Abschnitt 1

Aus den bisherigen Aufzeichnungen geht hervor, daß die Musikverhältnisse am Güstrower Hofe von ihrem Anfang an bis etwa zum Jahre 1635, wenn auch mit den unvermeidlichen Unterbrechungen, so doch in bescheidener Weise eine stetige Pflege erfahren hatten. Durch die Annahme einiger berühmter englischer Musiker im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts wurde die Güstrower Kapelle sogar auf eine gewisse Höhe gebracht. Die zweite Gemahlin Johann Albrechts, Elisabeth, Tochter des Landgrafen Moritz von Hessen, welche sehr musikalisch war, wird nicht wenig dazu beigetragen haben, diese Fortschritte noch zu steigern. Doch der 30jährige Krieg vereitelte alle künstlerischen Bestrebungen, und so braucht man sich nicht zu wundern, daß am Güstrower Hofe vom Jahre 1635 an bis zur Regierungsübernahme durch Gustav Adolf in musikalischer Beziehung nicht das Geringste geschah und völliger Stillstand herrschte.

Mit Gustav Adolfs Regierungsantritt trat sofort ein schneller Aufschwung ein.


Gustav Adolf führte trotz der geringen Mittel, die ihm zu Gebote standen, einen großen Hofstaat. Da ist es nur natürlich, daß dazu auch eine Hofkalle gehörte.

Bevorzugte der Herzog schon für seine Regierungsgeschäfte Ausländer, so konnte es nicht ausbleiben, daß er eine Verbesserung der musikalischen Verhältnisse erst recht in der Annahme ausländischer Musiker erhoffte, obgleich er auch deutsche Musiier wohl zu schätzen wußte. Die musikalische Volkserziehung stand damals in Mecklenburg noch auf schwachen Füßen, und eine Einsicht, daß deutsche Musiker den ausländischen ebenbürtig oder gar überlegen sein könnten, wollte sich noch nirgends bemerkbar machen.

So kam es denn, daß außer einigen deutschen Musikern besonders französische Musiker angestellt wurden, die zum Teil durch Vermittlung des Herzogs Christian (Louis) I., der sich meist in Paris oder im Haag aufhielt, nach Güstrow kamen.

Wie ernst es dem Herzog um die Verbesserung seiner Hofkapelle zu tun war, ist auch daraus zu ersehen, daß er Anweisung gab, man möge sich erkundigen, ob nicht in der Kaiserlichen Kapelle (Wien) oder in Klöstern einige Kastraten wären, die man annehmen könnte. Ein Schreiben des Herzogs vom 30. Januar 1669 an einen gewissen Perseus in Wien behandelt dieselbe Angelegenheit und lautet: „Demnach Wir verlangen tragen, 2 gutte chastres in Unsere Schlosscapell zu haben, so recht exquisits und exellents seind, und wir dafür halten, daß Sie in Wien wohl zu bekommen, so gesinnen wir an Euch hiemit gnedigst, Ihr wollet Euch fleissig erkundigen, ob nicht irgents in der Kayserlichen capell, oder in Klöstern ein paar Italiener, so aber recht exellents seind, anzutreffen, die sich anhero in Unser Dienste zu begeben lust und belieben trügen, Wir seind erbötig, jeden järlich, da Sie nicht umb geringeren preiss wollten, 500 Thlr. besoldung zu geben, wobeneben Sie die fallende accedentia zu gewarten haben, und haben Sie Keine difficultet wegen der religion zu machen, denn Wir viel Bedienten, worunter auch Unser Kapellmeister ist, so catholischer religion sind, zu dem können sie ihr exercitium religionis, weil Unsers Vettern Hertzogs Christian Liebden catholisch ist, allhie in der Nähe haben; Im fall dann abgedachtermassen 2 anzutreffen, sehen wir gerne, daß sie je eher je lieber anhero kähmen, also daß sie noch vor Ostern alhir sein könnten, und wollen wir, so bald wir deswegen nachricht von Euch erlanget, Unsern Kapellmeister, Sie anhero zu hohlen, nach Wien schicken, Wir erwarten hieruff schleunige antwort und bleiben Euch mit gnaden gewogen. Datum Güstrow, d. 30. Januar Ao. 1669.“

In Wien waren aber keine Kastraten zu bekommen, da selbstder Kaiser, der noch einige für seine Kapelle haben wollte, vergeblich darnach suchen ließ.

Der Herzog schrieb nun noch einmal an Perseus, bot pro Sänger 600 Rtlr. und meinte, man komme doch in Mecklenburg mit 600 Rtlr. weiter als in Wien mit 1000 Taler. Perseus antwortet am 8. September 1669, die italienischen Kastraten könnten in Italien selbst genug Dienste bekommen und brauchten nicht erst weite Reisen zu machen; unter 800 Talern wäre keiner zu haben. Nun wollte der Herzog schließlich auch 800 Taler ausgeben, eine für die damalige Zeit außerordentlich hohe Summe, doch aus der Sache scheint nichts geworden zu sein.

1658 stellte Gustav Adolf den aus Brabant gebürtigen Bassisten Daniel Danielis ein und ernannte ihn im Februar 1661 zum Kapellmeister. Der 1656 nach Güstrow gekommene Hofpianist Schop, der Sänger Sparmann (1658-88) und Augustin Pfleger, der 1662 „erneut“ als Vize-Kapellmeister angenommen wurde, konnten sich mit Danielis, der ein Streithammel war, nicht vertragen.

Unsere deutschen Musiker, die sich die Leitung eines Ausländers gefallen lassen sollten, dem sie eine musikalische Überlegenheit nicht zugestehen konnten, der aber, wie es ja leider in Deutschland häufig der Fall war, eben darum einen Vorzug genoß, weil er Ausländer war, kamen bald genug mit Danielis in Streit. Schop beklagte sich 1662, Danielis sei bei einer Musikaufführung gegen ihn grob gewesen. Es kam zum Prozeß. Schop sagte, er habe vom Kapellmeister nichts gelernt, dieser vielmehr ihm manche Note abgeborgt, auch für den Monat Klavierunterricht ihm einen Ducaten geboten. Der Streit spieite sich auf dem Orgelchor in der Kirche ab.

Danielis bestritt dies und sagte, Schops Kompositionen wären Kinderpossen, aus seinen gestohlen und nichts wert usw. Danielis sprach französisch; Schop verlangte, „er möge Teutsch reden“; darauf griff Danielis nach dem Degen und forderte den Organisten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Güstrower Hofkapelle