Unter Ludwig dem Bayern

Zur Zeit Ludwigs des Bayern muss die Gemeinde der Juden in Augsburg schon großes Ansehen genossen haben. Ihre Verhältnisse haben jedenfalls als Muster gedient. Als der König am 21. Juli 1315 die der Juden zu München regelte, ordnete er an, dass die Münchener Bürger an den Juden dieselben Rechte haben sollten wie die Augsburger an ihren Juden und dass die Münchener Juden an den Bürgern dieselben Rechte haben sollten wie die Augsburger Juden an den Bürgern 1). Dieselbe Bestimmung traf der Kaiser im folgenden Jahre für die Bürger und Juden zu Ingolstadt 2) und am 21. November 1331 für die zu Nördlingen 3) Noch 100 Jahre später waren die Verhältnisse der Augsburger Juden maßgebend für die an anderen Orten. Am 12. März 1434 verlieh Kaiser Sigismund den Juden zu Zürich, Schaffhausen, Winterthur, Bremgarten und Mellingen die Privilegien der Augsburger Juden 4).

Von der Zeit Ludwigs des Bayern an sind auch die Nachrichten über die Abgaben der Juden reichlicher. Sie zerfielen in ordentliche und außerordentliche; die letzteren waren meist sehr groß und wurden von den Fürsten, auch zuweilen von der Stadt bei jeder möglichen Gelegenheit erhoben. Da diese Abgaben den Privilegien der Juden widersprachen, so verfehlte man nicht, dem Willen der sich Sträubenden mit Zwang nachzuhelfen. Bei der Erhebung der außerordentlichen Steuern kam es auch manchmal zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Kaiser und Stadt. „Die Städte hatten nämlich das größte Interesse daran, die Steuerkraft ihrer Juden nicht zu sehr ausbeuten und erschöpfen zu lassen, da sie selbst dieselben in bedeutendem Maße auch zu den städtischen Abgaben beizogen“.5) Die Erhebung von außerordentlichen Abgaben war nötig, wenn der Kaiser oder die Stadt wegen unvorhergesehener großer Ausgaben in Geldverlegenheit geraten waren. Abgesehen davon, musste der Herrscher zu dieser Maßregel schreiten, weil er aus manchen Gründen die ordentlichen Steuern der Juden oft nicht mehr bekam. Wenn er z. B. einem Fürsten oder einem Herrn einen Gefallen, eine besondere Gnade erweisen, wenn er ihn für geleistete Dienste belohnen wollte, so schenkte er ihm die Juden einer Stadt oder Landschaft, d. h, ihre Abgaben. Oder der Herrscher zahlte Schulden ab, erstattete Auslagen zurück und nahm Anleihen auf, indem tr den Schuldnern die Steuern der Juden einer Stadt oder Landschaft für eine Anzahl Jahre verpfändete.


1. Mon. Boica. XXXV b 46.
2. Hübner, Merkwürdigkeiten von Ingolstadt (Ingolstadt, 1803), S. 41.
3. Steichele, Das Bistum Augsburg. III. 937. Wiener S. 36 N. 86.
4. Altmann, Reg. 10144.
5. RA. VII S. 225.


Die ordentlichen Abgaben der Juden waren der goldene Opferpfennig und die Judensteuer. Den Opferpfennig führte erst Kaiser Ludwig im Jahre 1342 ein. Er knüpfte hierbei an eine alte Steuer an. Nach der Einnahme von Jerusalem hatte Vespasian den Juden befohlen, ihre jährliche Abgabe für den Tempel nicht mehr nach Jerusalem, sondern nach Rom an den Tempel des Jupiter Capitolinus zu zahlen. Da die deutschen Kaiser als die unmittelbaren Nachfolger der römischen galten, so gebot Ludwig der Bayer, diese Opfergabe für die Zukunft als ständige Steuer an das Reichsoberhaupt zu entrichten. Den goldenen Opferpfennig hatte jeder Jude und jede verwitwete Jüdin, die über 12 Jahre alt waren und mindestens 20 Gulden Vermögen besaßen, zu bezahlen. Entrichtet wurde diese Abgabe zu Weihnachten 6), wie sie denn auch in den Responsen des Jakob Weil 7) kurz „Weihnachtssteuer“ genannt wird. Später hat man es mit den 20 Gulden wohl nicht mehr so genau genommen und diese Abgabe auch von Juden erhoben, die weniger besaßen. Man nahm nämlich in Augsburg „von iglichen Juden und Judinnen die über zwölff Jahre alt sin einen Gulden Opfferpfennig jerlich off Wyhennachten alß das gewonlich ists.“8)

