V. Aus Berlin nach Petersburg.

Aufenthalt in Berlin. Trennung in Schwedt. Stargard und Köslin. Brief aus Königsberg. Die Benachrichtigung der Großmutter. Ankunft in Memel. Der Brief Brümmers. Empfang in Riga.



V. Am 11. Januar 1744 kam die fürstlich Zerbstsche Familie in Berlin an. Hier sah die Prinzessin Sophie noch einmal, und zum letzten Mal in ihrem Leben, Friedrich II. Ihre Mutter hatte eine lange Audienz beim Könige und führte Unterhandlungen mit seinem Minister v. Podewils. Wie konnte da ein Geheimnis bewahrt werden? Der sächsische Resident in Berlin, Bülow, wandte sich bei dieser Gelegenheit mit einer Anfrage an v. Podewils, und erwiderte auf dessen ausweichende Antwort, dass „nichts Anderes vorausgesetzt werden konnte, als eine Heirat zwischen der Prinzessin von Zerbst und dem Großfürsten von Russland.“ ¹) Podewils sagte, dass ihm nichts von solchen Voraussetzungen bekannt sei, und dass im Gegenteil Unterhandlungen über eine Heirat des russischen Thronfolgers mit der sächsischen Prinzessin Marie Anna im Gange wären. Die Fürstin Johanna Elisabeth machte mittlerweile Abschiedsbesuche bei den Mitgliedern der königlichen Familie, besorgte die notwendigen Einkäufe und beeilte, dem Willen der Kaiserin Elisabeth Petrowna gemäss, ihre Abreise.


¹) Indem er seine Unterredung mit Bülow mitteilt, fügt t. Podewils hinzu: et il ne sent que trop la mêche de toutes les consequences, qu`on peut tirer. (Droysen, V. 2, 215.) Brückner bezieht diese Unterredung auf den österreichischen Gesandten Seckendorf und macht Bülow zu einem preussischen Würdenträger.

Am 16. Januar, einem Freitag, verließen die Reisenden Berlin in der Richtung nach Schwedt an der Oder. Hier trennte sich die Zerbstsche Familie; der Fürst Christian August nahm für immer Abschied von seiner Tochter und ging nach Stettin, und die Fürstin Johanna Elisabeth, jetzt Gräfin Reinbeck, und ihre Tochter unternahmen über Stargard die weite Reise, welche nicht einmal in Petersburg, sondern in Moskau ihr Ende fand.

Jetzt erst, bei dem Abschied vom Vater in Schwedt, wurde es der Prinzessin vollkommen klar, wohin sie geführt wurde, und sie war sehr ergriffen; allein ihre Jugend überwand bald diese Bewegung, welche in ihren Jahren nur Rührung genannt werden kann. ¹) Außer der „Jugend“ half der Prinzessin von Zerbst auch der Umstand, dass sie schon in Zerbst das Ziel der bevorstehenden Reise und deren Veranlassung erraten hatte.

