Allgemeine Geschichte der Gewerbe.

Neues Wirken, neues Streben
Ist in Menschenbrust erwacht,
Und ein neues frisches Leben
Hebt sich aus der alten Nacht.
Vorwärts, vorwärts, weiter, weiter
Über Trümmer ewig tot;
Wehen Bürgersfahnen heiter
In das frische Morgenrot.

          Kerner.


Ich erzähle hiermit die Geschichte der Gewerbe. Alle Geschichtsbücher, wie sie bisher von den Gelehrten geschrieben worden sind, enthalten meistenteils, wie Jedem bekannt, der nur eines derselben in die Hände bekommen hat, die Geschichten der Kaiser, Könige und Fürsten; sie erzählen nur von ihren Taten, Kriegen, Schlachten und wie sie Staaten vernichtet und neue gegründet haben. Das ist ganz gut und notwendig, und jeder Gebildete soll auch diese Geschichten kennen. Aber man kann das Eine tun und braucht das Andere nicht zu unterlassen. Haben wir uns lange mit den Großen beschäftigt, ihre Paläste durchwandert und nur in ihrem Gefolge die Weltgeschichte kennen gelernt, so dürfen wir auch wohl einmal in die niederen Verhältnisse niedersteigen, namentlich in die Werkstätten des Fleißes, in denen früh und spät das ganze Jahr hindurch in harter Mühe und Schmutz und Staub gearbeitet wird. Was wären denn jene prächtigen Paläste und ihre vornehmen Bewohner ohne diese Werkstätten, ohne den Fleiß, der in ihnen entwickelt wird? Gerade Alles, was dorten unsere Bewunderung auf sich zieht, kommt ja aus diesen Werkstätten, aus den Händen fleißiger Handwerker hervor; diese haben alle diese Herrlichkeiten erdacht, erfunden und gemacht, ihr Verstand und ihre Geschicklichkeit hat sie nach und nach in solcher Vollkommenheit zusammengebracht. Ja was wären selbst die Wissenschaften ohne die Handwerker? Ihre Vor- und Mitarbeiten waren es, wie wir später noch gar oft hören werden, durch deren Hülfe die Männer der Wissenschaft erst zu jenen lichten Höhen hinansteigen konnten, von wo aus sie die weite unendliche Welt zu ersehen, und die Wesenheit und den Grund aller Dinge zu ergründen vermochten. Und so wollen wir denn auch einmal die Geschichte der Handwerker kennen lernen, die Eroberungen, die sie gemacht, die Siege, die sie gewonnen, die Schätze, die sie erbeutet haben; wir wollen den Einfluss erfahren, den auch sie an der ganzen Geschichte der Menschheit, an der Entwicklung der ganzen menschheitlichen Bildung gehabt haben; wir wollen erfahren, wie sie entstanden sind, wie sie sich ausgebildet, wie sie sich wohl oder übel befunden, und was sie überhaupt Gutes, Nützliches und Schönes hervorgebracht haben, vom Anfang bis auf unsere Tage.


