Die Germanen

Wie lange das Volk der Hünen hier an den Küsten der Ostsee gewohnt hat, lässt sich nicht bestimmen, doch ist es gewiss, dass es seinen plötzlichen Untergang gefunden hat durch das Hereinbrechen eines ebenfalls dem indogermanischen Stamme angehörigen Volkes, durch die Germanen.

Die Germanen, dieses hochgewachsene, kräftige Geschlecht mit den gewaltigen Gliedern, mit dem goldgelben Haar und den von kriegerischem Feuer blitzenden Augen, Männer, die sich schon durch ihren Namen als die starken Sohne der Gebirge und des Waldes (Germane = Waldgebirgsbewohner) ankündigten, standen bereits auf einer höheren Stufe der Kultur, als die Hünen, und deshalb musste es ihnen — wie immer dem gebildeten Volk gegenüber dem roheren — mit Leichtigkeit gelingen, die vorgefundenen Bewohner Deutschlands, Dänemarks und Scandinaviens zu unterjochen und zu vertilgen. Denn der Germane bediente sich nicht mehr wie der Hüne der steinernen Geräte, sondern er gehörte schon dem Zeitalter der Metallbereitung an, und zwar der sogenannten „Bronzezeit“. Aus Kupfer und Zinn, im Verhältnis von 85 :15 gemischt, wussten nämlich die germanischen Bronzegießer, von denen einer z. B. in der Nähe von Holzendorf in Mecklenburg seine Gießerei hatte, starke Waffen, feste Schildbuckeln, Arm- und Beinschienen mit schönen, spiralförmigen Verzierungen, prächtige Opfervasen auf 4 vierspeichigen Rädern, Schalen und Näpfe zum häuslichen Gebrauch, Nadeln, Pfriemen, Messer und andere Gegenstände zu gießen. Der Goldarbeiter verfertigte schöne Kronen aus massivem Golde, dicke Armringe, Eidringe, die beim Eidschwur erhoben wurden, zierliche Brusthefteln und Kopfnadeln, lange spiralförmig gewundene Fingerringe und Armbänder aus einfachem und doppeltem Golddraht. — Wenn der germanische Held zur Jagd oder zum Kampfe auszog, so deckte wohl das goldene Diadem sein lang herabwallendes Haupthaar, das Bärenfell, das seine Schulter umwehte, ward auf der behaarten Brust von der prächtigen Heftel zusammengehalten, und am ledernen Gürtel hing das kurze, 2 Fuß lange doppelschneidige Bronzeschwert, der spitzige eherne Dolch und das gefällige Hüfthorn. Während die Linke den mit ehernen Buckeln verzierten runden Lederschild schützend emporhob, schwang er in der starken Rechten den 3 — 4 Fuß langen Wurfspieß aus Eichenholz, der vorne mit einer wuchtigen, beilförmig auslaufenden Bronzespitze, der Framea, sonst auch Celt, Paalstaf, Streitmeißel genannt, versehen war und an einem langen Riemen nach getanem Wurfe zurückgezogen werden konnte, um einen andern Feind verderbenbringend zu treffen. Den Unterarm sicherten Handbergen (Handringe) und Armschienen mit spiralförmigen Verzierungen gegen den feindlichen Speerwurf, und auch die Beine waren auf ähnliche Weise geschützt.


So zieht der Held von dannen, und nachdem schon lange sein Schlachtruf in der Ferne verklungen, schaut ihm sein treues Weib noch nach von der Schwelle der Hütte. Sie ist ihrem Gatten ebenbürtig an körperlicher Kraft und Schönheit. Ihr goldenes Haar wird gehalten von zierlichen goldenen Hefteln und Nadeln; Ringe schmücken auch ihre Arme, und Bernsteinperlen fließen in dichtem Kranze von ihrem Halse herab. Aber schöner noch als das Gold zieren sie die Tugenden der Arbeitsamkeit, der Treue, der Keuschheit. Durch die quadratförmige Türöffnung, die von innen durch vorgeschobene Bretter geschlossen werden kann, kehrt sie in ihre runde, mit niedrigem Rasen- oder einem spitzeren Strohdach gedeckte Hütte zurück, um mit der bronzenen Spindel den Flachs zu spinnen, oder Tierfelle zu nähen. Bald lodert auch wohl das Feuer auf dem Herde, um den kräftigen Meth für den sehnlich erwarteten Gatten zu bereiten, der ihn dann, müde von Kampf und Jagd, im Kreise der Genossen auf der Bärenhaut liegend, bald aus schönen ehernen Schalen und kleinen Tonnäpfen, bald aus den Hörnern des Urs, ja wohl gar aus den Schädeln erschlagener Feinde zu trinken pflegt.

