Abschnitt. 3

Mit der Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung, und nachdem der größte Theil der Truppen abgezogen war, hörten indessen die Bedrückungen keineswegs auf. Am 28. Novbr. wurde die Stadt von dem General Buget im Namen des Kaisers der Franzosen und Königs von Italien, jedoch unter fernerer Anerkennung der bisherigen Behörden, förmlich in Besitz genommen. Zwar hatte Napoleon in Berlin den lübeckischen Abgeordneten, welche um die Erhaltung der Neutralität Lübecks und Verminderung der Einquartierungslasten baten, erklärt, daß er Städte, welche er einmal inne habe, nicht eher wieder verlassen werde, bis die Engländer anderes Sinnes geworden seien, jedoch, die über Lübeck gekommenen Mißgeschicke bedauernd, hinzugefügt, daß in Zukunft dessen Besatzung nur aus einem einzigen Bataillon, ja nur aus einer Compagnie zur Sicherung der Lazarethe bestehen solle. Nichts desto weniger blieben bedeutende Truppenmassen in Lübeck und dessen Landbezirken und wurden nach ihrem Abgange sofort durch andere ersetzt. Die Lazarethe, die Armeefuhren und Estafetten, auch die herbeizuschaffende Fourage veranlassten die Stadtcasse zu einem bedeutenden Aufwände. Besonders aber waren es die Tafelgelder*) und die nahegelegten oder geforderten, zum Theil auch für besondere Vergünstigungen verheißenen oder aus Dankbarkeit freiwillig ertheilten Geschenken) für die höheren Militairpersonen und die Kriegscommissaire, welche enorme Summen absorbirten. Auch die Requisitionen**) wurden auf eine schonungslose Weise fortgesetzt. Zu diesem Allen kam im Jahre 1809 noch eine Zahlung von 59,439 Mark 6 Schill., welche die Stadtcasse für die Freigebung von 12 lübeckischen von den Schweden aufgebrachten Schiffen leisten mußte. Es waren nämlich 23 größtenteils beladene schwedische Schiffe nebst einer Anzahl russischer und preußischer Schiffe im Novbr. 1806 auf der Trave von den Franzosen angehalten und billig verkauft worden. Einige lübeckische Kaufleute hatten sie theils für sich, theils mit Fremden gemeinschaftlich, theils für fremde Rechnung angekauft. Nur 8 dieser Schiffe waren gegen Erstattung der Kaufsumme den schwedischen Eigenthümern zurückgegeben, die übrigen waren in Kopenhagen, Kiel, Flensburg und Friedrichsstadt höchst vortheilhaft veräußert. Die schwedische Regierung begann, als Repressalie für die auf diese Weise von den schwedischen Unterthanen erlittenen Schäden, die lübeckischen Schiffe aufzubringen und konnte erst zufriedengestellt werden, als man lübeckischerseits zu jener Entschädigungssumme sich anheischig machte, wegen welcher indessen weder an die befreieten Schiffe und Güter, noch an die Personen, welche die Maaßregel der schwedischen Regierung hervorgerufen hatten, Regreß genommen wurde.

*) Es mußten gleich nach der Schlacht den Generalen Berthier und Maison jedem 600 Frcs., den Generalen Eblé, Dupont, Rougiere 360 Frcs., dem General Legandre, dem Commissair-Ordonnateur Boileau, dem General-Adjutanten Améliney, dem Colonel Forgues, jedem 240 Frcs. den übrigen Colonels jedem 72 Frcs. Tafelgelder bezahlt werden, so daß die tägliche Ausgabe für die höheren Officiere 4152 Frcs. betrug. Späterhin dauerte diese Ausgabe fort. Der General Buget erhielt täglich 30 Louisd'or, der Colonel Caire, die Commandanten Steck, Jouvancourt u. A. täglich 12 Louisd'or unter der Rubrik Tafelgelder. Noch größere Ansprüche machte der General Dupas, welcher der Stadt eine Zeitlang täglich 40 Ld'or. kostete, indem er zu seinem Déjeûner und Diner jederzeit einen Theil seiner Officiere zog, welche nichts desto weniger ihre Tafelgelder nebenbei bezogen. Späterhin begnügte sich jedoch dieser General mit 20 Ld'or. Auch für die Bestreitung der Tafelgelder des in Hamburg befindlichen Hauptquartiers mußte Lübeck nebst Bremen seinen Antheil, und zwar vom Jan. 1807 bis Aug. 1809 mit 115,444 Bco. beisteuern. Erst als am 26. Dec. 1809 von dem Prinzen von Eckmühl, als Oberbefehlshaber der Armee von Deutschland, in Hinsicht der Tafelgelder ein Tarif festgesetzt war, konnten diese beschränkt und der Willkühr und Erpressung vorgebeugt werden.



