VII. Der russische Hof.

Die Verleihung des St. Katharinen-Ordens. Graf A. P. Bestushew-Bjumin. Gegner Preussens. Das System Peter des Grossen. Plan, Bestushew zu stürzen.



VII. Stelin schreibt in seinem „Tagebuche“: Die Kaiserin Elisabeth war in der ersten Zeit entzückt von der Fürstin von Anhalt-Zerbst. Das zeigte sich in allem, in den Geschenken, durch welche sie die Gäste aus Zerbst auszeichnete, in den Gnadenbezeugungen, mit denen sie dieselben überschüttete, und in dem Empfang, der ihnen zu teil wurde.


Kaum 24 Stunden nach der Ankunft der Prinzessin von Zerbst und ihrer Mutter verlieh sie beiden den Orden der heiligen Katharina. Sie wurden am 10. Februar, dem Geburtstage des Großfürsten, zu „Ordensdamen“ ernannt. Elisabeth Petrowna schrieb diese Auszeichnung in zartfühlender Weise dem Großfürsten zu, indem sie sagte, dass „er sie gestern schon darum hatte bitten wollen, es aber doch nicht wagen durfte.“

Diese Ordensverleihung war von großer Feierlichkeit begleitet. Die Orden wurden von zwei dejourierenden Kammerherren hereingetragen; die Staatsdamen Woronzow und Tschoglokow befestigten die Bänder mit Stecknadeln; der Geheimrat Lestocq, als ältester Ordenskavalier, welcher das Porträt der Kaiserin besaß, nahm der Fürstin das ihr schon im Jahre 1742 verliehene Porträt ab, welches nach den Statuten nicht mit dem Orden zusammen getragen werden kann.

Die arme Fürstin von Zerbst hatte alle diese Auszeichnungen und Geschenke gar nicht erwartet. Sie war geblendet von dem Glanze und dem Luxus, mit welchem die Kaiserin sie und ihr Kind umgab. „Meine Tochter und ich, wir leben wie die Königinnen, alles ist betresst, mit Gold ausgelegt — prachtvoll. Unsere Ausfahrten sind wundervoll“ Sie hatten ihren eigenen Hofstaat: zwei Kammerherren, zwei Kammerjunker, vier Kammerpagen und eine Anzahl Bedienung. Die Fürstin war bezaubert.

Die Kaiserin war Selbstherrscherin, die Kaiserin war für sie, wer hätte da die Pläne kreuzen können, welche sie nach Russland geführt hatten? Wer waren diejenigen, gegen welche die Fürstin zu agieren hatte? Ihre Tochter, die Prinzessin Sophie, hat dieselben mehrere Jahre später selbst genannt und gezeichnet, als der Gang der Ereignisse für sie eine verständlichere Form angenommen hatte.

„Der russische Hof war zu der Zeit, als Katharina und ihre Mutter am 9. Februar 1744 nach Moskau kamen, in zwei große Parteien geteilt. An der Spitze der ersten, die sich nach seiner Demütigung zu erheben begann, stand der Vize-Kanzler Graf Bestushew Rjumin. Er wurde weit mehr gefürchtet als geliebt. Er war ränkesüchtig und misstrauisch, fest und unerschütterlich in seinen Ansichten, ziemlich despotisch, ein unversöhnlicher Feind, aber ein Freund seiner Freunde, die er nicht aufgab, so lange sie ihn nicht aufgaben, zudem war er unverträglich und kleinlich. Er stand an der Spitze des Kollegiums der auswärtigen Angelegenheiten. Vor der Reise des Hofes nach Moskau hatte er im Kampfe gegen die nächste Umgebung der Kaiserin eine Niederlage erlitten, fing jedoch schon an, sich von derselben zu erholen.