Doch war in den älteren Zeiten der germanischen Kultur die Wohnung wohl noch nicht so bequem und das Leben noch nicht so behaglich durch mancherlei Gegenstände des Luxus, als es nach dem Bisherigen erscheint. Da erstieg der Germane vielmehr noch auf langer Leiter das Dach seines Hauses und ließ sich von oben in das Innere hinab, die Leiter weislich nach sich ziehend. So schätzte er, wenn er von Hause fern sein musste, sein zurückgelassenes Weib und die schutzlosen Kinder am besten gegen die Angriffe der wilden Tiere, des Bären, der Wölfe, Luchse und Urstiere. Andere bereiteten sich auch wohl wie die Hünen Pfahlhütten im See oder Höhlenwohnungen in der Tiefe der Erde.

Das ist das Bild, welches uns die hier in Mecklenburg zahlreich gefundenen Altertümer der Bronzezeit aus dem Leben seiner germanischen Bewohner vorführen. Aber auch von der Sorge für die Toten künden uns die zahlreichen sogenannten Kegelgräber, welche auf mehr als 150 verschiedenen Feldmarken, oft in Gruppen von 10 — 12, gefunden worden sind. Starb ein Germane, so ward sein Leichnam zunächst verbrannt auf einem Scheiterhaufen von Eichenholz und Wachholdersträuchen, der auf einem mit Steinen gepflasterten Platze von etwa 5 Fuß Länge und 3 — 4 Fuß Breite errichtet war. Die Gebeine sammelte man in eine gelbbräunliche, ungehenkelte, 8 — 10 Zoll hohe Urne mit dicken Wänden, die mit der Hand aus Ton, der mit Sandkies durchknetet war, ohne besondere Kunst gebildet und am offenen Feuer gehärtet war; einfache Verzierungen aus graden Linien schmückten ihren Bauch. Die Asche dagegen sammelte man in kleinere, dünnere, nur 6 — 7 Zoll hohe schwärzliche, auch mit spiralförmigen Verzierungen versehene, gehenkelte Urnen, und die Asche der edelsten Teile des Leibes, des Herzens und der Augen, wurde in kleineren, öfters geöhrten oder mit einem Henkel versehenen Urnen beigesetzt. Diese Urnen wurden dann alle in einem auf dem natürlichen Erdboden (Urboden) aus Granitfelsen errichteten Steingewölbe aufgestellt, in Gemeinschaft mit mancherlei Waffen, Geräten, Schmucksachen, die der Abgeschiedene in Walhalla bei den Kämpfen und Gelagen vor den Toren der Burg Odins gebrauchen sollte. Das so gefüllte Gewölbe wurde dann mit Steinen und einer Decke von Moos, Rasen oder Erde geschlossen. Öfters vereinigte man auch mehre Steingewölbe durch große darüber aufgeworfene Erdhügel zu einem einzigen Grabe, wodurch dann die bekannten 25 — 30 Fuß hohen backofenförmigen Gräber entstanden.

So begrub man die gemeinen Germanen. Starb aber ein Held, ausgezeichnet durch gewaltige Kriegstaten, so ward seine Leiche nicht verbrannt, sondern unversehrt, entweder in gewaltigen Eichensärgen (wie die Kegelgräber zu Beckentin, Neukirchen und Ruchow, zeigen), oder auch in Steinkammern (wie die Gräber im Herrberge bei Schwaan, das Grab von Brunsdorf und Petersberg erkennen lassen) beigesetzt. An der Grabstätte ward dann auch wohl ein großer Altar errichtet, mit einem mächtigen bronzenen Opferkessel in der Mitte, wie ihn die Gräber zu Peccatel und Groß Methling zeigen; das geheimnisvolle vierrädrige Opferbecken ward herbeigefahren, und mit sicherem Stoße traf der Priester, die Brust des Sklaven, der bestimmt war zur Ehre des Leichenbegängnisses seines Herren sein Leben dahin zu geben, vielleicht auch, ihm als Diener in das jenseitige Leben zu folgen.