So lange der Mensch nur für sich allein lebte, ohne staatliche Verbindung mit andern, wie z. B. die Wilden in Amerika, so lange musste er alle die verschiedenen Bedürfnisse, die das Leben fordert, ganz allein bereiten und durfte sich nicht mit Verfertigung nur eines einzigen einlassen. Erst als die Menschen zu Völkern herangewachsen waren und zu Staaten sich gebildet hatten, konnten die Arbeiten sich teilen und besondere Gewerke entstehen, erst dann war es für den Einzelnen möglich, alle andern Bedürfnisse des Lebens zu erhalten, wenn auch er selbst seine ganze Zeit auf die Bereitung eines einzigen verwendete. Und so sehen wir auch sogleich bei den ältesten Völkern, denen wir in der Geschichte begegnen, eine Gewerbetätigkeit, die ganz notwendig auf einen besonderen Handwerksstand bei ihnen schließen lässt, wenn auch gerade keine bestimmten Nachrichten davon auf uns gekommen sind. Am weitesten unter allen Ländern der Erde führen uns in das Alter der Menschheit zwei Länder zurück, das Land am Euphrat und Tigris, Babylonien und Assyrien, und das Land am Nil, Ägypten: diese zwei Punkte sind die Urheimat aller menschlichen Künste und Gewerbe, von wo sie sich dann in alle Weltgegenden, namentlich aber nach dem Abendlande verbreiteten. Die Geschichte von Babylonien und Assyrien geht bis ins 3. Jahrtausend vor unserer christlichen Zeitrechnung zurück, und von hier sehen wir die Welt beherrscht Jahrhunderte lang vom Indus bis an das Mittelmeer, von den Gestaden des südlichen Ozeans bis an die Ufer des schwarzen Meeres. Hier aber treffen wir auch bereits eine Kultur, welche nur das Erzeugnis von mehreren tausend Jahren rückwärts sein konnte. Durch die Talebenen des Doppelflusses Euphrat und Tigris zog die uralte Handelsstraße , auf der die Erzeugnisse des äußersten Ostens, Indiens und Chinas, Spezereien, Elfenbein, Ebenholz, Perlen, Edelsteine, Gold und Goldstaub, Seide und Baumwolle nach dem entfernten Westen gebracht wurden. In dem fruchtbaren Lande selbst lagen hunderte von Städten, darunter Riesenstädte, wie Babylon und Ninive, die einen Flächenraum einnahmen von 8 bis 9 Stunden. Hier erhoben sich Bauwerke, wie sie die Menschen zuerst aus sich selbst heraus gelernt hatten, ohne vorher von Andern es gelernt zu haben. Jn diesen Städten, sowie überhaupt den Ufern des Euphrat und Tigris entlang, lagen ungeheure Paläste, oft von mehr als einer Meile im Umfang, auf künstlichen Höhen in ungeheuren Terrassen sich erhebend, reich geschmückt mit prächtigen Nebengebäuden und Parkanlagen. Der Palast des Oberpriesters erhob sich so hoch (in 8 Terrassen zu einer Höhe von 569 Fuß), wie selbst nachher nie ein Gebäude mehr aufgeführt worden ist. Und diese Gebäude waren bereits mit solchen Kunsterzeugnissen ausgeschmückt und mit allen Bedürfnissen des gewöhnlichen Lebens so reich versehen, dass auf eine ausgezeichnete Blühte aller Gewerbe notwendig geschlossen werden muss. Den Künstlern, namentlich den Bildhauern, waren bereits die meisten Geheimnisse ihrer Kunst bekannt. Die Steinmetzen und Maurer handhabten Steine und Backsteine mit höchster Geschicklichkeit, und Vollbogen, Spitzbogen, Marmortreppen, marmorbekleidete Saalwände gingen aus ihrer Hand hervor. Dazu fertigten Töpfer Gefäße in allen Größen und Formen, so Krüge von 5 Fuß Höhe, Metallarbeiter Erzgefäße der verschiedensten Art, Kessel, Schüsseln, Glocken, Becher, die letzteren kunstreich mit Menschen- und Tierfiguren geziert; ferner arbeiteten Steinschneider, Juweliere und Goldschmiede in Marmor, Achat, Karneol und andern Stoffen mit einer Kunst, deren sich unsere Juweliere nicht schämen dürften; man kannte Nadeln, Haken, Ohrgehänge und andere Ringe, künstliche Gegenstände von Kupfer, Knöpfe von Perlmutter und Elfenbein mit metallenen Rosetten, und endlich kamen aus den Werkstätten der Färber und Weber die herrlichsten Teppiche und Gewänder hervor. Soweit war die Menschheit bereits vorwärtsgeschritten, als das Licht der Geschichte zuerst sie beleuchtet. Aber noch weiter in das Alter der Menschheit führt uns die Geschichte Ägyptens zurück. Im Niltale war bereits im vierten Jahrtausend vor Christus eine Bildung, der ebenfalls mehr als ein Jahrtausend hatte vorangehen müssen, ehe sie soweit gekommen war. So früh erhoben sich schon dort jene Pyramiden, Obelisken, Tempel und Paläste, die heute noch in ihren Ruinen unsere Bewunderung auf sich ziehen und die nicht nur auf eine hohe Ausbildung in Kunst und Wissenschaft, sondern auch auf einen zahlreichen und geschickten Handwerksstand schließen lassen. Und wirklich wird uns auch hier von einem solchen berichtet. Das ganze ägyptische Volk war in sieben Kasten eingeteilt und die dritte derselben war die der Handwerker, Künstler, Krämer und Kaufleute. Und dieser Handwerker waren bereits so verschiedene und viele, als es die Bedürfnisse des Lebens selber sind. So gab es die verschiedenen Gattungen von Schmieden, z. B. Goldschmiede, die mit dem Blasrohr und der Zange arbeiteten und Goldschmuck aller Art verfertigten, als Stirn- und Ohrenketten und Reife, Halsbänder, Ohrringe und andere Zierratten; sie kannten bereits die Ausdehnung des Goldes und wussten hölzerne Geräte zu vergolden; sie verstanden besonders die Kunst Bronze stahlhart zu machen, und man verfertigte aus derselben Geräte, Gefäße, Werkzeuge und Waffen. Ferner gab es Spinner und Weber, Seiler, Gerber, Tischler, Stellmacher, Wagner, Zimmerleute, Steinmetzen, Ziegelbrenner, Töpfer, Glaser, Bäcker, Köche, Fleischer, Sandalen-und Korbflechter, und Färber mit allen den Handwerkszeugen, deren sich unsere Handwerker heute noch bedienen, als Spindeln, Webstühle, Äxte, Meißel, Hacken, Sägen. Auch wurden die Wohnungen und ihre innere Einrichtung, die Kleider und überhaupt alle Bedürfnisse des Lebens bereits von einer Güte, Schönheit und Zweckmäßigkeit gefertigt, wie sie nur der Mensch zu einem angenehmen Leben braucht.

