erhalten. Und dies wird gelingen: der deutsche Gewerbestand hat schon noch viel größere Hindernisse und Missstände überwunden, wie z. B. damals, als er sich in den Tagen des Mittelalters aus der Schmach und dem Elende der Sklaverei, der Hörigkeit und der Leibeigenschaft losgerissen hat, und er hat gesiegt. So wird auch der gegenwärtige Gewerbestand, so er sich in Besitz aller der technischen, intellektuellen und moralischen Tüchtigkeiten, überhaupt der Bildung setzt, welche die fortgeschrittene Zeit fordert und ihm auch darbietet, siegreich aus allen Gefahren hervorgehen, er wird immer die Städte füllen, immer ein geachteter, wohlhabender Stand bleiben, immer der Kern des Staates, die Quelle des Reichtums, die Ehre und der Stolz des Fürsten sein, in dessen Lande er seine Werkstätten erbaut hat. Und so dürfen wir hier wohl mit jenen Worten enden, die wir an die Spitze dieser Geschichte gesetzt haben:

      [b]Neues Wirken, neues Streben
      Ist in Menschenbrust erwacht,
      Und ein neues frisches Leben
      Hebt sich aus der alten Nacht.

      Vorwärts, vorwärts, weiter, weiter
      Über Trümmer, ewig tot!
      Weh', o Bürgersfahne, heiter
      In das frische Morgenrot
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Handwerke und Gewerbe.