6. Wiener, S. 168 N. 455. Altmann, Reg. 5415.
7. Über ihn siehe unten S. 79 f.
8. Lünig XIII 98.


Die Höhe der Judensteuer war nicht nach Einkommen und Vermögen des einzelnen Juden geregelt, sondern sie wurde für die ganze Gemeinde festgesetzt, wie dies im Jahre 1266 durch Konradin geschehen war. Die Umlage der Steuern besorgte dann die Judengemeinde selbst 9). Hierbei lag es natürlich im allgemeinen Interesse, dass jeder seinen Kräften entsprechend seinen Teil beitrug und niemand sich der Verpflichtung, zur Steuer beizutragen, entzog. Von der Judensteuer pflegte das Oberhaupt des Reiches die eine, die Stadt die andere Hälfte zu erhalten. Daher findet sich für sie der Ausdruck „halbe Judensteuer“ meist als Bezeichnung. Gewöhnlich nahm die Stadt zugleich mit ihrer Hälfte auch die des Königs in Empfang, um sie an seinen Bevollmächtigten, gewöhnlich den Landvogt 10), abzuführen. Den goldenen Opferpfennig dagegen kassierte die Stadt nicht von den Juden ein, sondern er wurde von ihnen direkt an den König oder an seinen Bevollmächtigten gezahlt. 11) Nur zuweilen zog die Stadt auch diese Abgabe von den Juden für den Herrscher ein 12); die Regel jedoch war, dass ihn „allwegen ein Jude eingenommen und die Judischait darum quittiert habe“ 13). Der Zahlungstermin für die Judensteuer war seit Ludwig dem Bayern wie für das ganze Reich 14), so auch für Augsburg 15) der 11. November, der Martinstag. Im Jahre 1326 bestätigte der König den Empfang dieser Abgabe bereits 14 Tage vorher, am 28. Oktober 16).

9. Deutsche Geschichtsblätter 1901 S. 280.
10. MGWJ. LIV 67. Rösel, Die Reichssteuern der deutschen Judengemeinden.
11. Altmann, Reg. 403.
12. Altmann, Reg. 5415. Wiener S. 168 N. 455.
13. St. Chr. V 373.
14. MGWJ. LIV. 60.
15. Wiener S. 168 N. 455 S. 31 N. 51.
16. Wiener S. 31 N. 51.


Wenn Röseli 17), gestützt auf zwei Urkunden 18) des Kaisers Ludwig vom 8. Juni 1330, schreibt: „Unter Ludwig d. B. scheint die Augsburger Judensteuer 80 Pfd. Augsburger Pf. betragen zu haben“, so ist das nicht zutreffend. In der ersten Urkunde versetzt Ludwig dem Edelmann Peter von Hoheneck die Juden, seine „hebe kamerknecht“ für 300 Mark Silber dergestalt, dass sie ihm jährhch 60 Pfd. Augsburger Pfennige bezahlen sollen. In der zweiten Urkunde vom gleichen Tage versetzt der Kaiser die Augsburger Juden an Peter von Hoheneck für 100 Mark Silber dergestalt, dass sie ihm jährlich 20 Pfd. Augsburger Pfennige geben sollen. In einer Urkunde vom 28. Januar 1338 gebietet Ludwig den Juden zu Augsburg „daz ir dem edeln mann Peter von Hochenegk unserm lieben getrewen mit ewr gewoenlichen stiur, der ir uns jerlich schuldig seit ze geben, wartend und gehorsam seit nach der brief sag, di er von uns darueber hat“ 19). Peter von Hoheneck bekam also nicht alle Erträge der halben Judensteuer, sondern nur „nach der brief sag“, die er vom Kaiser darüber hatte, nämlich 80 Pfd. Außerdem bezogen auch die Grafen Ludwig und Friedrich von Oettingen aus der Judensteuer in jener Zeit Einkünfte 20). Dass die Abgaben der Juden damals beträchtlich größer waren, geht ganz deutlich hervor aus den Augsburger Baumeisterrechnungen 21). Für das Jahr 1329 findet sich S. 127 unter dem 7. Mai folgende Eintragung: „Item recepimus de communitate Judeorum in illis CCC lib in quibus ipsi civibus sunt obligati LXXX lib.“