Von diesen beiden Punkten, von den Ufern des Euphrat und des Tigris und des Nil, als den Ursitzen, der Urheimat aller menschlichen Bildung, hat sich nun dieselbe weiter gen Westen verbreitet, wozu die Phönizier die Vermittler waren, jenes merkwürdige Volk, dem wir die Verbreitung der Buchstabenschrift verdanken. Bei ihnen treffen wir zuerst aus einen großartigen Handel, der vom persischen Meerbusen bis an die Ufer der Ostsee und an die Westküsten Afrikas ging: lyrische Wimpel flaggten an den Gestaden Britanniens, wie auf den Wogen des südlichen Weltozeans. Ein solch' großartiger Handel kann aber bekanntlich nur auf dem Grund einer gleich großartigen Gewerbetätigkeit bestehen. Wir haben Nachrichten davon, welche Waren in die beiden Hauptstädte Phöniziens, Sidon und Tyrus, gebracht wurden, die uns zeigen, wie weit man damals im Orient mit der Verfertigung menschlicher Bedürfnisse gekommen war und welch ein bedeutender Handwerksstand bereits vorhanden sein musste. Man brachte auf den Markt von Tyrus außer einer zahllosen Menge von Rohstoffen und landwirtschaftlichen Gegenständen, aus Armenien Wagen, aus Sedan Teppiche, aus Syrien Purpur, Tapeten, Seide, Summet und Kristalle, aus Haran und Kanna köstliche Gewänder, seidene und gestickte Tücher. In Tyrus aber selbst befanden sich bedeutende Glasfabriken und Webereien mit Baumwolle, Seide und Leinen; die schön gefärbten lyrischen Gewänder waren durch das ganze Altertum berühmt, besonders der lyrische Purpur. Endlich fertigte man da auch Gefäße von edlen Metallen, Putzsachen, als Schleier, Gürtel, Spangen, Metallspiegel, Ringe und Kopfbänder. Die Blühte dieser phönizischen Gewerbetätigkeit, sowie die des Handels, war bereits 1000 Jahre vor Christi Geburt zu den Zeiten König Davids und Salomos, wie denn der letztere zur Erbauung des Tempels in Jerusalem phönizische Werkleute genommen hat.

