II. Beziehungen zu Russland.

Erzählung der Heldentaten Peter I. Liebe der Czesarewna Elisabeth zu Holstein. Begierungsantritt Elisabeth Petrownas. Das Porträt Anna Petrownas. Geschenk der russischen Kaiserin. Das Bild der Prinzessin Sophie. Briefe aus Petersburg und Berlin.



II. Katharina wurde geboren und auferzogen in den ziemlich bescheidenen Verhältnissen eines „winzig kleinen“ Hofes, inmitten der kargen Natur eines Küstenstriches, während ihre Phantasie sich immer und überall die Bilder eines großen Staates malte, welcher durch seine ruhmreichen Siege und seinen Reichtum Bewunderung erregte. Hier in Pommern standen kurz vorher überall noch russische Truppen, und in Stettin selbst wurde noch von der Belagerung der Stadt durch den Zaren Peter gesprochen; im benachbarten Dänemark erinnerte man sich mit Erstaunen dessen, wie der Zar in Person, bis an den Gurt im Wasser watend, seine Heere zum Siege führte.


Die Prinzessin von Zerbst hörte alle diese Erzählungen an, und in ihrer Phantasie wuchs die Figur Peters, welcher die Flotten von vier Reichen befehligte, zu einem grandiosen Bilde. Wenn die Prinzessin mit ihrer Mutter die Oder entlang fuhr, begegneten ihr Holsteinische Fahrzeuge, auf welchen ihre Landsleute nach Russland segelten, um dort ihr Glück zu suchen. In Stettin und Zerbst, in Hamburg und Eutin, in Braunschweig und Berlin — überall hörte sie von der Tapferkeit der russischen Truppen, von dem Reichtum der russischen Magnaten erzählen, und von ihrer Mutter, von ihren Onkeln und Tanten lernte sie den russischen Hof als die Stütze aller ihrer Verwandten zu betrachten, und in der kaiserlichen Familie den Schutz ihrer nächsten Angehörigen zu sehen.

In Eutin sah sie im Jahre 1739 ihren Vetter im 3. Gliede, den minderjährigen Herzog von Holstein, dessen Mutter, wie ihr gesagt wurde, eine russische Czarewna war. Sie hörte oft von ihren Verwandten das traurige Ereignis besprechen, wie ihr Onkel, der Bruder ihrer Mutter, Prinz Carl, in die schöne Czarewna Elisabeth Petrowna verliebt gewesen und in Petersburg gestorben war. Alle diese Einzelheiten lebten noch frisch in ihrem Gedächtnisse, als ein Eilbote aus Berlin mit der Nachricht in Zerbst erschien, dass Elisabeth Petrowna Kaiserin von Russland geworden war.

Die Nachricht von Elisabeths Antritt der Regierung belebte die Hoffnung aller Glieder des Hauses Holstein. Die Teilnahme der russischen Kaiserin für die Holsteinische Familie war für niemand ein Geheimnis. War es nun die Erinnerung an den frühzeitigen Tod Carls von Holstein, ihres Bräutigams, oder die Erinnerung an ihre in Kiel verstorbene Schwester, oder das Gefühl ihrer hilflosen Vereinsamung in Russland — aber Elisabeth zeigte schon als Czarewna großes Interesse für das Haus Holstein. Mit ihrer Schwester, der Herzogin Anna Petrowna von Holstein, war deren Freundin, Mawra Jegorowna Schepelew nach Kiel gereist. Diese teilte Elisabeth immer ausführliche Nachrichten über ihre Schwester und über ihren Neffen, den Prinzen Peter Ullrich, mit. Elisabeth interessierte sich nicht blos für ihre nächsten Angehörigen, sondern auch für die Brüder ihres verstorbenen Bräutigams, und wünschte deren Bilder zu erhalten.