¹) Elle s`est aperçue en quittant son Père où le chemin s'adressait, cette Séparation l`a extrêmement émue. La grande jeunesse lui a bientôt fait surmonte ce premier mouvement, qui a cet age là, ne saurait proprement se nommer que du nom attendrissement. Aus einem Briefe der Fürstin Johanna Elisabeth an Friedrich II. vom 30. Januar aus Memel. (Schlözer, 42.) Im Hinblick auf das unbedingte Geheimnis, welches sowohl von der Kaiserin, als in den Briefen Brümmers und Friedrichs II. in Bezug auf die Reise nach Russland geboten war, lässt sich nicht annehmen, dass die Eltern die Prinzessin schon in Zerbst über die Reise nach Russland und deren Zweck aufgeklart hatten. (Ranke, III. 127.) Dafür spricht die Tatsache, dass das „Pro Memoria“ für die Fürstin geschrieben und ihr übergeben wurde (so ich meiner Gemahlin mitgegeben), und nicht der Prinzessin. Hätte denn auch ein Geheimnis gewahrt bleiben können, das einem 15jährigen Mädchen bekannt war? Und warum sollte die Mutter bei dem ersten Schritte gegen das Gebot handeln, von welchem, wie man ihr aus Petersburg schrieb, der Erfolg abhing? Das Mädchen hätte das Geheimnis ihrer Gouvernante, diese es den Dienstboten verraten, und das Vorhaben wäre enthüllt worden. Wozu sollte die Prinzessin von Zerbst davon benachrichtigt werden? Siebigk hält es indessen für notwendig: Wir müssen annehmen dass man sie schon in Zerbst über den Zweck der Reise nicht mehr im unklaren gelassen hat. (17.) Da der oben angeführte Brief der Fürstin an Friedrich II. aus Memel damit im Widerspruch steht, erklärt er es damit, dass die Fürstin bei ihrer Zusammenkunft mit Friedrich II. in Berlin dem König gesagt habe, dass die Prinzessin nichts von der Reise nach Russland wisse, wobei drei Zeilen aus einem angedruckten Briefe angeführt und denselben die gewünschte Auslegung gegeben wird. (25.) Diese Ansicht Siebigks ist durch nichts begründet and ganz unwahrscheinlich.

In der Hälfte des vorigen Jahrhunderts waren die Handelsbeziehungen zwischen Russland und Preussen noch sehr unbedeutend und die Waren wurden hauptsächlich zu Schiff versandt. Den Seeweg zogen auch die seltenen Reisenden vor, welche aus Russland nach Europa gingen, wobei sie Berlin oft gar nicht berührten. Die Poststrasse von Berlin nach Petersburg war sehr schlecht angelegt, selbst für Sommerreisen, geschweige denn im Winter und bei den grundlosen Frühlingswegen. Im Januar-Monat begegnete man auf diesen Strassen nur Post-Telegen und den Britschkas der Kuriere. Ein ausgefahrener, grubiger Winterweg mit tiefem Kote, schlechte Stationsgebäude, die mehr Ställen als Häusern glichen, starke Kälte mit schneidendem Seewind — das war es, was die Gräfin Reinbeck und ihre Tochter auf der Reise zu erwarten hatten.

Die Unbequemlichkeiten der Reise wurden durch den Mangel an Schnee, durch welchen sich der Winter 1744 auszeichnete, noch erhöht. Die Reisenden mussten die Strecke durch ganz Pommern und Preussen auf Rädern zurücklegen. Wohl hatte Friedrich II. den örtlichen Präsidenten der Provinzen streng befohlen, der „durchreisenden“ Gräfin Reinbeck jede Hilfe angedeihen zu lassen; das gab jedoch Veranlassung zu neuer Unruhe: die Präsidenten der Provinzen und die Garnisonskommandeure waren oft in Stettin, hatten dort die Fürstin von Zerbst gesehen und konnten sie leicht in der Gräfin Reinbeck erkennen.

Am 18. Januar langten die Reisenden in Stargard an, wo sie die Nacht zubrachten und am frühen Morgen weiterfuhren. Die Kälte war so groß, dass die Fürstin und ihre Tochter Masken anlegten, — das waren wollene Kopfbedeckungen, welche das ganze Gesicht bedeckten und nur die Augen freiließen. Trotz der Kälte setzte die Gräfin Reinbeck mit ihrer Tochter die Reise ununterbrochen fort und kam am Abend des 20. Januar in Köslin an. Hier war wie in Stargard ein Aufenthalt mit Nachtlager vorgesehen, und hier schrieb die Fürstin ihrem Gemahl den ersten Brief von der Reise.