„Er stand auf der Seite der Höfe von Wien, Sachsen und England. Die Ankunft Katharinas und ihrer Mutter war ihm durchaus nicht angenehm. Das war das Werk der gegnerischen Partei, welches ohne sein Wissen ins Werk gesetzt war. Die Anzahl der Feinde des Grafen Bestushew war sehr groß, sie zitterten jedoch alle vor ihm. Er übertraf sie in der Stellung, die er einnahm, und in seinem Charakter, der ihn unendlich hoch über die lakaienhafte Politik erhob.

Die Partei, welche Bestushew gegenüberstand, stimmte für Frankreich, für das von ihr begünstigte Schweden und für den König von Preussen. Die Seele dieser Partei war der Marquis de la Chétardie, — die Hauptglieder derselben: die Höflinge, welche aus Holstein gekommen waren. Sie hatten Lestocq einen der Hauptfaktoren bei dem Umschwung, welcher die Kaiserin Elisabeth auf den Thron erhob, für sich gewonnen.

Er genoss das volle Vertrauen der Kaiserin Elisabeth und wurde, nach dem Tode der Kaiserin Katharina I., ihr Arzt. Er hatte der Mutter und der Tochter große Dienste geleistet, war aber von schlechtem Charakter, und hatte ein böses, schwarzes Herz. Alle diese Ausländer unterstützten und drängten den Grafen Michael Woronzow in den Vordergrund, welcher Teil genommen hatte an dem Umschwung, und Elisabeth in der Nacht, in welcher sie den Thron bestieg, begleitet hatte. Elisabeth Petrowna hatte ihn mit einer Nichte der Kaiserin Katharina I., der Gräfin Anna Karlowna Skawronsky, verheiratet, die mit der Kaiserin Elisabeth zusammen erzogen wurde und ihr sehr ergeben war.

„Dieser Partei schloss sich auch der Graf Alexander Rumjanzow an, welcher fast ohne die Mitwirkung Bestushews den Abo'er Frieden mit Schweden abschloss; sie rechneten auch noch auf den General-Procureur, den Fürsten Trubetzkoy, auf die ganze Familie Trubetzkoy, folglich auch auf den Prinzen von Hessen Homburg, der eine Trubetzkoy geheiratet hatte. Der Prinz von Hessen-Homburg selbst war eine Null; er stand damals jedoch in großem Ansehen durch die Familie seiner Frau, deren Eltern noch lebten und deren Mutter hoch geachtet war.

Die übrigen Personen, welche der Kaiserin nahe standen, gehörten der Familie Schuwalow an. Sie wetteiferten um den Vorrang mit dem Ober-Jägermeister Rasumowsky,1) welcher damals der anerkannte Günstling war.

1) Alexei Grigorjewitsch Rasumowsky, 1709—1771, Sohn eines Kosaken, aus dem Dorfe Lemeschi im Koselskachen Kreise des Tschernigowschen Gouvernements gebürtig, wurde im Jahre 1744 in den Grafenstand erhoben. Bei dem Umschwung im Jahre 1741 war er Gehilfe der Kaiserin. Elisabeth Petrowna lebte in morganatischer Ehe mit ihm. —

Der Graf Bestushew verstand es, die Schuwalows zu benutzen, seine Hauptstütze aber war der Baron Tscherkassow, 2) Kabinettsekretär der Kaiserin, welcher schon im Kabinett Peters I. gedient hatte. Er war ein rauer, eigensinniger Mann, der überall Ordnung und Gerechtigkeit forderte. Die übrigen Hofleute hingen der einen oder der anderen Partei an, je nach ihren persönlichen Vorteilen.

2) Baron Ivan Antonowitsch Tscherkassow, 1689— 1752. Einer der „Nestlinge“ Peter I. Von Anna Iwanowna nach Kasan und Astrachan verschickt, wurde er unter der Regierung Elisabeths aus der Verbannung zurückberufen. —

Im Vordergründe dieses, von Meisterhand gezeichneten Bildes erscheint im Jahre 1744 der Graf Alexei Petrowitsch Bestushew-Rjumin als Mittelpunkt aller Intrigen am russischen Hofe.