Unter allen Völkern des Altertums aber war es das Volk der Griechen, das sich zur höchsten Bildung emporgeschwungen hat. In den griechischen Städten, wie in Corinth und Athen, gab es eine Menge von Tempeln, Gymnasien, Akademien, Galerien, Odeen, Prytanäen, die alle voll der herrlichsten Kunstschätze waren, und Perikles allein soll für solche öffentliche Werke nach unserem Gelde 42 Millionen Thaler ausgegeben haben. Dies aber wäre durch Künstler allein nicht möglich gewesen, wenn es nicht viele und geschickte Handwerker gegeben hätte. Diese bestanden zwar meistenteils aus Sklaven, aber doch auch, wie in Athen, aus freien Bürgern, welche zu den höchsten Ehrenstellen im Staate gelangen konnten. Auch führten wohlhabende Bürger die Aufsicht über die gewerblichen Arbeiten und sorgten für deren Betrieb, wie wir selbst von Alcibiades und Perikles lesen, dass sie Fabrikgeschäfte errichtet und betrieben haben. So gab es denn bei den Griechen Bäcker, Köche, Fleischer, und Küper, Wollarbeiter, Walker, Lederbereiter, Gerber, Schuster, Maurer, Zimmerleute, Schlosser und Schmiede, Tischler, Seiler, Riemer, Wagner und Schiffbauer. Besonders geschickt waren die Steinmetzen, Erzarbeiter und Töpfer. Griechenland war reich an herrlichem Marmor, an bildsamem Ton und auch nicht arm an Metallen. Auch hier arbeitete man vorzugsweise in Bronze und verfertigte aus derselben nicht nur Waffen, Schmuck, Gefäße und Statuen, sondern auch Stühle und Bettgestelle. Aus Ton aber machte man Gefäße von kunst- und erfindungsreichsten Formen, und das Töpferhandwerk blühte vornehmlich in Korinth, Athen, Aegina und Samos. Große Weinkrüge und Wassergefäße ersetzten die Holzfässer. Die griechischen Tischler machten zierliche Gestelle zu Tischen, Sophas und Sitzen, auch Kästen zur Aufbewahrung von Kleidern und Schmuck, sie fertigten Furniere und eingelegte Arbeiten, wozu man auch fremde Hölzer, namentlich Zedernholz, benutzte. Man arbeitete in Buchsbaum, Zypressen, Esche, Birnbaum, Ahorn, Weinrebe und Ölbaum, und konnte die kostbaren fremden Hölzer, wie das Ebenholz, aufs feinste zuschneiden, um damit die gemeinen einheimischen Hölzer zu überziehen. Überhaupt wurden alle handwerklichen Gegenstände mit einem eigentümlichen Schönheitssinne, wie er eben dem griechischen Volke angeboren war, und mit einer Vollkommenheit verfertigt, die heute noch unfern Gewerben zum Muster dient. Die höchste Blühte dieser griechischen Gewerbetätigkeit war im 5. und 4. Jahrhundert vor Christus.

Wenn es aber Griechenland zur höchsten Vollkommenheit in allen menschlichen Dingen gebracht hat, so Rom zum höchsten Reichtum, zur höchsten Pracht und Herrlichkeit. Rom war unter Augustus eine Stadt von 42.000 Häusern und fast anderthalb Millionen Einwohnern, und in ihr, als der Beherrscherin und der Hauptstadt der damaligen Welt, strömten die Schätze aller Länder zusammen. Da gab es Gebäude von einer Großartigkeit, wie sie seitdem die Welt nicht mehr gesehen hat, als Tempel, Theater, Circi, Stadien, Triumphbogen, Ehrensäulen, Grabmäler, Bäder und Wasserleitungen, und in den zahlreichen Palästen der Reichen und Großen vereinigte sich bis zum Überfluss Alles, was zum feinsten Genuss des menschlichen Lebens notwendig ist. Natürlich muss auch hier ein großer und bedeutender Handwerksstand vorhanden gewesen sein, aus dessen Händen und Werkstätten Alles dies hervorgegangen ist. Zwar bestand auch hier ein großer Teil desselben aus Sklaven, wie denn die vornehmen Römer nur von solchen ihre Bedürfnisse sich verfertigen ließen, aber es waren auch freie Bürger nicht wenige darunter. Schon von den ältesten Zeiten an waren diese in Zünfte geteilt, als in Goldarbeiter, Holzarbeiter, Färber, Lederarbeiter, Gerber, Eisenarbeiter, Töpfer und andere. Sie hatten lange Zeit mit den Patriziern zu kämpfen, weil ihnen diese nicht gleiche Bürgerrechte einräumen wollten, aber zuletzt trugen sie den Sieg davon, und der Gewerbestand hatte, so lange wenigstens Rom eine Republik war, in den öffentlichen Angelegenheiten ein großes Gewicht. Als nun in Rom in Folge seiner Welteroberung und Weltregierung ein ungeheurer Reichtum zusammenfloss, so musste sich natürlich derselbe auch auf den Handwerker- und Gewerbestand verteilen und es gab Gewerbeleute, die so reich wurden, dass sie dem Volke öffentliche Spiele geben konnten, wie man denn von einem solchen, Namens Cäcilius Isidorus berichtet, dass er über 4.000 Sklaven besessen habe. Der Geschmack jedoch und die ganze Art, in der die römischen Handwerker arbeiteten, war durchaus griechisch und der Unterschied bestand nur in größerer Pracht und Kostbarkeit. Roms Bildung aber, und also auch die seines Handwerksstandes, verbreitete sich über die ganze damalige Welt, auch über die Alpen hinüber bis an die Ufer der Seine, des Rheins, des Neckars und der Donau.