Aus diesem Brief erfahren wir, dass die Reisenden in den Städten, wo sie sich aufhielten, Quartiere erhielten, die „wenn auch nicht besonders gut, so doch erträglich waren;“ an kleinen Orten aber und in den Dörfern waren die Räumlichkeiten, welche den „Durchreisenden“ von den örtlichen Behörden angewiesen wurden, deren Fürsorge sie von dem Könige selbst empfohlen waren, — wahrhaft entsetzlich. „Da die Zimmer auf den Stationen nicht geheizt waren, mussten wir in die Wirtskammer gehen, die einem honetten Schweinestall nicht sehr unähnlich war: Wirt und Wirtin, Haushund, Hahn und Kinder, — Kinder überall, in Wiegen, Betten, auf dem Ofen, auf Matratzen, — das wälzte sich in Unordnung neben einander wie Kraut und Rüben. Das war aber nicht zu ändern — ich ließ eine Bank hineintragen und legte mich mitten im Zimmer hin.“

In Köslin erhielten sie den ersten Brief von dem Fürsten Christian August. Er schrieb der Fürstin u. A., dass sich alle in Stettin darüber wunderten, dass er, von Berlin kommend, über Schwedt gereist war; dass in der Stadt Gerüchte und Vermutungen im Umlaufe wären, und dass er es für notwendig erachtete, die Wahrheit über ihre Reise durch die Zeitungen bekannt zu machen.

Hierauf antwortete ihm die Fürstin: „Es scheint mir notwendig, dass Du die Bekanntmachung meiner Reise durch die Zeitungen zurückhältst, bis Du erfährst, dass ich Memel passiert bin. Ebenso müssen die, von Dir beabsichtigten Gebete für unsere glückliche Reise, in den Kirchen von Zerbst, aufgeschoben werden. In den Zeitungen kann man entweder sagen, dass mich die Kaiserin berufen hat, oder dass ich selbst wünschte, ihr persönlich für die Gnadenbezeigungen zu danken, die sie unserem Hause erwiesen. In dem einen wie in dem anderen Falle bitte ich ergebenst, mir ein Exemplar der Zeitung zu schicken.“

Aus Köslin gingen sie über Schlawe, Stolp, Danzig nach Mewe, wo sie über die zugefrorene Weichsel fuhren und am 24. Januar in Marienwerder waren. In ihren Briefen an den Fürsten von dieser Fahrt erwähnt die Fürstin der Räuber, gegen welche sie sich zu verteidigen hatten. Nachdem sie in Marienwerder übernachtet, reisten sie am 25. Januar über Riesenburg, Preussisch-Holland, Schönfliess, Ritterkrug über das Eis des Frischen Haffs nach Königsberg, wo sie am 27. Januar ankamen und bis zum 29. blieben. Hier in Königsberg schrieb die Prinzessin Sophie von der Reise ihren ersten Brief an ihren Vater:

»Mein Herr!“

Ich habe mit vollkommener Hochachtung und unaussprechlicher Freude den Brief erhalten in dem Ew. Durchlaucht mich von Ihrem Wohlergehen benachrichtigen und meiner gnädig gedenken. Ich beschwöre Sie, versichert zu sein, dass Ihre Ermahnungen und Ratschläge für immer in meinem Herzen eingegraben sein werden, gleichwie die Samenkörner unserer heiligen Religion in meiner Seele. Ich bitte Gott, mir die Kraft zu senden, deren ich bedarf, um den Versuchungen zu widerstehen, denen ich unterwerfen sein werde. Durch die Gebete Ew. Durchlaucht und der teuren Mutter wird mir Gott diese Gnade schenken, die meine Jugend und meine Schwäche mir nicht geben können. Ich übergebe mich dem Herrn und möchte den Trost haben dieser Gnade würdig zu werden, und gute Nachrichten von
dem teuren Vater zu erhalten. Ich bleibe mein ganzes Leben hindurch mit unveränderter Ehrfurcht, mein Herr, Ew. untertänige, treue Tochter und Dienerin

Sophie Auguste, Prinzessin von Anhalt-Zerbst.

