Das Seeraub-System

Diese Seeräuber zeichneten sich durch eine besondre Eigenheit von allen Piraten aus, die je die Meere unsicher machten. Die Raubgier, der Geiz, die gewöhnlich bei den Seeräubern Alles sind, hatten nur einen untergeordneten Rang bei ihren Unternehmungen, deren Zweck Ehre war. So gesinnt hatten diese Seeräuber Begriffe von Billigkeit und Großmut. Trafen sie auf einen schwachen Feind, so ließen sie einen Teil ihrer Schiffe sich entfernen, und schlugen sich nur mit einer gleichen Anzahl, damit der Sieg keiner Übermacht, sondern nur allein der Tapferkeit zugeschrieben werden könnte. Bisweilen wurde der Streit auch durch einen Zweikampf der beiderseitigen Anführer entschieden, die ans nächste Land stiegen, und so lange kämpften, bis einer stürzte, oder sich für überwunden erklärte. Dieser Kampf dauerte manchmal einige Tage lang; sie ruhten sich aus, aßen und tranken freundschaftlich zusammen; sodann fingen sie immer wieder von neuem an, umgeben von ihren Waffenbrüdern, die einen Kreis um sie schlossen. Hatte der Besiegte mutig gestritten, so trank der Sieger mit ihm, nach alt-scythischer Weise, Brüderschaft, und bekräftigte diesen Bund durch eine besondre Zeremonie. Beide machten Einschnitte in ihre Arme oder Hände; mit dem herausfließenden Blute bestrichen sie ihre Waffen, oder mischten es in ihr Getränke, legten sodann Erdklumpen auf ihre Köpfe, und gelobten sich ewige Freundschaft; dabei schworen sie einer des andern Tod zu rächen, wenn einer von ihnen im Kampf fallen sollte.

Das Wasser war so sehr das Element dieser rauen Seemenschen, dass sie es für schimpflich hielten, im Winter ihre Schiffe zu verlassen, und nicht auf denselben eben so wie im Sommer zu leben. Dagegen war es nach ihren Grundsätzen ehrenvoll, nie unter einem Dache zu schlafen, wo eine Feuerstätte war; noch aus einem Hausgeschirr bei einem großen Feuer zu trinken, welches für eine Weichlichkeit gehalten wurde. Mut war in ihren Augen die größte Tugend; daher auch der Bauernsohn von erprobtem Mut dem Sohn eines Königs die Brüderschaft antragen konnte. Angantyr, ein Gotischer Prinz, machte Schwierigkeit dies einem jungen Bauern, Wiking Torsten, zuzugestehen; der Bauer forderte hierauf den Prinzen heraus, und erkämpfte sein Recht zur Brüderschaft, das der Prinz nun anerkennen musste.


Die Schwedischen, Dänischen und Norwegischen Unterkönige, die Jarlen, die Hersen, und alle Edelleute überhaupt, die sich Achtung erwerben wollten, durchstrichen die Meere als Wickinger oder Seeräuber, wobei sie weder auf Friedens-Verträge, noch auf die bestehenden Traktaten ihrer Könige Rücksicht nahmen. Die Sitte war zu allgemein, die Rohheit der Nationen zu groß; die Räubereien für die Länder zu vorteilhaft; dabei waren die Piraten selbst zu zahlreich und zu mächtig, als dass die Ober-Könige des Reichs diesen Unfug hindern konnten. Nichts blieb ihnen übrig, als sowohl unter den Häuptern als ihren Scharen, Zwietracht zu schaffen und zu nähren, dabei einen Oberräuber gegen den andern zu bewaffnen, welches auch oft geschah. Ein solcher Ober-Seeräuber hatte sechzig, achtzig, auch wohl hundert Schiffe, die nicht allein die Ostsee und Nordsee durchkreuzten, sondern so weit segelten, wie sie mit ihren kleinen Fahrzeugen und ihrer geringen Nautik nur kommen konnten.

Das Christentum setzte endlich dieser Raubsitte ein Ziel. Das Rauben hörte auf eine Ehre zu sein. Von nun an trieb allein die Gier nach Beute die Schlechtesten der Nation zu diesem durch die Gesetze verdammten Handwerk, das nur noch bloß durch die Politik benachbarter Staaten wechselseitig ins Geheim toleriert wurde.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte Gustavs Wasa Königs von Schweden. Band 1