Nun ist es aus der Geschichte bekannt, wie diese ganze alte Welt mit allen ihren Herrlichkeiten, das kunstreiche Griechenland und das mächtige Rom, von Schwärmen germanischer Völker, die aus dem Norden herangestürmt waren, im 5. Jahrhundert nach Christi Geburt erobert und eingenommen worden ist. Da wurden die schönen großen Städte mit ihren prächtigen Tempeln, Theatern und Palästen zerstört, der Kern des Volks getötet, die übrigen zu Sklaven gemacht, und alle Erfahrungen und Kenntnisse, die man die Jahrtausende vorher gesammelt, und alle die Erfindungen und Entdeckungen, die man in dieser langen Zeit gemacht hatte, gingen verloren. Die Zerstörer waren wilde Söhne der Natur, die für Kunst und Wissenschaften und für die höheren Schönheiten und Annehmlichkeiten des Lebens noch gar keinen Sinn hatten, die aber nun auf den Ruinen der alten Welt neue Staaten errichteten, aus denen die neue Weltbildung hervorgehen sollte.

Nur langsam begründete sich diese neue Weltbildung, indem alle Bedingungen einer schnellen Entwicklung nur sehr sparsam vorhanden waren. Noch lange nach den Zeiten der Völkerwanderung war das innere Deutschland voll undurchdringlicher Wälder, ohne Städte und zusammenhängende Orte; das Volk wohnte zerstreut in einzelnen Gehöften im Lande umher, und ermangelte noch fast der ersten Kenntnisse in der Bereitung menschlicher Bedürfnisse. Den ersten Samen der Kultur in das Innere Deutschlands brachten christliche Mönche, die m die wilden Wälder eindrangen, sie ausrodeten, Klöster gründeten, mit den wilden Tieren um das Land kämpften und den Einwohnern die ersten Anfänge der Landwirtschaft und Gewerbe lehrten. Dies geschah im siebenten und achten Jahrhundert durch Männer, wie Columbanus, Gallus und Bonifacius, und die ersten Sitze der Kultur, die sie gründeten, waren die Klöster St. Gallen, Weißenburg, Reichenau, Fulda, Lorsch und andere. Solche Klöster wurden nun im Laufe des Mittelalters immer mehrere errichtet, und immer war es ihre erste Aufgabe, die Wälder ringsum auszuroden, das Land anzubauen und den Umwohnern die ersten notwendigsten Handwerke zu lehren. So gab es bereits im 8. und 9. Jahrhundert im Kloster zu Konstanz Köche, Gastwirte, Walker, Gärtner, Schneider, Müller, Degenschmiede, Schildmacher, Bierbrauer und Glasbrenner; ferner außer den nötigen landwirtschaftlichen Einrichtungen Eisenschmiede und Mühlen. Gleiche landwirtschaftliche und gewerbliche Bestrebungen entwickelten sich auch nach und nach auf den Landsitzen und in den Pfalzen der Fürsten, Bischöfe und des Adels, so namentlich auf den Meierhöfen Karls des Großen, deren er gegen 70 hatte, und die in allen Teilen seines großen Reichs zerstreut umherlagen. Auf diesen finden wir Schmiede, Gold- und Silberarbeiter, Schuster, Drechsler, Wagner, Schwertfeger, Brauer, Seifensieder, Bäcker, Netzmacher und außer den landwirtschaftlichen Geräten und Erzeugnissen auch an gewerblichen: Betten, Decken, Bettleinen, Tischtücher, ehernes, bleiernes, eisernes und hölzernes Geschirr, Tischbänke, Kesselhaken, Ketten, Feuerböcke, Bohrer, Äxte, Beißzangen, Bratspieße, Hobel, Schroteisen, Bauholz, Bretter, Schindeln und Bausteine. Aber alle diese Handwerker waren noch Sklaven, Leibeigene und Hörige; es gab noch keinen freien selbstständigen Handwerksstand, der für sich auf eigene Hand und zu eignem Gewinn arbeitete. Ein solcher war erst möglich, als sich im Inneren Deutschlands Städte erhoben und dies geschah erst im 10. Jahrhundert unter Heinrich I.; aber auch von da an verflossen noch mehrere Jahrhunderte, bis sie zu einiger Bedeutung gelangten.