In einem Briefe der Schepelew aus Kiel vom 22. Oktober 1727 lesen wir: „Was Sie mir schreiben über die Personen [Bilder] der Czesarewna zu melden, habe ich getan, und sie lässt sagen: sobald ein Maler aus Frankreich kommt, wird sie Ihnen gleich die Personen von Bischof und beiden Prinzen schicken; aber in Kiel sind die Maler sehr schlecht ¹)

Dieser Bischof und beide Prinzen waren leibliche Brüder der Fürstin von Zerbst, von welcher die Schepelew bald nach der Verheiratung der Johanna Elisabeth schreibt: „In dieser Woche kommt Prinzessin Elisabeth ihr Mann', d. h. Christian August, der Vater Katharinas. Auf den Wunsch Elisabeth Petrowna's teilte die Schepelew ihr die geringsten Kleinigkeiten über ihren Neffen mit.

Alles das wusste man in Holstein; man wusste auch, dass der Neffe Elisabeth Petrowna's während der zehn Jahre von Anna Ivanowna’s Regierung „der böse Bube“ genannt wurde, „der unsere Ruhe stört.“ Er wurde als ein gefährlicher Prätendent betrachtet und in den diplomatischen Noten „l’enfant de Kiel“ genannt. Anna Ivanowna pflegte unwillig zu sagen: „der böse Bube in Holstein lebt noch“ ²) u. s. w. Und nach solchen 10 Jahren kommt plötzlich die Nachricht von dem Regierungsantritt Elisabeths, welche immer dem Hause Holstein gewogen gewesen war.

¹) Der Bischof von Lübeck, Adolf Friedrich; die Prinzen Friedrich August und Georg Ludwig von Holstein. Es sind überhaupt 9 Briefe der Schepelew gedruckt. Der letzte, Nr. 9, ist ohne Datum und muss der erste Brief sein, da er bald nach dem 30. August 1727 geschrieben ist, was aus den Worten zu ersehen ist: „Am Alexandertage machte die Czesarewna ihn zum Ordenskavalier“, Anna Petrowna aber starb am 4. Mai 1728. Archiv des Fürsten Woronzow. IV, 521.

²) Stelin, 27; Ssolowiew, XXI, 144; Korsakow, Beilage 88.


Die Mutter Katharinens sandte sofort an Elisabeth Petrowna einen Gratulationsbrief, in welchem sie ihr eine lange Regierung wünschte. Als Antwort auf diese Liebenswürdigkeit erhielt die Fürstin Johanna Elisabeth am 14. Januar 1742 folgenden Brief aus Petersburg:

„Durchlauchtigste Fürstin, freundlich geliebte Nichte.

Das Schreiben Ew. Liebden vom 27. Dezember vorigen Jahres, und die in demselben enthaltenen wohlgemeinten Glückwünsche, konnten mir nicht anders als angenehm sein. Da Ew. Liebden das Bild meiner in Gott entschlafenen Frau Schwester, der Herzogin von Holstein, besitzen, welches Bild in früherer Zeit hier war, und von dem preussischen Minister, Baron Mardefeld, gemalt worden ist, so werden Sie mir einen besonderen Gefallen erweisen, wenn Sie mir dasselbe überlassen und zuschicken wollten. Ich bin bereit, diese Dienstfertigkeit bei jeder Gelegenheit wieder zu vergelten.

Ew. Liebden freundschaftlich gewogene

Elisabeth.“

Lange schon hatte man aus Petersburg nicht solche Briefe erhalten! Der „Gefallen“ wurde natürlich erwiesen und das Bild Anna Petrownas nach Petersburg gesandt. Nach diesem Briefe kamen Nachrichten nach Zerbst, von denen die eine erfreulicher war als die andere. Im Januar bestätigte sich das Gerücht von der Reise des Herzogs von Holstein, Peter Ulrich, nach Petersburg, wohin Elisabeth Petrowna ihn berief, als den Enkel Peters des Grossen, der alle Rechte auf die russische Krone besaß. Im Juli ernannte Friedrich II., der Kaiserin von Russland zu Gefallen, den Fürsten Christian August zum Feldmarschall. Im September überbrachte der Sekretär der russischen Gesandtschaft in Berlin, Schriver, der Fürstin Johanna Elisabeth von Zerbst ein Geschenk der Kaiserin von Russland, das mit Diamanten besäte Porträt Elisabeth Petrowna's, im Werte von 18.000 Rubel Silber. Im November wurde der Neffe Johanna Elisabeths im zweiten Gliede, der Herzog von Holstein, zum Thronfolger von Russland erklärt.