Die Hofchargen, welche am Throne der Kaiserin Elisabeth standen, bildeten, wie immer und überall, eine ziemlich bunte Menge, die sich jedes eigenen Willens begeben, jeder Persönlichkeit entäußert hatte, um der Reichtümer, der Ehren und der Macht willen, die sie weder durch Geist noch durch Fleiß oder Bildung verdiente. Da waren Russen sowohl als Ausländer, welche um des Vorteils willen ihr Vaterland verrieten. Da waren vornehme Leute, die mit Rjurik verwandt waren, und Emporkömmlinge, deren Herkunft unbekannt war.

Ausländische Diplomaten vereinigten sich mit den russischen Würdenträgern, unter denen auch reichbegabte, talentvolle Männer waren, deren Fähigkeiten jedoch in Rohheit und Augendienerei untergegangen waren. Hier standen neben dem Grafen Woronzow und den Schuwalows die Schubins und Wosshinskys; neben dem nichtigen Prinzen von Hessen-Homburg die Gebrüder Panin, der Baron Tscherkassow und der verachtete Lestocq, der Marquis de la Chétardie und der Fürst Belosselsky, Baron Mardefeld und Graf Apraxin; hier waren Peter Rumjanzew, der Fürst Trubetzkoy, Ivan Talisin, Fürst Kurakin und der englische Konsul Wolff, der Kleinrusse Rasumowskj, der Holsteiner Brümmer und der Ausländer Grünstein; hier waren Kurländer, Schweden, Polen und eine große Anzahl Russen, deren einziges Verdienst die Kriecherei und die Untertänigkeit war, von der sie beherrscht wurden, und die sie zu Verworfenen stempelte.

Sie gelangten zu Ehren, Macht und Reichtum, nicht etwa durch Dienste, welche sie dem Vaterlande oder der Heimat leisteten, sondern durch unreine Mittel und auf dunklen Wegen. Sie hatten keine eigene Meinung und kein angeborenes Ehrgefühl; sie änderten ihre Überzeugungen um des eigenen Nutzens und Vorteils willen, und achteten die Ehre gering. Selbst in Gegenwart der Kaiserin trat diese verschiedenfarbige, zweizüngige Menge auseinander und verbeugte sich untertänig beim Erscheinen des Grafen Alexei Petrowitsch Bestushew-Rjumin. Mit leisem, sicheren Tritte und leicht erhobenem Kopfe schritt dieser bescheiden durch die Menge, welche ihn ebenso sehr fürchtete und hasste, wie er sie schonungslos verachtete.

Er allein, unter dieser Fülle von Menschen, hatte seine hohe Stellung durch persönliche, angestrengte Arbeit, durch die Bildung, die er genossen, und die ehrlichen Dienste erreicht, die er dem Vaterlande geleistet. Ihn allein hatte Peter I. aus diesem Gemisch von Personen hervorgehoben und durch das brillantene Porträt ausgezeichnet, welches seine Brust schmückte. Er allein sagte, ohne zu heucheln, Peter I. und seiner Tochter Elisabeth seine Meinung kühn heraus. Er allein hatte das Recht, vor dem Tode seine Devise hinzuschreiben: semper idem. Er hatte Mängel, hatte auch Fehler, — er war das Kind seiner Zeit; aber er hatte auch Eigenschaften, welche ihn um einen Kopf und mehr höher stellten als die Kinder jenes Jahrhunderts.

Alexei Petrowitsch Bestushew-Bjumin war 15 Jahre alt, als Peter I. ihn im Jahre 1708 ins Ausland schickte, um ihn dort ausbilden zu lassen. Er besuchte Kopenhagen und lebte eine Zeit lang in Berlin. Als seine Ausbildung beendigt war, diente er 20 Jahre lang in der Diplomatie, war Beamter bei der russischen Gesandtschaft auf den Kongressen von Utrecht und Hannover, Kammerjunker in London, Oberkammerjunker in Mitau, Gesandter in Kopenhagen und in London, Gesandter im Haag und außerordentlicher Gesandter in Hamburg.