Erst in dem Grade, als diese Städte heranwuchsen und ihre Zahl sich vermehrte, im 12. und 13. Jahrhundert, erstarkte auch der Gewerbe- und Handwerksstand in denselben, und dies nur unter den schwersten, langandauernden Kämpfen. Denn mit denselben Eigenschaften, die sie als Landbewohner gehabt hatten, waren die Handwerker auch in die Städte übergesiedelt und als Bewohner derselben waren sie noch keine freien Bürger und Menschen, sondern immer noch Leibeigene und Hörige. Mit ihnen waren auch adelige, freie Leute in die städtischen Mauern gezogen, die nun die Verwaltung der Stadt ganz allein in ihre Hand nahmen und jene unter den alten Banden der Hörigkeit und der Verachtung hielten. Noch waren diese Handwerker nicht so Herr ihres Vermögens, dass sie im Falle ihres Todes dasselbe ihren Weibern oder Kindern, oder Jemanden von ihren Verwandten vermachen durften, sondern, wenn das Haupt der Familie mit Tode abging, so hatte der Vogt oder der Leibherr das Recht, das beste Stück des Nachlasses, sei es nun ein Hausrat, oder Vieh, oder Kleidung, für sich aus der Erbmasse zu nehmen. Ferner hatten die Handwerker nicht bloß harte Fronen zu leisten, sondern, wenn der Kaiser oder der Landesherr in die Stadt kam, so waren die Bäcker, Metzger und Brauer verpflichtet, ihm und seinem Gefolge alle nötigen Bedürfnisse, sowie auf der Weiterreise, Pferde, Wagen und Schiffe unentgeltlich herbeizuschaffen. Ja, wenn es dem Fürsten einfiel, einen seiner Diener mit der Tochter eines Handwerkers zu verheiraten, so musste sich dieser es gefallen lassen. Nur die freien Männer hießen die Bürger der Stadt, und aus gemischten Ehen folgten die Kinder dem ärgern Stande. Lange brauchte es, bis sich der Handwerksstand von diesen elendiglichen Fesseln befreite, und es geschah nur in dem Grade, als er wohlhabender wurde und nach und nach mit Geld sich von seinen Lasten loskaufen konnte. Doch auch noch andere Umstände traten ein, die ihm zu einer immer größeren Freiheit und ehrenvolleren Stellung verhalfen. In den vielen Kriegen und Fehden, welche die Kaiser mit den Großen des Landes zu kämpfen hatten, standen die Städte immer auf Seite der ersteren und leisteten ihnen in gefährlichen Lagen manchen Dienst. Dabei hatte der Handwerksstand selbst zu den Waffen gerufen werden müssen, der nun im Kampfe je nach den einzelnen Gewerken eigne Fahnen bildete, und auch Bogen und Streitart tüchtig führte. Die Kaiser waren nicht undankbar und teilten nun Gnadenbriefe aus, welche nicht nur den Städten überhaupt, sondern auch ganz insbesondere den niederen Bewohnern derselben, ihren eignen Obrigkeiten gegenüber, größere Freiheiten gewährten. So gab im Jahr 1111 Heinrich V. der Stadt Worms einen Gnadenbrief, der alle Einwohner dieser Stadt von den Lasten der Hörigkeit entband. Von jener Zeit war es besonders, dass der Geist der Freiheit und Unabhängigkeit alle Handwerker in allen Städten Deutschlands ergriff, in dessen Folge sie immer fester sich zu verbinden suchten. Schon von Anfang der Städte an waren zwischen den Genossen eines Handwerks, aus Veranlassung gemeinschaftlicher gewerblicher Vorteile, Verbindungen entstanden. Diese erweiterten sich nun, und erstarkten im 12. Jahrhundert zu förmlich organisierten Zünften, die zunächst zwar nur darauf zielten, jedem Einzelnen, Meister und Geselle, im Handwerke Schutz zu schaffen und Zucht und Ordnung in demselben aufrecht zu erhalten, die ihnen aber bald im Kampfe gegen die bevorrechteten alten Geschlechter alle die Vorteile gewährten, die eben geschlossene und geordnete Körperschaften geben. Unter den ersten Gewerben, denen die Bildung solcher Zünfte gelang, werden die Fischer zu Worms im Jahre 1106 , dann 1134 die Kürschner und Tuchmacher in Quedlinburg genannt. Aber noch im Laufe desselben Jahrhunderts gelang es in den meisten Städten den Gewerben, solche Zünfte zu bilden, und im 13. Jahrhundert treten sie urkundlich zu Tage, wie zu Hannover, Magdeburg, Basel, Straßburg und Wien. So konnte es nicht fehlen, dass die Handwerker auch zuletzt nach vollkommener Gleichstellung und Gleichberechtigung mit den Altbürger n strebten, die besonders in dem Anteile an der Stadtverwaltung bestand, von der sie bisher noch immer ausgeschlossen gewesen waren. Dieser Kampf, der nur gewaltsam durchgeführt werden konnte, begann gleich im Anfange des 14. Jahrhunderts , ergriff nach und nach alle Städte Deutschlands, wurde von beiden Seiten mit großer Erbitterung und oftmaligen erschrecklichen Grausamkeiten geführt und dauerte bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts , wo sich der Sieg meistenteils, wenigstens in einem gewissen Grade, für den Handwerksstand entschieden hatte.

