Die slawischen Bewohner Mecklenburgs und ihr Leben

Es ist schon erwähnt worden, dass die eindringenden Slaven sogar bis in das östliche Holstein gekommen feien, und zwar saßen hier in dem Landdreieck, welches durch eine Linie von der Eckernförder Bucht bis Lübeck abgeschnitten wird, die Wagrier. An diese schlossen sich südöstlich, um den Ratzeburger See herumwohnend, die Polaben, während in dem Küstenstriche, der sich vom Dassower Binnensee bis Kröpelin hinzieht die Obotriten ihre Sitze hatten. Den Osten Mecklenburgs hatten die Leuticer oder Luiticer inne, welche sich wieder in vier Völkerschaften gliederten. Von Rostock bis Ribnitz saßen die Kissiner oder Chizziner; die Circipaner hatten, wie schon ihr Name anzeigt, das Land um die Peene herum in Besitz, und an sie schlossen sich an der Tolense die Tolenser und südlich bis in die Marken hinein die Redarer. Um die Müritz herum saßen die Morizaner, in der Gegend von Parchim die Warnaber, und von hier bis zur Schaal und als Grenznachbarn der Polaben die Smeldingir, denen sich südlicher die Linonen anschlossen.

Diese Völkerschaften ließen das Land, welches sie bewohnten, fast in demselben Zustande, in welchem sie es bei ihrer Einwanderung gefunden hatten. Die ungeheuren Wälder von Tannen, Buchen und Eichen, in denen der Schlachtruf der Germanen wiedergehallt hatte, blieben ungefällt, und noch im Jahre 1128 gebrauchte der fromme Apostel der Pommern, Bischof Otto von Bamberg, fünf Tage, um einen großen Wald im mittleren Mecklenburg zu durchziehen. Die Wittstocker Heide ist noch jetzt der Überrest des Waldes Bezunt, und im südwestlichen Mecklenburg legen die Jabelheide und der Hornwald bei Grabow noch heute Zeugnis ab von den gewaltigen Holzungen jener Zeit. Auch der Klützer Ort war früher ein herrliches Waldgebiet, wie sein alter Name Silva Clutze (Wald Klutze) anzeigt. Viele andere Gegenden aber waren von Sümpfen und Morästen bedeckt. So bot denn Mecklenburg dem Wilde einen willkommenen Zufluchtsort, und es kann uns nicht wundern, wenn wir noch den Auerochsen und das Elen, Baren, Wölfe, Luchse, sowie Auerhähne als Bewohner desselben erwähnt finden. In Pommern gab es in jener Zeit noch wilde Pferde.


Der Natur des Landes entsprechend erwarb der Wende seinen Lebensunterhalt hauptsächlich durch den sogenannten Wald-Bau, d. h. durch Viehzucht, Jagd und Fischerei, von denen besonders die letztere durch die vielen Seen und Teiche des Landes, sowie durch die Nähe der Ostsee begünstigt wurde. Ganze Dörfer widmeten sich diesem einträglichen Gewerbe, und der Name Kietz bezeichnet noch jetzt in Städten wie Waren, Bützow und Neustadt den Ort, wo Fischerhütten standen. Die Fische wurden bald frisch genossen, bald am Herd gedörrt; oder man salzte sie ein, wozu die zahlreichen Salzlager der Ostseeländer reichliche Mittel boten. Eifrig betrieb der Wende auch die Bienenzucht; das Land floss über von Honig, Wie die alten Chronisten melden; der Ackerbau dagegen wurde nicht so gepflegt, und die Bestellung der Ländereien den deutschen Leibeigenen übertragen. Schon damals wendete der Pflug den Acker, und die Sichel mähte das reife Getreide, welches hauptsächlich in Roggen, Weizen und Gerste bestand. Hanf und Flachs erfreuten sich besonderer Pflege. Auch der Gartenbau war den Wenden nichts Fremdes. So war in Pommern im Anfang des 12. Jahrhunderts Überfluss an Mohn, Hülsenfrüchten und Obst, und ein welscher Nussbaum wird mit Bewunderung erwähnt. Um den nötigen Wein für das heilige Abendmahl zu gewinnen, ward seit Einführung des Christentums auch der Weinbau betrieben. Otto von Bamberg brachte zuerst fränkische Reben nach Pommern. Von hier kamen sie nach Mecklenburg, wo im 13. Jahrhundert Weinberge zu Güstrow, Neukloster und Schwerin erwähnt werden, welche sich bis in die Zeiten der Reformation erhielten. Doch war der Saft dieser Trauben so sauer, dass die Fürsten es sich 1552 in einem Schreiben an den Rat von Plau ernstlich verbaten, ihren Gesandten solches Getränk vorzusetzen, da sie es nicht gewohnt seien, so sauren Wein zu trinken.

