Die Juden

Für die Entwickelung der mittelalterlichen Frömmigkeit, insbesondere für die Entstehung des heiligen Blutes zu Güstrow und Sternberg sind die Juden nicht ohne Bedeutung.

Juden finden wir zuerst zu Parchim während der Regierung des Fürsten Pribislav (1238-1261). Bald hatten sie sich über die meisten Städte, als Wismar, Boizenburg, Rostock, Warnemünde, Krakow, Güstrow und Sternberg ausgebreitet. Als Ungläubige, Lästerer und Feinde des Herrn hatten sie an und für sich keinen Anspruch auf Duldung in christlichen Ländern; sie wurden aber wegen ihres Reichtums, wegen ihres Handelsgeistes und wegen der Leichtigkeit, mit welcher sie Geld, gegen hohe Zinsen freilich, anschafften, geduldet und erfreuten sich des besonderen Schutzes der Fürsten, deren „Kammerknechte“ sie genannt wurden. Selbstverständlich mussten sie diesen Schutz durch reiche Steuern bezahlen. Die gedrückte Lage des Juden erhöhte bei ihm den anerzogenen, ja angeborenen Christenhass; und nicht genug, dass er seine Herren betrog und übervorteilte, suchte er auch seiner Bosheit gegen ihren Glauben durch Verhöhnung, Spott und Verlockung zum Abfall Luft zu machen. Dadurch aber ward der Hass der Christen gegen die Juden, der wegen des von ihnen geübten Wuchers, wegen ihres Unglaubens und ihrer Kriecherei schon an sich groß genug war, noch vermehrt, und zu öfteren Malen machte er sich in wütenden Verfolgungen Luft. Judenhetzen wegen angeblicher Vergiftung der Brunnen, woraus die furchtbaren Pesten des Mittelalters entstanden sein sollten, gab es in Mecklenburg nicht, wohl aber Verfolgungen wegen Entweihung der christlichen Heiligtümer.


Die erste Verfolgung war in Krakow 1325, wo die Juden die Kirchentüre erbrochen, die Hostien geraubt und in den Kot getreten hatten. Zur Strafe wurden die Missetäter gerädert. Dies schreckte aber Güstrower Juden nicht ab, sich im Jahre 1330 eines gleichen Verbrechens schuldig zu machen. Sie kauften von einer Christin eine geweihte Oblate und durchstachen sie in der Synagoge. Da entquollen derselben an mehreren Stellen Blutstropfen, und eine Stimme wie die eines Kindes ward gehört. Das rührte einer Jüdin das Herz, sie ward später Christin und zeigte die Sache an. Die Untersuchung, welche mit der Folter geführt ward, brachte bei den Juden kein Geständnis hervor, wohl aber bei der Christin, die die Hostie verkauft hatte. Sie ward verbrannt und nach ihr alle Juden, mit Ausnahme eines, mit Namen Eleasar. Ihm sollte das Leben geschenkt werden, wenn er bekenne und sich taufen ließe. Doch er beharrte bei seiner Weigerung und erlitt dann mit seiner Frau ebenfalls den Tod in den Flammen.

Von noch größerer Ausdehnung war die Verfolgung der Juden zu Sternberg 1492. Hier wohnte ein reicher Jude mit Namen Eleasar, der auf den 20. Julius dieses Jahres die Hochzeit seiner Tochter feiern wollte. Durch eine glänzende Verhöhnung der Christen sollte sie besonders ausgezeichnet werden. Zu dem Ende verschaffte sich Eleasar schon im Februar des Jahres zu Penzlin von einem zum Judentum übergetretenen Mönche eine geweihte Hostie, eine andere kaufte er von einer Frau zu Teterow für 10 Schillinge. Aber hiermit war er noch nicht zufrieden. Zu Sternberg wohnte ein Priester mit Namen Peter Däne. Dieser hatte dem Eleasar einen eisernen Grapen, nach anderen Berichten sogar den Altarkelch versetzt. Er hatte kein Geld zur Einlösung, und daher machte Eleasar dem Priester den Vorschlag, ihm das Gefäß unentgeltlich zurückzugeben, wenn dieser ihm zwei geweihte Hostien überlasse. Däne tat es und brachte die Oblaten an Eleasars Frau.