Solche harte Kämpfe hat der deutsche Bürger- und Handwerksstand zu kämpfen gehabt, bis er sich im Laufe von Jahrhunderten aus einem elendiglichen, leibeigenen Zustande zum Rechte und zur Ehre eines freien Bürgers und Menschen emporgeschwungen hat. Aber in demselben Maße, als das ihm gelang, hob sich auch das Handwerk selbst aus der ursprünglichen Unvollkommenheit empor und die deutschen Städte wurden nun voll von geschickten Meistern in allen Gattungen von Handwerken, durch deren Hände sich nun Alles in Stadt und auf dem Lande besser und schöner gestaltete. Die Morgenröte einer neuen Weltbildung ging auf über die Menschheit, aus dem Inneren Deutschlands, aus den Werkstätten deutscher Bürger und Handwerker hervor. Da war es vor Allem das Gewerke der Schmiede, das in allen seinen verschiedenen Gattungen damals in den noch rohen Zeiten der Entwicklung eine bedeutende Stellung einnahm, mit starken Fäusten das Rohe umbildend. Schon zu den Zeiten Kaiser Karls des Großen kommen Eisenschmiede vor; 1104 werden Schwertfeger genannt, die zu Magdeburg, Straßburg und in den Niederlanden Brustharnische, Schilde und Helme verfertigten; 1285 gibt es zu Nürnberg Goldschmiede, Klingenschmiede, Messerer, Schwertfeger, Gürtler. Die geschicktesten Eisenschmiede gab es in Steiermark und Solingen, und 1392 wird in Bremen von einer Niederlage steierischer Eisenwaren berichtet, die von hier aus nach Preußen und Russland vertrieben wurden. 1368 waren in Augsburg die Schmiede die 15. der dortigen 17 Zünfte. Besonders zeichneten sich die Schlosser durch treffliche Arbeiten an Türschlössern, Beschlägen, Klopfern und Gittern aus, wie man solche an den Kirchtüren zu Nürnberg, Augsburg und Freiberg heutzutage noch sieht. In Augsburg kommen 1455 die Windenmacher als eine eigene Abart der Schlosser vor. Kupferschmiede erscheinen 1363 in Augsburg, 1386 in Nürnberg, in letzterer Stadt 1321 die Drahtschmiede und Messingschläger, 1328 die Blechschmiede, 1360 die Münzer und Drahtzieher und 1370 die Nadler, sowie Näh- und Stecknadler 1390 in Breslau. Glockengießer und Stückgießer waren besonders in Augsburg und Nürnberg einheimisch; im Jahre 1339 goss der Nürnberger Hugo in Augsburg eine Sturmglocke von 40 Zentnern, in Freiberg 1469 Niclas Hilger große Glocken. Grobes Geschütz befindet sich bereits 1356 in Nürnberg, und 1372 ließ der Rat zu Augsburg 20 Kanonen gießen. Büchsenmeister kommen 1403 in Nürnberg vor. In dieser Stadt gab es ganz besonders geschickte Rot-, Gelbschmiede und Erzgießer, die, wie Peter Vischer, die herrlichsten Kunstwerke ausführten. Überhaupt gab es diese schon früh in Deutschland, und die berühmten ehernen Türen zu Augsburg, Mainz und Hildesheim sind Arbeiten aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Gold- und Silberschmiede erscheinen ebenfalls schon zu den Zeiten Karls des Großen und zur Zeit Heinrichs I. lebte zu Mainz ein überaus geschickter Goldschmied. Die mit Edelsteinen geschmückten Goldplatten an den alten geschriebenen Evangelienbücher n sind Goldschmiedarbeiten, und schon im 13. Jahrhundert findet man bei den Rittern und Ritterfrauen kostbare Agraffen und Gürtel und mit Gold und Silber reich geschmücktes Pferdezeug. Jn Augsburg erscheinen 1276 die Goldschmiede als Münzbeamte; 1370 gibt es in Nürnberg 11 Meister dieses Gewerks; in Wien kommen sie zuerst 1350 vor, die alle besonders kunstreiche und kostbare Kirchengeräte verfertigten, wie deren in den Schatzkammern in Berlin, Wien und München noch heutzutage aufbewahrt werden. Außerdem werden in Nürnberg noch 1373 Diamantenpolierer, 1383 Silberschmelzer, 1387 Gold- und Silberpolierer, in Breslau 1470 die Goldschläger, 1324 in Augsburg die Zinngießer angeführt. Deutschland war damals reich an edlen Metallen, und die Bergwerke von Freiberg und Schneeberg förderten solche in außerordentlicher Menge zu Tage. .
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Handwerke und Gewerbe.
19 Der Seiler