Königsberg in Preussen, 29. Jan. 1744.“

Erst jetzt aus Königsberg benachrichtigte die Fürstin ihre Mutter, die verwitwete Herzogin von Holstein Albertine Friederike und ihre Schwester, die Äbtissin von Herford, Hedwig Sophie, von ihrer Reise nach Russland. Sie schreibt u. A. an ihre Mutter: ¹)

„Am Neujahrstage erhielt ich eine Estafette aus Petersburg mit der Aufforderung mich auf Befehl und im Namen der Kaiserin von Russland, ohne Verzug mit meiner Tochter an den Ort zu begeben, wo sich der kaiserliche Hof bei meiner Ankunft in Russland befinden würde. Der Fürst, mein Herr, wurde gebeten, mich nicht zu begleiten, da ihre kaiserliche Majestät wichtige Gründe hätte, das Vergnügen ihn wiederzusehen, auf ein anderes Mal zu verschieben. Der Brief war von einem Wechsel, von vielen Ermahnungen und der Vorschrift eines undurchdringlichen Geheimnisses begleitet. Um das Inkognito zu bewahren, reise ich bis Riga unter dem Namen einer Gräfin Reinbeck; dort erst soll ich meinen Namen entdecken, um die mir bestimmte Eskorte zu erhalten. In Riga sowohl als bei der Ankunft in Russland soll ich sagen, dass ich die Reise unternommen, um ihrer kaiserlichen Majestät für alle Gnadenbezeugungen, die sie meinem Hause erwiesen hat, zu danken, und die schöne Kaiserin persönlich kennen zu lernen. Ihre kaiserliche Majestät wünscht, dass auch meine Verwandten in Deutschland dasselbe sagen. Vor allem fiel mir ein wichtiger Umstand in Bezug auf meine Tochter in die Augen; ich habe später erfahren, dass ich mich nicht geirrt.“

¹) Dieser Brief wird in dem Zerbstschen Archive aufbewahrt und ist an die Mutter, und nicht an die Tante Maria Elisabeth, Äbtissin von Quedlinburg, adressiert Siebigk, 23; Sbomik, VII. 7.

„Es hat meinem Manne und mir viel gekostet, diesen Entschluss zu fassen; allein durch das Beispiel der Gemahlin des Czarewitsch in Bezug auf die Religion beruhigt, und nachdem wir die notwendige Rücksicht erwogen, dass es nicht tunlich war, den Vorschlag der großen Kaiserin, der wir soviel verdanken, zurückzuweisen, entschlossen wir uns zur Abreise. Den Schein annehmend, als seien wir nach Berlin eingeladen, verließen also mein Mann und ich Zerbst. Er erhielt den Befehl, sich nach Stettin zu begeben; ich machte Miene ihn zu begleiten und schlug dann einen anderen Weg ein. In elf Tagen bin ich hierher gelangt, und werde morgen hier ausruhen, obgleich ich gar nicht müde bin. Ich hoffe, dass die Fahrt nach Riga nicht mehr Zeit nehmen wird, und aus Riga nach Petersburg weniger noch, wenn die Schlittenbahn anhält.“

Die Fahrt von Königsberg nach Memel war günstig. In der Nacht war viel Schnee gefallen, am Morgen trat Kalte ein und die Reisenden konnten den Weg sehr abkürzen, indem sie über das kurische Haff gingen. Der Präsident Leschkowan schickte Fischer voraus, welche mit ihren Schlitten den Weg bahnten und die Haltbarkeit des Eises prüften.

In Memel wurde übernachtet. Die Fürstin schrieb Briefe nach Petersburg und Berlin, dankte dem König Friedrich II. für die Aufmerksamkeit, die ihr von den Präsidenten Pommerns und Preussens erwiesen worden, und teilte dem Könige mit, dass ihre Tochter sowohl wie sie selbst die Beschwerden der Reise bei guter Gesundheit ertrügen. 1)

1) Nous sommes assez heureuses, ma fille et moi, pour soutenir notre fatigue avec saute. Siebigk, 24.