Die Prinzessin Sophie Auguste hört in ihrer Umgebung die begeisterten Urteile über die Kaiserin von Russland, deren Einfluss man auch die Gnadenbezeugungen des Königs von Preussen an ihren Vater zuschrieb; sie bewundert die Schönheit Elisabeth Petrowna's und die Brillanten, mit denen das Porträt derselben besetzt ist - und ihre früheren kindlichen Vorstellungen von der Größe Russlands werden durch Augenschein bestätigt. Im Laufe des ganzen Jahres 1742 lebte die dreizehnjährige Prinzessin unter Eindrücken, bei denen die russische Kaiserin und die Bedeutung Russlands eine hervorragende Rolle spielten. Jetzt sprach man in Stettin und Zerbst immer öfter von Russland, in den schmeichelhaftesten Ausdrücken einer Verehrung, welche an Kriecherei grenzte.

Nach diesen Urteilen und diesen Eindrücken bildete sich die Ansicht der jungen Prinzessin über Russland; ihre früheren unklaren Vorstellungen erhielten bestimmtere Umrisse und sie wurde sich dessen bewusst, dass auch sie persönlich die Aufmerksamkeit des russischen Hofes auf sich gezogen hatte. Am Ende des Jahres reiste sie mit ihrer Mutter nach Berlin, wo der berühmte Maler Antoine Paine ihr Porträt malte. Die Prinzessin wusste natürlich, dass dieses Porträt für Petersburg bestimmt war, und dass ihr Onkel, Prinz August, dasselbe der Kaiserin Elisabeth Petrowna überbringen würde.

Fast das ganze Jahr 1743 brachte die Prinzessin mit ihrer Mutter in Berlin oder mit ihrem Vater in Stettin zu. In Stettin erfuhr sie von einer neuen Gnadenbezeugung der russischen Kaiserin an das Haus Holstein — ihr Oheim Prinz Adolf Friedrich wurde auf die dringenden Vorstellungen Russlands zum „Erben der Krone“ Schwedens erwählt. Ende des Jahres 1743 siedelte die ganze Familie nach Zerbst über, um dort im engsten Familienkreise das neue Jahr zu beginnen. Am Schlusse des alten Jahres wurde Russlands viel gedacht und dessen erwähnt, dass das Porträt der Prinzessin der Kaiserin sehr gut gefallen habe. Der 1. Januar 1744 war gekommen. Die ganze Familie versammelte sich am Morgen in der Schlosskirche; gleich nach dem Schlusse des Gottesdienstes brachte eine Stafette aus Berlin einen Brief von dem Ober-Hofmarschall des Großfürsten Peter Feodorowitsch, von Brümmer, aus Petersburg ¹), an die Fürstin Johanna Elisabeth. Hier ist der Brief:

¹) Eine Kopie des Konzeptes wird in dem Reichsarchiv aufbewahrt; das Original befindet sich in dem Zerbstschen Archiv. Siebigk, 129. Die Bedeutung dieses Briefes: siehe Ssolowiew XXI, S20.

„Gnädige Frau!