19 Der Seiler

20 Der Töpfer

20 Der Töpfer

21 Der Glaser

21 Der Glaser

22 Der Seifensieder und Lichterzieher

22 Der Seifensieder und Lichterzieher

23 Der Eisenschmied

23 Der Eisenschmied

24 Der Grob- und Hufschmied und der Wagner

24 Der Grob- und Hufschmied und der Wagner

25 Der Schlosser

25 Der Schlosser

26 Der Klingen- und Messerschmied

26 Der Klingen- und Messerschmied

27 Der Waffenschmied

27 Der Waffenschmied

28 Die Kleinschmiede und Eisengießer

28 Die Kleinschmiede und Eisengießer

29 Der Maschinenbauer

29 Der Maschinenbauer

30 Der Zinngießer

30 Der Zinngießer

31 Der Kupferschmied

31 Der Kupferschmied

32 Der Rot- und Gelbgießer und Glockengießer

32 Der Rot- und Gelbgießer und Glockengießer

33 Der Gold-und Silberschmied und Juwelier

33 Der Gold-und Silberschmied und Juwelier

34 Der Uhrmacher

34 Der Uhrmacher

35 Der Instrumentenmacher

35 Der Instrumentenmacher

36 Der Optiker

36 Der Optiker

37 Der Mechanikus

37 Der Mechanikus

38 Der Papiermacher, der Buchdrucker und Buchbinder

38 Der Papiermacher, der Buchdrucker und Buchbinder

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