Am Morgen des 31. Januar traf die Gräfin Reinbeck in Memel ein. Von hier an gab es keine Postpferde mehr; es mussten welche gemietet werden. Da kein Schnee lag und man auf Rädern fahren musste, waren für die vier Equipagen 24 Pferde nötig. Die Schlitten wurden ,,für den Fall, dass sie gebraucht würden“ hinten angebunden, und dieser Aufzug der Tier Equipagen mit den hinten angebundenen Schlitten hatte etwas sehr Komisches. Die Kälte nahm immer zu, allein die Reisenden waren heiter und bestanden keine weiteren Abenteuer. Auf dieser Reise von Memel nach Mitau war die Prinzessin unwohl „Ich hatte mir den Magen verdorben, schreibt sie dem Vater. „Ich war zum Teil selbst schuld daran, da ich alles Bier vertilgte, was auf dem Wege zu finden war. Die teure Mutter nahm mir das Bier fort, und jetzt bin ich wieder ganz gesund“ ¹)

Erst am 5. Februar kamen die Reisenden, sehr ermüdet, in Mitau an. „Die Reise fängt an, uns etwas zu ermüden,“ schreibt die Fürstin ihrem Gemahl. Hier in Mitau wurde die Gräfin Reinbeck zum ersten Male auf der ganzen Reise als die regierende Fürstin von Zerbst empfangen. Der Oberst Wojeikow, Kommandeur der russischen Abteilung des liefländischen Regimentes, stellte sich ihr vor, und sprach ihr seine Freude darüber aus, der erste Russe zu sein, der das Glück hatte, eine so nahe Verwandte seiner Kaiserin willkommen zu heißen. In Begleitung Wojeikows und einer kleinen Eskorte verließ die Gräfin Reinbeck Mitau am 6. Februar und kam am selben Tage in Riga an.

¹) Vom 1. Februar 1744 aus Libau. Siebigk, 26.

Semjon Kirilowitsch Narischkin, früherer Gesandter in London, und zukünftiger Hofmarschall, kam den hohen Gästen aus Riga entgegen. Er begrüßte im Namen der Kaiserin Ihre Durchlaucht, die Fürstin und ihre Tochter, gratulierte zu der glücklich überstandenen Reise und teilte ihr den Wunsch der Kaiserin, die sich in Moskau befand, mit, die hohen Reisenden möchten sich zwei Tage in Petersburg aufhalten, um sich auszuruhen und Kleider nach dem dort üblichen Schnitte anfertigen zu lassen ¹) Narischkin überbrachte der Fürstin auch einen Brief von Brummer: ²)

Madame !

La très-gracieuse lettre de Votre Altesse vient de me causer cette parfaite Satisfaction qu'on ressent quand on est aussi véritablement devoué a la prosperité et a la gloire d`une illustre maison, comme je le suis à la Votre. Il m´est impossible, Madame, d`exprimer a Votre Altesse la joye infinie que j`ai en d`apprendre, qu`elle a entrepris son voyage sans perte du temps. Sa Majesté Imp., qui marque un empressement extrème de voir Votre Altesse bientôt chez Elle, S'informe journellement, si je n ai point de Vos Nouvelles, si Elle est dejà passée Danzig, et quand Elle pourrait arriver à Moscou. Je reponds à tout cela, que si Votre Altesse avoit des ailes, qu`Elle s`en servirait, pour ne point perdre un Moment

Comme cette Auguste Souveraine a jugée a propos d`envoyer le chambellan Narischkin à la rencontre de Votre Altesse, je me Saisis de cette occasion pour rétecir a Votre Altesse la Vénération parfaite que j'ai pour Sa personne. Le dit chambellan étant un homme d`esprit et de mérite, j'ose supplier très humblement Votre Altesse de se fier a lui, et d`ajouter entièrement foy a tout ce qu'il aura l`honneur de Luy dire.