Ich bin an meinem langen Schweigen nicht so sehr schuld, als Ew. Durchlaucht das Recht haben, vorauszusetzen. Krankheit, die mich seit mehreren Wochen schon nicht verlässt, Ansammlung von Geschäften, guten und schlechten, insbesondere aber die ziemlich gefährliche Krankheit Sr. Kaiserlichen Hoheit des Großfürsten, meines Herrn, von welcher er indessen durch Gottes Gnade vollkommen wieder hergestellt ist, sprechen hinreichend zu meinen Gunsten. In jedem Falle ist, inmitten aller dieser Hindernisse, meine ehrfurchtsvolle Ergebenheit Ew. Durchlaucht unverändert gewesen, und wird es stets bleiben, wenn auch die Äußerungen derselben sich ändern mögen. Trotz meiner vielen täglichen Beschäftigungen hätte ich natürlich — ich gestehe es aufrichtig — schon Zeit finden können, um Ew. Durchlaucht meine Ergebenheit auszusprechen; allein, ich wollte es nicht tun, ehe ich die Möglichkeit erlangt, Ihnen etwas mitzuteilen, was Ihnen sehr angenehm sein wird.

Ich hoffe, gnädige Frau, dass Ew. Durchlaucht vollkommen überzeugt davon sind, dass ich, seit ich mich in diesem Lande befinde, unaufhörlich bemüht bin, an dem Glück und der Größe des allerdurchlauchtigsten herzoglichen Hauses zu arbeiten. Ob ich es erreicht habe, oder nicht, darüber mögen Andere urteilen.

Bei der Verehrung, die ich seit langer Zeit für die Person Ew. Durchlaucht hege, bin ich bemüht gewesen, dieselbe nicht bloß mit leeren Worten, sondern durch die Tat davon zu überzeugen, und habe Tag und Nacht gesonnen, ob es nicht möglich wäre, etwas Glanzvolles zum Vorteil Ew. Durchlaucht und Ihrer hohen Familie zu tun.

Da Ihre Hochherzigkeit und der Adel Ihrer Gefühle mir bekannt sind, trage ich keinen Augenblick Bedenken, Ew. Durchlaucht eine Angelegenheit mitzuteilen, die ich geheim zu halten bitte, damit in der ersten Zeit wenigstens nichts davon bekannt wird.

Im Verlaufe der zwei Jahre, die ich das Glück hatte, an diesem Hofe zu verleben, habe ich oft Gelegenheit gehabt, Ihrer Kaiserlichen Hoheit von Ew. Durchlaucht und Ihren hervorragenden Eigenschaften zu sprechen. Ich habe es mir lange angelegen sein lassen und alle meine Bemühungen darangesetzt, um die Angelegenheit zu einem erwünschten Ende zu führen. Wenngleich mit Schwierigkeiten, so glaube und hoffe ich doch, gefunden zu haben, was das Glück des herzoglichen Hauses machen und vollkommen befestigen wird. Ich kann es ohne Selbstüberhebung sagen, dass ich in dieser Beziehung alles getan habe, was von meinem Eifer und meiner Ergebenheit für Ew. Durchlaucht erwartet werden kann. Jetzt, gnädige Frau, bleibt es Ew. Durchlaucht vorbehalten, selbst die Hand an das Werk zu legen, welches ich mit so gutem Erfolge begann. Ohne mit Vorreden die Zeit zu verlieren, nehme ich mir mit der größten Freude die Ehre, Ew. Durchlaucht mitzuteilen, worum es sich handelt.

Auf namentlichen Befehl Ihrer Kaiserlichen Majestät habe ich Ihnen, gnädige Frau, mitzuteilen, dass die erhabenste Kaiserin wünscht, dass Ew. Durchlaucht in Begleitung der Prinzessin, Ihrer ältesten Tochter, so schnell wie möglich, und ohne Zeit zu verlieren, nach Russland, in die Stadt kommen mochten, wo sich der Kaiserliche Hof gerade befindet. Ew. Durchlaucht sind zu aufgeklärt, um den wahren Sinn der Ungeduld nicht zu verstehen, mit welcher Ihre Kaiserliche Hoheit Sie und die Prinzessin Tochter, von welcher das Gerücht so viel Schönes sagt, hier zu sehen wünscht. Es giebt Fälle, wo die Stimme des Volkes die Stimme Gottes ist.