Erst im Jahre 1740 ließ er sich endgültig in Russland nieder und nahm die Stelle des Kabinetts-Ministers Wolinskj ein, der unschuldig enthauptet worden war. Durch Biron zu dieser hohen Stellung berufen, fiel er mit dem Regenten; er wurde zur Todesstrafe verurteilt, aber die Regentin beschränkte, in Erinnerung der wichtigen Dienste, welche der Vater ihr geleistet, die Strafe des Sohnes auf Entlassung aus dem Dienste. Einige Monate später überschüttete ihn Elisabeth Petrowna mit Ehrenbezeugungen , ernannte ihn zum General-Post -Direktor, zum Vize-Kanzler, 1) und später zum Kanzler.

1) Er wurde am 12. Dez. 1741, zwei Wochen nach dem Umschwung, zum Vize-Kanzler ernannt. Über diese Ernennung schreibt der englische Gesandte Finch in der Depesche vom 5. Dez. an den Lord Harrington: Mr. Bestushew will be charged with the Foreign Affairs and probably have the character of Vice-Chancellor, indeed they have no other in the eleven (in the high Council) in any degree fit for this post and province. (Londoner Archiv, Russia Nr. 88.) —

Er war noch nicht 50 Jahre alt, als Elisabeth Petrowna ihn zu dieser einflussreichen Tätigkeit berief. Er erschien am Hofe der Kaiserin als Träger der Traditionen ihres Vaters, als letzter „Nestling“ Peters des Grossen. Der lange Aufenthalt im Auslande war ihm von Nutzen gewesen. Er war vollkommen Europäer und drückte sich in französischer, deutscher und lateinischer Sprache mit Gewandtheit aus; er war wissenschaftlich gebildet und gut unterrichtet in der Geschichte der Diplomatie der europäischen Staaten.

In dem Archiv des Herzogs von Holstein in Kiel entdeckte er das Testament der Kaiserin Katharina I., welches Elisabeth Petrowna benutzte. Als er in Kopenhagen lebte, erfand er ein „Lebenselixir“,2) welches seinen Namen in ganz Europa bekannt machte. Er sprach besser als er schrieb. Der Kurfürst von Hannover bewunderte seine logische, folgerichtige Rede und nahm ihn mit Erlaubnis Peters I. in seine Dienste. Als er unter dem Namen Georg I. König von England wurde, schickte er um als englischen, bevollmächtigten Minister nach Petersburg, um seine Thronbesteigung anzuzeigen.

2) Tinctura inervina Bestuschevi. Der Chemiker Lembke, weicher in Kopenhagen bei Bestushew arbeitete, verkaufte das Geheimnis, und die Tropfen wurden unter dem Namen élixir d'or, élixir de Lamotte, verkauft. Im Jahre 1748 übergab der Erfinder selbst sein Geheimnis dem Akademiker Model. Model entdeckte im Jahre 1779 das Geheimnis dem Apotheker Durop, welcher es vor seinem Tode dem Apotheker Winterberger überließ. Durch die Vermittlung des Leib-Medikus Rodgers kaufte Katharina II das Geheimnis von den Witwen Durop und Winterberger, und machte es bekannt. Sie zahlte 8.000 Rubel dafür. Tereschtschenko, II. 95.

Er besaß einen hellen Verstand, welcher fähig war, jede politische „Conjunctur“, wie verwickelt sie auch sein mochte, zu durchschauen und die Lage und die möglichen Konsequenzen sich und Andern klar zu machen.