En mème temps, comme je m`interesse fidellement à tout ce que regarde Votre Altesse, Elle me permettra de Luy ouvrir mon coeur, en la suppliant d`agréer, que je Luy conseille, que pour son premier debut à Moscou, Elle marque pour Sa Majesté Imp. une déférence extraordinaire et plus que parfaite, en luy baisant la main, comme c`est de coutume dans le pays. Je sais bien, que c`est un avertissement dont elle n'a que faire, mais quand Elle considère la source d`où il part, Elle ne le prendra jamais en mauvaise part. Les amis, que Votre Altesse a déjà dans ce pays, m`ont sollicité et presque forcé à le faire.

¹) Umb Tor der Nachreise sich und die Prinzessin in denen dortigen Landes Ahrten des Anzuges zu setzen. Siebigk, 29.

²) Das Konzept dieses Briefes hat sich leider nicht gefunden.


Son Altesse Imp. ignore encore l`arrivée de Sa tant chérie Tante. Quand Sa Maj. Imp. voudra lui en faire la confidence, je suis très persuadé, qu'il en Sera au comble de Sa joye. Elle se porte, graces à Dieu à merveille, et Elle entreprendra son voyage à Moscou, Vendredi prochain.

Le marchand Dohm ici a ordre de ma part, de payer à Votre Altesse deux milles roubles en cas qu'Elle aura besoin de l`argent etc.

Br.

à St Petersbourg
ce 17. Janvier v. s. l`ann, 1744.“

Man näherte sich Riga. Vor der Stadt wurden die hohen Gäste von den Spitzen der militärischen und bürgerlichen Behörden und dem Vize-Gouverneur, dem Fürsten Dolgorukow, empfangen, welcher die Fürstin bat, in einen Wagen zu steigen, der für ihren feierlichen Einzug in die Stadt vorbereitet war. Als der Wagen, in welchem die Fürstin, die Prinzessin Sophie und Frl. Khayn saßen, über das Eis der Düna gefahren war, hießen Kanonenschüsse von der Festung die hohen Gäste bei ihrem Eintritt in das russische Reich willkommen.

Die Dekoration war plötzlich eine ganz andere: Hof-Fouriere, Kürassiere von des Großfürsten Regiment, eine Ehrenwache bei der Anfahrt, Wachen in der Vorhalle und an jeder Türe in die inneren Gemächer, Pauken, Trompeten und Trommelschlag, Hofetikette mit tiefen révérencen und ehrfurchtsvollem baise-main, der General en chef Ssaltikow, die Gemahlin des Marschalls Lascy ¹), die Repräsentanten des Adels, die Petersburger Garde, überall Gold und Silber, Sammet und Seide ....... selbst der Fürstin schwindelte der Kopf. „Mir scheint immer,“ schreibt sie, „dass ich mich in der Suite ihrer Kais. Maj. oder irgend einer großen Monarchin befinde. Es kommt mir gar nicht in den Sinn, dass das alles für mich Arme geschieht, für welche an einigen Orten die Trommel gerührt wurde und an anderen auch das nicht einmal geschah. Hier geht alles in so großartiger, ehrenvoller Weise zu, dass es mir damals schien, und mir auch jetzt noch bei dem Anblick des Luxus, der mich umgibt, vorkommt, dass das alles nur ein Traum ist.²)