Welchem Stamme der Germanen die Bewohner Mecklenburgs, die also nach Obigem auf einer weit höheren Stufe der Kultur standen, als man gewöhnlich anzunehmen geneigt ist, angehört haben, ist nicht bekannt. Doch liegt die Vermutung nahe, dass in älterer Zeit Cimbern und Teutonen hier ihr Wesen gehabt haben. Nachdem sie aber um 113.. v. Chr., dem germanischen Wandertrieb folgend, nach Süden gezogen waren, siedelten sich andere Völker hier an, unter ihnen die Variner, deren Name sich durch die späteren slavischen Zeiten hindurch in den Orts- und Flussbezeichnungen Warin, Waren[b] und [b]Warnow erhalten hat. Diese letzteren Völker führten, wie die aufgefundenen römischen Altertümer zeigen, einen regen Handel und Verkehr mit den Römern, die sich ja schon seit den Tagen Cäsars (etwa 55 v. Chr.) auch auf das rechte Rheinufer gewagt hatten und dann unter Augustus und Tiberius bis tief in das Herz von Deutschland vorgedrungen waren. Zahlreiche römische Kaufleute durchzogen mit ihren Waren schon zur Zeit des Augustus alle Länder bis zur Ostsee, und ihre hübschen Metallspiegel, die zierlichen Ohrbaumeln aus Gold, ihre Messer, Nadeln, Scheren aus Gold, Silber und Eisen, die schönen römischen Münzen reizten die Germanen zum Ankauf, besonders das Eisen, und so beginnt denn schon vor Christi Geburt dies letztere Metall allmählich die Bronze zu verdrängen, und es bildet sich die germanische Eisenzeit, im Gegensatz zu der späteren slavischen die erste Eisenzeit genannt. Die großen Urnenfelder und Begräbnisplätze von Cammin bei Wittenburg, von Wotenitz bei Grevismühlen, welche früher fälschlich für Wendenkirchhöfe gehalten wurden, sowie der Begräbnisplatz von Neu-Stieten stammen aus dieser germanischen Zeit. Die Toten wurden zwar auch jetzt noch verbrannt und die Asche in Urnen gesammelt, aber diese Urnen wurden nicht mehr in Steinkammern und Hügeln beigesetzt, sondern in großer Zahl nebeneinander in die Erde eingegraben. Die Urnen dieser Zeit haben die Gestalt einer großen weitgeöffneten Schale von gefälliger Form und dunkelschwarzer Farbe und sind mit mäanderähnlichen oder hammerförmiger Verzierungen versehen, welche durch Linien aus kleinen viereckigen Punkten gebildet sind. In diesen Urnen finden sich neben Knochen und einigen Bronzen auch zahlreiche Geräte aus Eisen, Silber, ja sogar aus Glas, welche letzteren drei in den Kegelgräbern noch nicht vorkommen; aber außerdem auch römische Altertümer, Münzen, Kellen u. dergl., die bis in die Zeit des Augustus hinabreichen und uns daher zwingen schon eine durch Bekanntschaft mit den Römern hervorgebrachte germanische Eisenzeit anzunehmen. Dass römische Kaufleute aber selbst bis nach Mecklenburg ihre Wanderungen ausdehnten, zeigen die römischen Gräber von Bibow und Häven, wo wahrscheinlich während des Zuges verstorbene Händler von ihren Genossen beigesetzt sind. Durch die Verbindung mit den Römern angeregt, bildeten dann die Variner, bei den alten Schriftstellern auch Weriner und Warner genannt, die Eisenkultur immer weiter aus, und wir gehen wohl nicht zu weit, wenn wir schon bei ihnen eine Benutzung des im südwestlichen Mecklenburg so häufig vorkommenden Raseneisensteins annehmen. Von den großen Umwälzungen der Völkerwanderung, welche die meisten übrigen germanischen Völkerstämme ergriff, wurden sie im Großen und Ganzen nicht berührt, denn nach dem Berichte des griechischen Schriftstellers Procop wohnten sie hier noch um 521 n. Chr. und bildeten den nördlichen Teil des großen Thüringerreiches unter Hermanfried. Als dieses dann im Jahre 530 den verbündeten Franken und Sachsen unterlag, fiel der südliche Teil desselben den Franken zu, während der nördliche, also auch die Variner, unter die Herrschaft der Sachsen kam. Doch nicht lange erfreuten sich diese der Erweiterung ihres Gebiets; denn schon in den nächsten 50 Jahren gingen alle Besitzungen auf dem rechten Elbufer an die Slaven verloren.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte Mecklenburgs. Band 1
Germane

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Germane und Germanin in der Bronzezeit

Germane und Germanin in der Bronzezeit

Germanin

Germanin

Germanenfamilie in den ersten Jahrhunderten n. Chr.

Germanenfamilie in den ersten Jahrhunderten n. Chr.

Blick in das Königsgrab von Seddin, Westprignitz

Blick in das Königsgrab von Seddin, Westprignitz

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