Er war natürlich nicht zum Diplomaten geboren, hatte aber bei seinem langen Aufenthalte an ausländischen Missionen den Diplomaten in sich ausgebildet Er liebte nicht zu betrügen — er zog es vor, sich krank zu sagen oder zu schweigen; aber auch dieses Umgehen und Täuschen war schwer. „Für die mir mitgeteilte Kopie von dem Briefe des Königs von Preussen,“ — schreibt er an den Grafen M. L. Woronzow — „danke ich Ew. Durchlaucht verbindlichst. Er schreibt wirklich ungemein einschmeichelnd, oder vielmehr packend, so dass mir bei dem Lesen eine wahre, italienische Redensart einfiel: Wer gar zu sehr schmeichelt und Honig um die Lippen streicht, der hat entweder betrogen, oder beabsichtigt es zu tun.1)

1) Archiv des Fürsten Woronzow, II. 35.

Bestushew bemühte sich, eine jede Frage der Politik, welche entschieden werden musste, von allen Seiten zu betrachten; er erwog sogar die Nebenumstände, suchte sich klar zu werden über die nächsten Ziele sowohl als über die entferntesten Folgen, — und wenn er nach solch einer Arbeit einen bestimmten Plan entworfen hatte, dann führte er ihn ohne Aufenthalt und ohne jemand nachzugeben, aus.

Als Bestushew-Bjumin zur Leitung der auswärtigen Angelegenheiten berufen wurde, bestand die erste ernste Frage, welche zur Entscheidung vorlag, in den Beziehungen Russlands zu dem austro-preussischen Streitpunkte, welcher durch die Besitznahme von Schlesien durch Friedrich II. entstanden war. Für wen würde Russland sich entscheiden — für Österreich oder für Preussen? Wen würde die russische Begierung unterstützen — Maria Theresia oder Friedrich II? Es war eine schwierige Frage für Bestushew-Rjumin: der verhasste Ostermann, dessen bloßer Name die Kaiserin aufregte, war für Osterreich; die Kaiserin stand unter dem Einflüsse Lestocqs, dieser aber hatte sich an das mit Preussen verbündete Frankreich verkauft, und sagte Elisabeth Petrowna nur, was de la Chétardie und Mardefeld wünschten; der Graf Woronzow, der Prinz von Hessen-Homburg, Brümmer — sie waren entschieden alle für Preussen.

Persönliche Interessen und der persönliche Vorteil hätten Bestushew-Bjumin bewegen sollen, für Preussen zu stimmen und dadurch seine Stellung im Dienste, bei Hofe und in der Gesellschaft, wenigstens in den Kreisen der Gesellschaft zu befestigen, in denen er sich bewegte. „Alles was mich persönlich anging, alle Schmarotzerei, Freundschaft, allen Hass, alle partikularistische Feindschaft und alles, was Leidenschaft genannt werden kann, beseitigend, entschied ich mich für Österreich, gegen Preussen.“ Er überzeugte die Kaiserin von der Richtigkeit seiner Ansicht, zog sich die Feindschaft aller zu, blieb jedoch fest.

Personen, welche Bestushew-Rjumin näher kannten, beschrieben ihn als einen unverträglichen, kleinlichen, misstrauischen Mann. Das sind freilich keine anziehenden Charakterzüge, und es liegt kein Grund vor, den diesbezüglichen Bemerkungen Katharinas II. keinen Glauben zu schenken; aber Staatsmänner werden nach Staatsangelegenheiten und nicht nach ihrem Privat- und Familienleben beurteilt.

Weit wichtiger ist die Beschuldigung, dass er ein feiler, käuflicher, bestechlicher Mann war. Nach den Worten seines persönlichen Feindes, des preussischen Königs Friedrich II. war Bestushew-Rjumin in so hohem Grade käuflich, dass er die Kaiserin selbst verkauft hätte, wenn sich jemand gefunden hätte, der ihm ihren Preis zahlte.