Der Wende aber trank keinen Wein, sondern Bier, das er aus Gerste, oder Meth, den er aus Honig trefflich zu bereiten wusste. Zur Gewinnung des Mehls für sein Brot diente ihm noch die alte steinerne Handmühle, welche wir schon bei den Hünen kennen lernten. Windmühlen gab es im Mittelalter noch nicht, und Wassermühlen führten erst die sächsischen Kolonisten ein.

Seine Kleidung bereitete der Wende selbst. Die Leinewand zu seinem Untergewande webte er am Webstuhl aus selbstgebautem Flachs und wahrscheinlich auch die gröberen Wollenstoffe, während die feineren Zeuge für die Obergewänder aus Sachsen eingeführt wurden. Außer dem Ober- und Untergewande trug der Wende noch einen kleinen runden Hut und Schuhe oder Stiefeln; barfuß zu gehen war ein Zeichen äußerster Armut.

Der Bearbeitung der Metalle war der Wende wohl kundig, wie die zahlreichen wendischen Altertümer und Schmucksachen, welche man in Mecklenburg gefunden hat, bezeugen. Neben der Schleuder schwang der Wende im Kampfe die Streitaxt und den Wurfspieß. Im Nahkampf zog er das blitzende Schwert, während der runde Schild ihn deckte. Auch Götzenbilder aus Gold und Silber hatten die Wenden. Die Metalle bezogen sie teils aus Sachsen, teils aus Schweden; auch haben sie zur Gewinnung des Eisens den Raseneisenstein benutzt.

Die Bauten der Wenden sind nicht bedeutend, Häuser aus Stein waren bei ihnen ungewöhnlich; die meisten waren aus Holz und Lehm. Dagegen müssen die Wenden tüchtige Schiffsbauer gewesen sein; denn sie trieben einen ausgebreiteten Handel mit Dänemark und Schweden — die alte berühmte Stadt Birca ward oft von ihnen besucht — und als Seeräuber waren sie weit gefürchtet.

Aber der Handel der Wenden ging nicht bloß nach Norden. Aufgefundene arabische und griechische Münzen zeigen, dass er sich über Russland nach dem Orient erstreckte. Jom und Jumne an der Mündung der Swine war der Hauptstapelplatz, ein Ort von so fabelhaftem Reichtum, dass Adam von Bremen ihn den größten des heidnischen Europa nennt. Neben Julin (Wollin) ragt besonders Stettin hervor. In Mecklenburg war Rerik in der Gegend des heutigen Wismar die Haupthandelsstadt, in Wagrien Starigard (Altenburg, Oldenburg) und Alt-Lübeck. Außerdem gab es verschiedene Markte d. h. Plätze, wo gehandelt wurde. Große Handelsstraßen verbanden die wichtigsten Märkte mit sächsischen Städten wie Hamburg, Magdeburg, Bardovik (bei Lüneburg). Die Gegenstände des Handels aber waren hauptsächlich Zeuge, Salz, Fische und Menschen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte Mecklenburgs. Band 1