Geschichtliche Notwendigkeit und allgemeine Übersicht des Kampfes
Der Hauptgrund, weshalb die Slaven mit so großer Leichtigkeit in Mitteleuropa eindringen und die zurückgebliebene deutsche Bevölkerung unterjochen konnten, liegt darin, dass die bedeutendsten und kriegerischsten Stamme der Germanen ausgewandert und in das römische Reich übergesiedelt waren, um die verdorrten Adern dieses gewaltigen Staatskörpers mit neuem Lebensblute zu erfüllen und auf den Trümmern des stolzen Gebäudes der altklassischen, griechisch-römischen Kultur nicht bloß neue Reiche, sondern auch eine neue Periode vorzugsweise germanischen Geisteslebens zu begründen, in welcher wir uns noch jetzt befinden. Indem die Germanen aber so ihre heimischen Gaue verließen und die weiten Landstriche von den Mündungen des Rheins bis zum Wüstenrande der Sahara, von den Küsten des schwarzen Meeres bis zu den Gestaden des mittelländischen und atlantischen Ozeans in Besitz nahmen, neue Reiche in denselben stifteten und sich mit den Urbewohnern und eingewanderten Römern vermischten, erfüllten sie nur zum ersten Male die eine Seite der großen weltgeschichtlichen Mission, zu welcher Gott der Herr unser Volk offensichtlich bestimmt hat, nämlich ein Bindeglied zwischen allen Völkern der Welt zu sein. Indem unsere Vorfahren aber in den folgenden Jahrhunderten auch mit der Kultur des Römischen Reichs bekannt wurden, indem sie weiter auch dem Christentum bei sich Eingang gestatteten und es alsbald mit der dem Deutschen eigentümlichen Innerlichkeit und Geistestiefe erfassten, wurden sie befähigt, auch der zweiten Seite jener gottgeordneten weltgeschichtlichen Mission zu genügen, nämlich ein Träger der Kultur und des Christentums über die ganze Erde hin zu sein. Diese Idee lebte in leuchtender Klarheit in dem mittelalterlichen Heldengeschlechte der Karolinger, besonders in dem gewaltigsten unter ihnen, Karl dem Großen. Als daher zu seiner Zeit das südliche und das westliche Europa unter einem Szepter vereinigt waren, und der Halbmond nach dem Siege im Tal von Ronceval über den Ebro hatte zurückweichen müssen, ging der Zug der Christentum und Kultur ausbreitenden Deutschen mit Notwendigkeit wieder nach Osten zu den Gauen, welche sie früher bewohnt hatten, und wo noch die Reste ihrer Stammesgenossen als Leibeigene das harte Joch der Knechtschaft trugen; und nach Bezwingung der noch übrigen heidnischen deutschen Stämme, besonders der Sachsen, musste es mit geschichtlicher Notwendigkeit zu einem Entscheidungskampf auf Leben und Tod kommen zwischen dem heidnischen Slaventum und der christlichen Kultur der Deutschen. Diesen gewaltigen Völkerkampf haben wir nun im Folgenden zu betrachten. Leise und unmerklich unter dem Schein der Freundschaft beginnt er, bald lodert er auf zu heller Flamme und glänzend leuchtet der Sieg der Deutschen, der Sieg des Kreuzes. Durch menschliche Sünde fällt aber alles wieder in Staub und Asche, und die befreiten Slaven nehmen blutige Rache an Schuldigen und Unschuldigen. Aber sie sind der Freiheit nicht mehr fähig. Statt ihre Religion innerlich zu erneuern — was freilich dem Heidentum von jeher unmöglich war — statt sich zu einem einheitlichen Staatsganzen zusammenzuschließen, zerfleischen sie sich gegenseitig in wütenden Kämpfen, um dann dem erneuten Andringen der Deutschen schnell zu erliegen und im Germanentum aufzugehen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte Mecklenburgs. Band 1