¹) Die eitle Fürstin teilte ihren Verwandten genau den Rang und Stand der Personen mit, welche bestimmt waren, sie und ihre Tochter zu begrüßen, sie nannte sogar diejenigen, welche abgesandt, aber nicht zu rechter Zeit angekommen waren. — „Die Kaiserin haben den Feldmarschall Lascy nachgesandt, und ihm anhero zu meinem Empfang zu senden, er ist aber schon Plescow passiert gewesen. (Siebigk, 31.) Weder in den deutschen Briefen der Fürstin an ihren Gemahl, noch in den französischen Relationen über die Reise wird einer Begegnung mit dem General Braun erwähnt. In den „Relationen“, die F. F. Karabanow aufgezeichnet hat, finden wir jedoch viele wertvolle Überlieferungen; u. A. die folgende Nachricht: „Als Katharina zur Braut des Großfürsten Peter Feodorowitsch erwählt war, und nach Russland reiste, wurde vom Hofe zu ihrer Bewillkommnung der Generalmajor Jury Jurjewitsch von Braun, der später dort General-Gouverneur wurde, nach Riga geschickt. Bei der Ankunft in der Stadt zog sich die Prinzessin, ermüdet, bald in die für sie bestimmten Gemächer zurück, ohne dem abgesandten General Aufmerksamkeit zu schenken, für dessen Gefühl das beleidigend erschien. Sie schickte indessen bald zu ihm und ließ ihn bitten, am andern Morgen um 6 Uhr zu ihr zu kommen. Zur bestimmten Zeit erschien Braun bei der Prinzessin, welche ihn freundlich empfing und ihm sagte: In einem kleinen deutschen Fürstentum geboren, und von der Vorsehung bestimmt, in dem großen Kaiserreiche zu leben und zu sterben, sei er der erste russische Beamte, dem sie an der Grenze von Russland begegnete. Sie gab ihm Feder und Papier und bat ihn, aufrichtig und unparteiisch den Geist, den Charakter, die Eigenschaften, Vorzüge, Fehler und Verbindungen aller der Personen zu beschreiben, aus welchen der Hof der Kaiserin Elisabeth bestand. Sie versprach ihm, darüber das Geheimnis zu bewahren, und sagte ihm, dass er dadurch ihr Vertrauen und ihre Freundschaft erwerben, durch falsche Angaben aber ihre Verachtung erlangen würde. Dieser Vorschlag wurde pünktlich erfüllt. Bei ihrer Ankunft in Petersburg setzte die Prinzessin Alle in Erstaunen durch ihr zuvorkommendes Benehmen und gewann bald allgemeine Liebe. Braun war wirklich ihr Freund, erhielt Erlaubnis, ohne Urlaub nach Petersburg zu kommen und hatte zu jeder Zeit durch den kleinen Eingang Zutritt zu ihr. Er sagte ihr die Wahrheit und wurde gefürchtet von ihren Favoriten, Potemkin nicht ausgenommen. (Russisches Altertum, IV. 693; V. 129). Braun war nicht in Riga bei der Ankunft Katharinas in Russland und die Prinzessin konnte nicht die ihr zugeschriebene Rolle spielen, welche viel später erst erfunden wurde, um die späteren Beziehungen der Kaiserin Katharina II. zu Braun zu erklären. Diese Beziehungen erklären sich auf eine ganz andere Weise — durch den Dienst, welchen Katharina von ihm in dem eigenhändigen Briefe vom 28. Juni 1762 forderte, was gehörigen Ortes erklärt werden wird.

Aus diesem Geständnis der Mutter kann man sich eine Vorstellung davon machen, welche Eindrücke ihre Tochter, die Prinzessin Sophie, bei dem ersten Betreten russischer Erde empfing. In Riga erhielt die Prinzessin das erste Geschenk von der Kaiserin — einen prachtvollen, mit Goldbrokat überzogenen Zobelpelz. Bei der Großmutter in Hamburg hatte sie kostbares Pelzwerk gesehen — solch einen Zobel aber noch niemals. Die Feierlichkeit des Willkommens, der Luxus der Umgebung, die Großartigkeit des Empfanges ermutigten die Prinzessin und verscheuchten jede Müdigkeit.³)