Zu gleicher Zeit hat unsere unvergleichliche Monarchin mir geboten, vorzubeugen, dass der Prinz, Ew. Durchlaucht Gemahl, nicht mit Ihnen kommt; Ihre Kaiserliche Majestät hat sehr wichtige Gründe, das zu wünschen. Ich denke, es bedarf für Ew. Durchlaucht nur eines Wortes, um den Willen unserer göttlichen Kaiserin zu erfüllen.

Damit sich Ew. Durchlaucht keine Hindernisse in den Weg stellen, damit Sie für sich und die Prinzessin, Ihre Tochter, einige Toiletten anschaffen und die Reise ohne Zeitverlust unternehmen können, habe ich die Ehre, diesem Brief einen Wechsel beizulegen, auf welchen Sie bei dem Vorzeigen desselben sofort Geld ausgezahlt erhalten werden. Die Summe ist freilich sehr bescheiden; allein ich muss Ew. Durchlaucht sagen, dass dieses mit Absicht geschieht, damit die Zahlung einer großen Summe nicht denen in die Augen fällt, welche alle unsere Handlungen beobachten. Damit aber Ew. Durchlaucht bei der Ankunft in Petersburg nicht in Verlegenheit kommen, habe ich Anordnungen getroffen, dass der Kaufmann Johann Ludolf Dohm Ew. Durchlaucht, im Falle Sie es nötig haben, auf der Reise 2.000 Rubel auszahlen wird. Ich wage, mich dafür zu verbürgen, dass Ew. Durchlaucht, sobald Sie glücklich hier angekommen sind, nichts mehr entbehren werden. Ew. Durchlaucht findet hier eine Beschützerin, die für alles Notwendige sorgen wird, damit Sie auf würdige Weise in der Gesellschaft erscheinen können. Es sind alle Maßregeln getroffen, um Ew. Durchlaucht zufrieden zu stellen.

Um die Reise, welche keinen Aufschub leidet, zu beschleunigen, würde Ew. Durchlaucht gut tun, nur eine Staatsdame, ein paar Kammermädchen, einen Koch (in diesem Lande notwendig) und einen Offizier mitzunehmen, der die Anordnungen auf den Stationen treffen müsste. Um die Suite nicht übermäßig zu vergrößern, sind drei oder vier Lakaien für die gewöhnlichen Dienstleistungen hinreichend.

Bei der Ankunft in Riga findet Ew. Durchlaucht dort eine Eskorte vor, welche von Ihrer Kaiserlichen Majestät bestimmt ist, um Sie an den Aufenthaltsort des Hofes zu geleiten. Wenn Ew. Durchlaucht in Riga erfahren, dass der Hof sich in Moskau befindet, so rate ich Ihnen dennoch, gnädige Frau, den Weg über Petersburg und nicht über Plescow zu gehen, da die schlechten Wege und ärmlichen Stationen Ew. Durchlaucht länger aufhalten würden, als der kleine Umweg, wenn Sie die Richtung über Petersburg einschlagen.

Allem Anscheine nach wird sich Ihre Kaiserliche Maj. zwei Wochen nach Neujahr nach Moskau begeben. Damit der Weg von hier nach Moskau Ew. Durchlaucht nicht endlos erscheine, habe ich die Ehre, Sie zu versichern, dass man ihn in 5 — 6 Tagen zurücklegen kann.

Nachdem ich Ihnen alles mitgeteilt, was mir aufgetragen wurde, erlaube ich mir noch hinzuzufügen, dass Ew. Durchlaucht, um eine übergroße Neugierde zu befriedigen, erklären könnten, dass Pflicht und Höflichkeit diese Reise nach Russland von Ihnen fordern, sowohl um Ihrer Kaiserlichen Majestät für das außerordentliche Wohlwollen zu danken, welches Sie dem herzoglichen Hause schenkt, als auch, um die vollkommenste Kaiserin der Welt zu sehen, deren Gnade Sie sich persönlich empfehlen wollen.