Es wäre Friedrich II. gewiss sehr gelegen gewesen, wenn das wahr gewesen wäre — er wäre der Erste gewesen, Bestushew-Rjumin zu bestechen. Er hat dieses auch auf alle Weise versucht, jedoch ohne Erfolg. Er bestimmte große Summen für die Bestechung des russischen Kanzlers, war sogar bereit, „jede verlangte Summe“ 1) zu zahlen — es gelang ihm aber nicht. Katharina II., welche Bestushew-Bjumin so richtig und unparteiisch charakterisiert, behauptet entschieden, er sei unbestechlich gewesen: jamais on ne le gagna par l`argent. 2) Im Jahre 1747 hatte er dringend Geld nötig und lieh von dem englischen Konsul 50.000 Rubel auf das Unterpfand seines Hauses, 3) obgleich die englische Regierung die Heeresabteilung von 30.000 Mann, welche in Liefland stand, brauchte, und bereit gewesen wäre, große Summen anzuwenden, um den Kanzler zu „bestechen“ 4).

1) Pol. Corr. XIII. 340, 546, 562. —
2) Chrapowiteky 480. —
3) Im Lond. Archiv ist eine ganze Korrespondenz über diesen Gegenstand erhalten Der Pfandbrief ist am 21. Nov. unterschrieben in Gegenwart der Zeugen: Graf A. Rasumowsky, Graf M. Woronzow, St. Apraxin, Iv. Talisin und des Fürsten Beloselsky. Es war also keine Fiktion. In der Korrespondenz, welche dem Pfandbriefe voranging, bat der Kanzler, ihm diese Summe auf 10 Jahre ohne Prozente zu leihen. Diese letzte Bedingung erklärt sich aus der „steten Bereitwilligkeit des Kanzlers, den Interessen des Königs von England zu dienen.“ Der Kanzler und die Zeugen zweifelten nicht daran, dass die Kaiserin selbst das Haus des Kanzlers — das frühere Ostermannsche Haus — welches Elisabeth Petrowna Bestushew Rjumin geschenkt, und das der Restaurierung bedurfte, auslösen würde. Dieses Haus ist das jetzige Senatsgebäude. Es wurde verabredet, dass der Graf Rasumowsky, wenn die Kaiserin in dem neu remontierten Hause auf das Wohl des „Hausherrn“ trinken würde, sagen sollte „d. h. auf das Wohl des englischen Konsuls Wolff.“ Hierauf würde er die Geschichte der Verpfändung des Hauses erzählen, und die Kaiserin würde ohne Zweifel die erforderliche Summe, um das Haus auszulösen, anweisen. (Lond. Archiv, Russia, Nr. 54, 33.) —