17. MGWJ. LIIl. 707. Die Reichssteuern der deutschen Judengemeinden.
18. Augsb. ÜB. N. 295, 2Q6.
19. Augsb. ÜB. N. 352.
20. Wiener S. 32 N. 56.
21. Hoffmann, Die Augsburger Baumeisterrechnungen von 1320—31 in: ZSchwN. V S. 1 ff. Die Baumeister hatten die Ausgaben für die städtischen Bauten, die Verteidigung der Stadt, für Botenlöhne und dergl. zu bestreiten; als Einnahme war ihnen unter anderem auch ein Teil der Judensteuer zugewiesen.


Zu einer Abgabe von 300 Pfd. war also die Gemeinde der Stadt gegenüber verpflichtet. Ob hierin nicht vielleicht auch die für den Kaiser bestimmte Judensteuer einbegriffen war, die die Stadt zugleich mit der ihr zu entrichtenden von den Juden einzog und dann an den König abführte, oder ob die 300 Pfd. nur die der Stadt zukommende Abgabe darstellen, ist nicht ganz sicher. Für die erstere Annahme spricht der Umstand, dass eine Steuer von je 300 Pfd., also von 600 Pfd. gar zu groß erscheint.

Wie im Jahre 1298, so blieben auch im Jahre 1336 die Augsburger Juden von der Verfolgung verschont, die über ihre Glaubensbrüder am Rhein, im Elsaß, in Schwaben, Franken, Böhmen und Österreich hereinbrach 22). Dafür gerieten sie aber mit dem Kaiser und der Stadt in einen Konflikt, über dessen Ursache unsere Quellen keine klare Auskunft geben. Sie hatten von der Stadt Urkunden erhalten, über die wir nichts Genaueres wissen. Jedenfalls merkte die Stadt später, dass der Inhalt dieser Urkunden ihr selbst schädlich war, und bemühte sich nun, von den Juden ihre Herausgabe zu erlangen. Zu diesem Zwecke wandte sie sich an den Kaiser, und ihm gelang es auch, die Juden dazu zu bewegen, auf ihre Urkunden zu verzichten 23). Nur einige — und zwar sehr reiche — verzichteten nicht. Es waren dies: Jakob, der Sohn des Lamb, Frau Sprinze, die Schulmeisterin, ihr Schwiegersohn Enslin der Ganser und Joseph der Kratzer. Mit ihnen machte Ludwig kurzen Prozess. Seine Räte Berthold, Graf zu Graispach und zu Marstetten, genannt von Neiffen, Heinrich von Gumpenberg, Peter von Hoheneck, Landvogt zu Augsburg, und Friedrich von Freyberg setzten die vier widerspenstigen Juden kurzer Hand gefangen und versprachen dem Rate und den Bürgern der Stadt, die Juden nicht wieder freizulassen, ehe sie nicht die Briefe herausgegeben oder durch Eid oder andere Briefe den Augsburgern Sicherheit geleistet hätten 24).

22. Vgl. Grätz III (3. Aufl.), 326.
23. Reg. Boica VII 172. Augsb. UB. N. 345.
24. Augsb. ÜB. N. 344.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Augsburger Juden im Mittelalter