Damit Ew. Durchlaucht über alle Umstände, welche sich auf diese Angelegenheit beziehen, in Kenntnis gesetzt sind, habe ich die Ehre, Ihnen mitzuteilen, dass der König von Preussen in das Geheimnis eingeweiht ist Ew. Durchlaucht können also mit ihm darüber sprechen oder nicht, je nachdem es Ihnen gut dünkt. Was mich persönlich anbetrifft, so möchte ich Ihnen ehrfurchtsvoll raten, mit dem Könige darüber zu sprechen, da Sie seiner Zeit und gehörigen Ortes die Folgen empfinden werden, welche natürlicherweise daraus entstehen werden.

An dieser Stelle meines Briefes berief mich Ihre Kaiserliche Majestät zu sich, und geruhte mir zu befehlen, Ew. Durchlaucht noch einmal zu bitten, Ihre Herkunft so viel als möglich zu beschleunigen. Diese göttliche Kaiserin hatte die Gnade, zu sagen, da die Verhältnisse ihr im gegenwärtigen Augenblicke nicht gestatten, den Prinzgemahl Ew. Durchlaucht zu sehen, würde sie nicht zögern, ihn herzuberufen, wenn die Verhältnisse sich änderten. Ich hielt es für meine Pflicht, Ew. Durchlaucht davon zu benachrichtigen, damit Sie für die in Rede stehende Angelegenheit Nutzen daraus ziehen könnten. Herr Lestocq, welcher jederzeit im Einverständnis mit mir gearbeitet hat und den Interessen des herzoglichen Hauses sehr ergeben gewesen ist, hat mich gebeten, Ew. Durchlaucht seine tiefste Verehrung zu bezeugen. Ich muss ihm die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, dass er sich in bezug auf die Interessen Ew. Durchlaucht als ein ehrlicher Mann und eifriger Diener erwiesen hat.

Mein Brief ist so lang geworden, dass ich Ew. Durchlaucht deshalb tausend Entschuldigungen machen muss. Mir bleibt nur noch übrig, hinzuzufügen, dass ich mit der tiefsten Ehrfurcht und achtungsvoller Ergebenheit die Ehre habe zu sein

Brümmer.

St. Petersburg.

Den 17. Dezember 1743.

Nachschrift. Um das Ziel Ihrer Reise besser zu verbergen, könnten Ew. Durchlaucht erklären, dass Sie nach Stettin reisen und von dort direkt nach Russland gehen.

Wenn Ew. Durchlaucht es angemessen finden, könnten Sie bis Riga unter dem Namen einer Gräfin Reinbeck reisen und sich dort erst zu erkennen geben, wo Sie die Eskorte erhalten, welche für Sie bestimmt ist.“

Was war der Zweck der Berufung einer Gräfin Reinbeck und ihrer Tochter nach Petersburg? Dieser Zweck war in der Tat so offenbar, dass der schlaue Brümmer in seinem „langen“ Briefe nicht einmal nötig fand, dessen zu erwähnen. Wenn übrigens in Zerbst auch nur der geringste Zweifel über den Zweck der Reise hätte aufsteigen können, so wäre er durch einen Brief des Königs von Preussen gehoben worden, welcher ein paar Stunden später als der Brief von Brümmer eintraf. ¹) Folgendes schrieb Friedrich II. an die Fürstin Johanna Elisabeth:

„Gnädige Frau, meine Cousine!

Sie wissen unzweifelhaft schon aus den Briefen, die Sie aus Petersburg erhalten haben, wie leidenschaftlich Ihre Majestät die Kaiserin von Russland wünscht, dass Sie mit der Prinzessin, Ihrer Tochter, nach Russland kommen, und welche Maßregeln die Kaiserin getroffen hat, um die Ausgaben zu decken, welche mit dieser Reise verbunden sind.