Die Wirklichkeit, welche der Mutter wie ein Traum erschien, war für die Tochter die lebensvolle Verwirklichung der Erzählungen, die sie in der Kinderstube in Stettin von der Wärterin, sowie in Zerbst, Hamburg und Braunschweig gehört hatte. Hier war es, das reiche, luxuriöse Russland, das von Silber speiste; diese Preobrashenzen, Kürassiere, Ismailowzen, welche Tor ihrer Türe Wache standen —waren das siegreiche russische Heer! Wie lange war es her, dass die Nachtquartiere, die ihnen eingeräumt wurden, einem Schweinestalle glichen, dass sie auf der Heerstrasse Diebe zu fürchten hatten, und über die hinter den Wagen angebundenen Schlitten lachten, — und jetzt?

²) Alles mit vieler Grandeur und honneur zugegangen ist; ich deuchtete mich dabei und noch jetzt bei allem fracas so mich environiert, als wäre ich im Traum. (Siebigk, 3l, 32; Sbornik, VII. 15. —
³) Die Fürstin schrieb aus Riga ihrem Gemahl: „Unsere Tochter ist so gesund und munter, das ich mich darüber wundem muss. (Siebigk, 31).


Am 29. Januar (9. Februar), um 11 Uhr morgens, verließ die Prinzessin mit ihrer Mutter Riga. Die ganze Stadt hatte sich versammelt, um den hohen Gästen das Geleit zu geben, denen lange, kaiserliche Schlitten mit einem Verdeck entgegengeschickt waren. Diese Schlitten waren im Innern mit Zobelfellen ausgelegt, hatten mit Seide überzogene Matratzen, Pelzdecken, und waren mit 10 Pferden, immer zwei in der Reihe, bespannt.

Statt der vier Wagen der Gräfin Reinbeck bestand das Geleit der Prinzessin von Zerbst bei der Abreise aus Riga in folgendem Zuge:

a) Eine Eskadron Kürassiere aus dem Regimente seiner Hoheit des Thronfolgers.

b) Der kaiserliche Schlitten mit der Fürstin und der Prinzessin von Zerbst; auf dem Vordersitze der Kammerherr Narischkin, der Stallmeister des allerhöchsten Hofes, ein dejourierender Offizier des Ismailowschen Regimentes und Herr Lattorf; auf dem hinteren Tritte zwei Kammerlakaien und zwei Preobrashenzen.

c) Eine Abteilung des Liefländischen Regimentes.

d) Der Vize-Gouverneur und der Kommandant

e) Der Schlitten des Frl. Khayn.

f) Der Schlitten des Kammerherrn Narischkin.

g) Eine Reihe von Schlitten mit Personen der Suite, Vertretern des Adels, des Magistrates, mit den Deputationen verschiedener Korporationen und Offizieren, die dicht neben dem kaiserlichen Schlitten einhersprengten.

Die Prinzessin Sophie war noch niemals mit solch einem Pompe gefahren.

Auch die Fahrt war eine andere. Trotz des Aufenthaltes beim Wechseln der Pferde, während der Abendmahlzeit, des Kaffees am Morgen, und des Frühstücks, wurde am anderen Tage, am 30. Januar, schon das Mittagessen in Dorpat eingenommen, wo der kommandierende General das Militär unter die Waffen rief, um ihnen die Honneurs zu erweisen. Hier in Dorpat kam ihnen der Sekretär der russischen Gesandtschaft in Berlin, der ihnen bekannte Schriwer entgegen, der ihnen das Bild der Kaiserin Elisabeth Petrowna nach Zerbst gebracht hatte. Sie reisten nur bei Tage und ruhten in der Nacht. In Narwa kamen sie am späten Abend an, die Stadt war illuminiert. Aus Narwa fuhren sie um Mittag ab und gelangten am anderen Tage, am 3. Februar, nach Petersburg.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte Katharina II. Band 1 Abteil. 1