4) Von der Bestechlichkeit des Kanzlers sprachen seine Feinde, Friedrich II. und die preussischen Gesandten, besonders Mardefeld. Ihre Worte werden von den neuesten deutschen Historikern — Herrmann, Droysen, Koser, Brückner — wiederholt Den Deutschen sprachen es die russischen Historiker nach und nahmen die Bestechlichkeit von Elisabeths Kanzler als eine Tatsache an, die keinem Zweifel unterliegt. Das Zeugnis des Königs von Preussen und seiner Gesandten kann, scheint es uns, im vorliegenden Falle keine entscheidende Bedeutung haben, umsomehr als sie auf keine einzige Tatsache hinweisen. Im vorigen Jahrhundert war das Verleihen von Pensionen verschiedener Höfe, besonders des französischen Hofes, eine ganz gewöhnliche Sache. Es ist bis jetzt nicht bewiesen, dass Bestushew die Interessen Russlands verriet, um eine solche Pension zu erhalten. Der größte russische Kanzler, nicht bloß des XVIII. Jahrhunderts, der die Macht Preussens für lange Zeit lähmte, verdient wohl, dass man sich seiner ohne vorgefasste Meinung erinnert, und ihn nicht nach dem Zeugnis seiner Feinde, der ausländischen Minister, beurteilt. Um zu zeigen, wie weit sie gingen, genügt es, folgendes Beispiel anzuführen: Son pouvoir est si étendu qu'on peut l`appeler le grand-vizir de son pays. Son caractère est un compose si monstrueux des qualités les plus odieuses qu'on ne doit pas craindre de charger le tableau: fourbé, dissimilé, vindicatif, ingrat, rien n'est sacré pour lui lorsqu`il s'agit de parvenir à ses fins. Ce n'est pas un génie supérieur, mais il est consommé dans l`intrigue. (Schläger 64.) Nicht besser lautet das Urteil über ihn in einem Briefe D'Allions an den Prinzen Conti, vom 4. Januar 1746 ; Il est foncèrement malhonnête homme; il vend son crédit immense a beaux deniers comptant aux anglais, aux autrichiens et aux saxons sans prétendre cependant s'ôter la liberté de glaner ailleurs (Pariser Archiv vol. 48, f. 6.) Der französische Minister der auswärtigen Angelegenheiten nennt aber Bestushew-Bjumin „un grand et habile ministre (Pariser Archiv v. 50) in einem Briefe an D`Allions vom 29. Oktober 1747. Ein Bestushews würdiges Urteil siehe: Marche, 22 sqq.; ein unrichtiges Urteil— Mannstein, 2 44.


Im Laufe seiner ganzen staatsmännischen Tätigkeit war Bestushew-Rjumin in der Politik ein Anhänger des „Systems Peters des Grossen,“ d. h. der zwei Seemächte England und Holland und der zwei kontinentalen Mächte Österreich und Sachsen. Er machte gar kein Hehl aus seiner feindseligen Gesinnung gegen Friedrich II., den er zu „beutelustig“ nannte. Da war es begreiflich, dass er bei der Wahl einer Braut für den Erben des russischen Thrones für die sächsische Prinzessin gegen die Prinzessin von Zerbst, die Tochter eines preussischen Generals, stimmte.

Mit der Ankunft der Prinzessin von Zerbst in Moskau vergrößerte sich die Zahl von Bestushews Feinden und sie wurden kühner. ,,Ich rechne sehr auf die Hilfe der Fürstin von Zerbst,“ 1) schreibt Friedrich II. an Mardefeld; „wir hoffen viel von der Hilfe der Fürstin von Zerbst“, 2) schreibt Chétardie an den Minister Amelot Was wollen die Feinde? Vor allem Bestushew-Bjumin stürzen und hierauf den Dreibund, Russland, Preussen und Schweden abschließen.

1)Pol. Corr., HL 18. —

2) Archiv des Fürsten Woronzow I. 506, 540, 552.


Friedrich IL hatte längst begriffen, dass er in Russland einen gefährlichen Nebenbuhler haben würde, solange Bestushew-Bjumin, der unbeugsame, energische, „den klingenden Reizen“ nicht zugängliche Minister, welcher nach einem vorher bestimmten Programme handelte, die auswärtigen Angelegenheiten leitete. Um Bestushew-Bjumin von dem Einflüsse auf die auswärtige Politik zu entfernen, erdachten seine Feinde einen Plan nach dem andern, und man muss ihnen die Gerechtigkeit widerfahren lassen, dass sie sich alle Mühe für das Gelingen ihrer Bänke gaben. 1)

1) Correspondenz des Marquis de la Chétardie im Archiv des Fürsten Woronzow I. 476, 480, 497, 506, 543, 545, 550, 554, 577, 618; Pol. Korr. II. 406, 461, 469; III 10, 15, 47, 49, 62, 79, 88, 399.