Die vollkommene Achtung, welche ich für Sie und alles, was Sie angeht, hege, veranlasst mich, Ihnen mitzuteilen, was der eigentliche Zweck dieser Reise ist. Das Vertrauen, das ich in Ihre herrlichen Eigenschaften setze, lässt mich hoffen, dass Sie sich vorsichtig zu meiner Mitteilung einer Angelegenheit verhalten werden, deren Erfolg von der Bewahrung eines vollkommen undurchdringlichen Geheimnisses abhängt. In dieser Überzeugung will ich nicht länger verhehlen, dass ich bei der Achtung, die ich für Sie und die Prinzessin, Ihre Tochter, hege, immer gewünscht habe, derselben ein ungewöhnliches Glück zu bereiten; da ist mir denn der Gedanke gekommen, ob es nicht möglich wäre, dieselbe mit ihrem Vetter im 3. Gliede, dem Großfürsten von Russland, zu verheiraten.

In der Hoffnung, dass es Ihnen nicht unangenehm sein würde, habe ich Befehl gegeben, diese Angelegenheit im tiefsten Geheimnis zu betreiben, und obgleich sich einige Schwierigkeiten in den Weg stellten, besonders die nahe Verwandtschaft zwischen der Prinzessin und dem Großfürsten, so haben sich doch Mittel gefunden, dieselben zu beseitigen. Bis jetzt ist der Verlauf der Angelegenheit ein solcher gewesen, dass ich Grund habe, auf einen glücklichen Ausgang derselben zu hoffen, wenn Sie Ihre Einwilligung geben, und die Reise unternehmen wollen, welche Ihre Kaiserliche Majestät Ihnen vorschlägt.

Da der wirkliche Zweck dieser Reise nur sehr wenigen Personen bekannt ist, und es von äußerster Wichtigkeit ist, denselben geheim zu halten, so glaube ich, dass Ihre Majestät es wünschen wird, dass Sie das Geheimnis auch in Deutschland bewahren, und besonders bemüht sein möchten, dass Tschernischew, ihr Minister in Berlin, nichts von demselben erfährt.

Um den Zweck der Reise noch besser zu maskieren, wünscht Ihre Majestät, dass der Prinz, Ihr Gemahl, Sie diesmal nicht begleitet, dass Sie und die Prinzessin, Ihre Tochter, die Reise mit einer Fahrt nach Stettin beginnen und von dort weiter nach Petersburg gehen, ohne in Deutschland irgend jemand ein Wort davon zu sagen. Überdies erfahre ich, das Ihre Kaiserliche Majestät Befehl gegeben hat, Ihnen durch ein preußisches Comptoir in Petersburg 10,000 Rubel für die Equipagen und die Reisekosten auszahlen zu lassen, und dass Sie bei Ihrer Ankunft in Petersburg weitere 1000 Dukaten für die Reise nach Moskau erhalten werden. Ferner wünscht Ihre Majestät, dass Sie bei Ihrer Ankunft in Moskau Allen sagen möchten, dass Sie die Reise einzig und allein deshalb unternommen haben, um Ihrer Kaiserlichen Majestät persönlich Ihre Dankbarkeit für die Gnadenbezeigungen auszusprechen, die sie Ihrem Bruder und Ihrer ganzen Familie erzeigt.

Das ist alles, was ich Ihnen im gegenwärtigen Augenblick sagen kann. Da ich überzeugt bin, dass Sie meine Mitteilungen mit Vorsicht aufnehmen werden, so wäre es mir außerordentlich schmeichelhaft, wenn Sie mit allem einverstanden sein und mich mit einigen Worten von Ihrer Ansicht über die Sache benachrichtigen wollten.

Ich bitte Sie übrigens, zu glauben, dass ich auch in Zukunft nicht aufhören werde, in dieser Angelegenheit zu Ihren Gunsten einzutreten, und dass ich bleibe u. s. w.

Friedrich.“

Berlin,
30. Dezember 1743.