Schon wenige Tage nach der Schlacht sah sich Lübeck genötigt, den französischen Heerführern große Geschenke zu machen. Der Prinz von Ponte-Corvo, welcher für das endliche Aufhören der Plünderung gewirkt, auch sich den Geldforderungen Murat's widersetzt hatte, erhielt auf Anrege des General Maison 100,000 Frcs. und zwei Pferde; seine Adjutanten jeder 300 Ld’or., der Colonel Gault 6000 Frcs. und der Capitain Berton 2400 Frcs., als Stabsofficiere des Prinzen. Der General Leopold Berthier erhielt 50,000 Frcs.; der Platzcommandant Maison ebenfalls 50,000 Frcs. Letzterer hatte sich anfangs mit 25,000 Frcs. zufrieden erklärt; als er aber erfuhr, daß Berthier mehr bekommen habe, fühlte er sich beleidigt und verlangte dieselbe Summe. Obendrein erhielt er vier Pferde mit Geschirr. Seine beiden Adjutanten bekamen auf sein Verlangen zusammen 180 Ld'or. Der Commissair-Ordonnateur Boileau wurde anfangs mit 6000 Frcs. zufrieden gestellt; um aber die von ihm ausgeschriebene Lieferung von Sätteln und Schabracken abzuwenden, wurden noch 400 Ld'or. hinzugefügt. Der Kriegscomissair Dolfus mußte mit 46,000 Frcs, abgefunden werden. Der Colones Forgues erhielt ein Geschenk von 5000 Frcs.; außerdem wurden kleinere Geschenke den untergeordneten Militairpersonen ertheilt. Bedeutende Geschenke erhielten späterhin die Generale; Gérard wurden während seiner dreimaligen Anwesenheit in Lübeck 37,000 Frcs., Buget 25,000 Frcs., Michaud 208 Ld'or. verehrt. Der Marschall Brune war nach langer Verhandlung wegen der Dienste, welche er als General-Gouverneur der Hansestädte Lübeck zu leisten sich bereit erklärte, mit 100,000 Frcs. zufrieden; General Allemand, Chef seines Generalstabes, erhielt von den drei Hansestädten gemeinschaftlich eine Equipage, eine Aigrette für seine Frau und 16,000 Frcs. baar. Auch erhielten die Adjutanten des Marschalls, sowie dessen Secretair und Hausfreund, welcher die Geschenke vermittelte, bedeutende Summen. Molitor erhielt von Lübeck und Bremen gemeinschaftlich ein Tischgedeck zum Betrage von 10,000 Frcs. Dem westfälischen General Damas in Hamburg wurden unter der Bedingung, daß Lübeck mit den bereits angemeldeten westfälischen Truppen verschont bleibe, auf Bourrienne's Rath 500 Ld'or. ausgezahlt. Der Colonel Caire, Sous-Inspecteur aux revues, welcher den Rückkauf der saisirten englischen Waaren vermittelte, wurde mit 1000 Ld'or. zufrieden gestellt. Die Platzcommandanten, welche oft wechselten, erhielten bei ihrem Abschiede neben einem Zeugnisse des Senates über ihre guten Dienste in der Regel 50 Ld'or., oft auch mehr; ihre Adjutanten 20 Ld'or. - Die den höheren Militairpersonen und Beamten vom 6. Nov. 1806 bis Ende des Jahres 1810 von dem Senate im Einvernehmen mit der von der Bürgerschaft am 11. Nov. 1806, ernannten Geheimcommission gemachten Geschenke betrugen im Ganzen 435,800 Frcs. 6235 Ld'or. und 28,391 lb. Mark 4 Schill.



**) Als eine der bedeutenderen mögen 15,000 Capotröcke zum Belaufe von 360,000 Frcs. genannt werden. Die dringendsten dieserwegen bei dem General-Intendanten der französischen Armee Grafen Daru gemachten Vorstellungen waren vergebens, indem dieser sich auf einen ausdrücklichen Befehl des Kaisers berief. Es wurde nicht einmal gestattet, eine Lieferung von Kleidungsstücken für die Hospitäler, an Werth 152,189., wofür Daru Zahlung verheizen hatte, welche aber nicht erfolgte, darauf in Abrechnung zu bringen.