Zuerst wollten sie den General Rumjanzow zum Kanzler machen, der auf diese Weise durch seinen höheren Rang im Kollegium (Bestushew-Bjumin war zu der Zeit nur Vize-Kanzler), die Macht haben würde, Bestushew in der Hand zu halten; hierauf wurde vorgeschlagen, aus diesem Kollegium einen Rat oder ein Kabinett zu bilden, dass aus so vielen Gliedern bestände, dass der Vize -Kanzler es mit seiner Macht nicht beherrschen könne.“ Nachdem die Fürstin von Zerbst in diese Intrige eingeweiht war, fassten die Feinde des Vize-Kanzlers entschiedenere Pläne: Bestushew-Bjumin sollte ganz von allen Geschäften entfernt werden; Rumjanzow sollte die Stelle des Kanzlers einnehmen, und Trubetzkoy, der General-Procureur, sollte Vize -Kanzler werden. Da es sich um die Bildung eines russischen Ministeriums handelte, welches sich den Plänen Deutschlands und Frankreichs fügte, fand Mardefeld die Wahl Trubetzkoys nicht richtig: er war klüger als Bestushew, kühner als er, und hatte, durch seine Verwandtschaft mit dem Prinzen von Hessen-Homburg eine mächtige Stütze am Hofe, allein in seinen Lastern gab er Bestushew nichts nach. Friedrich II. war ebenfalls der Meinung, dass Trubetzkoy unbequem war.

Außer den genannten Personen nahmen an dieser Intrige gegen den Vize-Kanzler noch tätigen Anteil: der Geheimrat Lestocq und der Hofmarschall des Großfürsten, Brümmer, nebst ,,deren Adhärenten, die bis jetzt noch nicht bekannt sind.“ Bestushew-Rjumin besaß eine ziemlich grosse Stütze an dem Kammerherrn Woronzow, — die Feinde des Vize-Kanzlers beschlossen, den Kammerherrn Woronzow als Gesandten nach Paris zu schicken. War es nun aufrichtig oder geheuchelt, — aber die Feinde des Vize-Kanzlers sprachen die Überzeugung aus, „dass die Czarina niemals zu Bestushew Confidenz gehabt hatte oder haben würde 1).

1) Pol. Korr. III 10; Archiv des Fürsten Woronzow I. 476, 536. —

Sofort nach dem Sturze Bestushews sollte der Bund zwischen Russland, Preussen und Schweden geschlossen werden. Seine Feinde glaubten, dass Elisabeth Petrowna sich nur durch einen solchen Dreibund „auf dem Throne erhalten könnte,“ während Bestushew „allein in dem Verbände Russlands mit den Seemächten, der Königin von Ungarn, dem König August, und seinen Adhärenten, Rettung sah.“ Auch in diesem Falle rechneten die Feinde Bestushews auf die Hilfe der Fürstin von Zerbst, „deren Herz verwundet war durch alle von dem Wiener Hofe gegen das Haus Holstein gerichteten Handlungen.'' Zudem sollten ihre Bemühungen nicht uneigennützig bleiben, denn Friedrich II. hatte versprochen, ihre Schwester im Falle des Gelingens zur Äbtissin von Quedlinburg zu machen.

Die Fürstin Johanna Elisabeth war 32 Jahre alt, als sie nach Moskau kam. Sie war nicht schön, aber sehr anziehend. Immer heiter, freundlich gegen alle, gewohnt, in dem Ameisenhaufen von Zerbst stets die Oberhand zu haben, begann sie gleich nach ihrer Ankunft in Moskau mit echt weiblichem Leichtsinn die Rolle zu spielen, die ihr von den Feinden Bestushews vorgeschlagen wurde. Das Hauptziel, um dessentwillen sie Zerbst verlassen hatte, fast vergessend, führt sie mit der Kaiserin politische Gespräche, sucht Einfluss auf den Großfürsten zu gewinnen, beredet sich mit den einen, flüstert mit den anderen und führt einen umfassenden Briefwechsel. War aber die Fürstin von Zerbst einer solchen politischen Intrige gewachsen?


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte Katharina II. Band 1 Abteil. 1