Unterdes rückte der Tag der Hochzeit heran. Zahlreiche Juden waren versammelt; in einer Laube hinter dem Hause ward Morgens 8 Uhr eine Hostie mit 5 Stichen durchstochen. Alsobald floss Blut. Am Abend stach man noch nach zwei Hostien mit Messern.

Am folgenden Tage aber ward den Juden bange. Eleasar befahl seinem Weibe die Hostien zu vernichten. Aber weder mit Feuer noch mit Wasser gelang es. Als die Frau sie endlich bei dem Mühlentor in den Mühlbach werfen wollte, versank sie mit den Füßen in einen Stein. Voll Furcht beschloss sie, die Hostien an den Priester zurückzugeben. Mit dem „Gott der Christen“ wollte sie nichts mehr zu tun haben.

Peter Däne empfing die Hostien am 21. August. Er vergrub sie auf dem Fürstenhofe an der Stadtmauer. In der Nacht aber erschien ihm ein Geist, der ihm keine Ruhe ließ, er musste die Sache anzeigen. Er reiste nach Schwerin und sagte dem Dompropst, durch ein Wunderzeichen sei ihm offenbart, an der Stadtmauer in Sternberg sei eine Hostie vergraben. Herzog Magnus und viele Prälaten begaben sich nach Sternberg zur Untersuchung. Die Hostie ward ausgegraben und feierlich in die Kirche gebracht. Das Verhör stellte alsbald den Sachverhalt heraus. Die Übeltäter wurden zum Tode verurteilt, und 25 Männer und 2 Frauen am 24. Oktober 1492 auf dem sogenannten Judenberge bei Sternberg verbrannt. Die Juden starben mit festem Mute und hauchten unter heiligen Gesängen ihr Leben aus. Als der Herzog einen von ihnen fragte, warum er nicht Christ würde, antwortete derselbe trotzig: „Edler Fürst, ich glaube an den Gott, der Alles kann und Alles geschaffen hat, an ihn, dessen Verehrung unseres Volkes Vater Abraham und sein Sohn Isaak und unsere anderen Vorfahren, welche nie von unserem Glauben abgefallen sind, geboten haben. Er, so glaube ich, ließ mich Mensch werden und Jude. Hatte er mich zum Christen haben wollen, so hätte er mich nicht meinem heiligen Bekenntnisse zugewandt. Wenn es sein Wille gewesen wäre, hätte ich ein Fürst sein können, wie Du!“ Peter Däne ward nach Rostock gebracht, hier seines Priesteramtes entsetzt, geschoren und in weltlichen Kleidern dem Büttel übergeben. Dieser führte ihn auf einem Karren durch die Stadt, zwickte ihn an den Straßenecken mit glühenden Zangen und brachte ihn dann zum Richtplatze, zum Scheiterhaufen. Däne litt alles geduldig und reumütig. Eleasar hatte sich durch die Flucht gerettet.

Die Juden wurden in Folge dieses Ereignisses aus Mecklenburg verbannt; sie mieden es gegen 200 Jahre, da auch ihre Rabbinen es in den Bann getan hatten. Erst um 1650 kehrten sie zurück. In Sternberg finden sich erst 1769 wieder Juden.

Die Verfolgungen der Juden im Mittelalter sind beklagenswert, aber nicht so ungerecht, als es oft dargestellt wird. Das hartnäckige und verstockte Geschlecht forderte die Christen nur zu oft zur Rache heraus. Es erfüllte sich aber auch in den Verfolgungen ihr eignes Wort: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte Mecklenburgs. Band 1