Diese Briefe ¹) gaben Johanna Elisabeth viel zu denken, und das war natürlich. Gewiss war die Heirat, welche ihrer Tochter bevorstand, eine glänzende, ungewöhnliche, noch nicht dagewesene: In ihrem Geschlechte waren Herzöge, Reichsfürsten, selbst Könige gewesen — vor einigen Monaten noch war ihr Bruder zum Erben der Krone von Schweden erwählt — aber Kaiser zählte sie noch nicht zu den ihrigen.

¹) Die Fürstin freute sich über die Briefe, die sie am 1. Januar 1744 erhielt und „sah in denselben die Erfüllung der Prophezeiung Olearius“ von der glänzenden Zukunft Holsteins. (Ranke III. 127). Wenn Johanna Elisabeth den Olearius auch nicht gelesen hatte, so konnte sie doch seine Ansicht über die vorteilhaften Verbindungen für Holstein kennen und bei dem Lesen der Briefe von Brümmer und Friedrich an dieselbe erinnert werden; das ist wenigstens sehr wahrscheinlich. Ganz unmöglich ist aber Folgendes: Von der jungen Prinzessin ist ein Blatt mit ihrem groß eingemalten zerbstischen Namenszuge übrig; darunter drückt sie in noch sehr unvollkommenen Schriftzügen und Worten die Bewunderung aus, welche die eingegangenen Briefe ihrer Mutter verursachten, als wenn das Orakel für ihr Leben darin liege. In beiden Briefen wurde von der Fürstin die Wahrung des Geheimnisses, selbst ihrem Manne gegenüber verlangt — würde Johanna Elisabeth da wohl die Nachricht ihrer Tochter, die erst im 15. Jahre war, mitteilen? Wo befindet sich dieses Blatt? Jetzt sind alle Dokumente veröffentlicht, die in dem zerbstischen Archiv aufbewahrt wurden und auf die Brautwerbung der Prinzessin von Zerbst Bezug haben — dieses Blatt fand sich dort nicht. Dieser Nachricht kann nicht Glauben geschenkt werden. (Brückner, 19).

Für die Fürstin von Zerbst kam dieser Vorschlag indessen nicht unerwartet. Schon vor zwei Jahren, bei der ersten Nachricht von dem Regierungsantritt Elisabeth Petrownas und der Anerkennung des Herzogs von Holstein als Erbe der russischen Krone, hatte sie begonnen, über die Möglichkeit einer solchen ehelichen Verbindung nachzudenken. Nicht ohne Hintergedanken hatte sie sich beim Antritt der Regierung Elisabeth Petrownas durch ihr schmeichelhaftes Gratulationsschreiben bei derselben in Erinnerung gebracht; nicht umsonst hatte sie sich bemüht, Elisabeth Petrowna durch die Zusendung des Bildes ihrer Schwester Anna Petrowna, der Herzogin von Holstein, einen Gefallen zu erweisen; nicht ohne Absicht hatte sie endlich das Portrait ihrer Tochter durch ihren Bruder August nach Russland geschickt. Jetzt sah sie lächelnd, wie ein jeder von ihren Korrespondenten bemüht war, sich als den Hauptveranstalter der Heirat hinzustellen, welche ihrer Tochter bevorstand — ein offenbares Zeugnis dafür, dass man in Petersburg sowohl als in Berlin der Sache eine grosse Bedeutung beimaß. Weit entfernt, die Wichtigkeit einer solchen Verbindung gering zu achten, begriff sie besser als Andere die Bedeutung derselben — aber was bedeutete das Geheimhalten, das ihr von beiden Korrespondenten so dringend anempfohlen wurde? Warum musste sie Deutschland heimlich verlassen und selbst in Russland den wahren Grund ihrer Reise verborgen halten? Wie konnte das Erreichen dieses Zieles allein von ihrer Verschwiegenheit abhängen? Wer konnte denn bei dem leidenschaftlichen Wunsche der Kaiserin von Russland und bei der sicheren Mitwirkung des Königs von Preussen dieser Angelegenheit hindernd in den Weg treten und den ganzen Plan zerstören?


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte Katharina II. Band 1 Abteil. 1