Geographischer Bilderatlas von Europa
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Die Bedeutung guter und charakteristischer Bilder für den erdkundlichen Unterricht ist auch seit langem erkannt worden, und namentlich seitdem die Photographie die Möglichkeit gegeben hat, die Landschaftsformen naturgetreu festzuhalten, hat es an Bestrebungen, ihre Leistungen auch für die erdkundliche Belehrung nutzbar zu machen, nicht gefehlt. Freilich waren diese Bestrebungen in der Hauptsache auf die Herstellung von großen Wandbildern und von Projektionsbildern gerichtet.
An einem fehlte es bisher noch: an einem durchaus auf naturgetreuen photographischen Aufnahmen beruhenden, wohlfeilen geographischen Bilderatlas, der dem einzelnen in die Hand gegeben werden kann. Es fehlte ein Werk, das zugleich dem Schüler immer von neuem die Landschaftsformen und Siedlungsbilder vor Augen führt, und welches das sonst vielleicht nur einmal flüchtig als Lichtbild Geschaute durch die immer wiederholte Betrachtung ins Gedächtnis hämmert; ein Werk, das zugleich auch dem Lehrer zur Vorbereitung dienen kann.
Die Bedeutung des geographischen Bilderatlasses ist aber nicht auf den Schulgebrauch beschränkt; auch jeder gebildete Laie wird ihn mit Nutzen in die Hand nehmen, um mit seiner Hilfe geographisch sehen zu lernen.
Man kann die Natur auf mancherlei Weise betrachten: vom rein ästhetischen, künstlerischen Standpunkt aus, eine Betrachtungsweise, die nur wenige, begnadete Naturen mit Bewusstsein und Verständnis auszuüben vermögen; mit dem Auge des Naturforschers, wobei man sehr viel sieht, was den meisten Menschen entgeht, wobei aber der Blick auf das schöne Naturganze über der Betrachtung seiner einzelnen Seiten, etwa der Pflanzen- oder der Tierwelt, leicht verloren geht. Ebenso müssen die rein geschichtliche und die rein geologische Betrachtungsweise einseitig bleiben. Am umfassendsten ist und bleibt die geographische Naturanschauung, und daher erscheint sie für die vielen, die zu einer bewusst künstlerischen Naturbetrachtung nicht vordringen können, aber doch nicht gedankenlos durch die Landschaft gehen möchten, als die wertvollste. Denn ebenso wie die Erdkunde eine Zentralwissenschaft ist, in der geschichtliche und naturwissenschaftliche Probleme zusammenlaufen und zu einer Einheit verschmelzen, ebenso ist auch die geographische Naturbetrachtung die einzige, welche den Blick auf das Ganze der Landschaft richtet und deren Einzelerscheinungen in ihrem ursächlichen Zusammenhang zu einer höheren Einheit zusammenfasst. Sie führt dadurch zum Verständnis aller Erscheinungen der Erdoberfläche und vermittelt damit einen Kreis von Vorstellungen, der jede Wanderung und jede Reise erst wirklich wertvoll und zur Quelle edler geistiger Freuden und Genüsse macht.
Um aber dergestalt die Landschaft verständnisvoll betrachten, um "geographisch sehen" zu können, ist außer den notwendigen Geographiekenntnissen eine gewisse Übung des Auges notwendig, die natürlich am besten und leichtesten in der Natur selbst unter sachkundiger Führung erworben wird. Da aber eine solche Führung nur verhältnismäßig wenigen zuteil wird, so ist auch hier der geographische Bilderatlas berufen, helfend einzugreifen und an besonders lehrreichen Ausschnitten aus der Natur in das Verständnis der Naturzusammenhänge einzuführen und zur denkenden Betrachtung der Landschaft zu erziehen.
Seinen vorstehend angedeuteten Hauptaufgaben: Ergänzung jedes geographischen Lehr- und Handbuches, Unterstützung des geographischen Gedächtnisses und Einführung in das Verständnis der geographischen Zusammenhänge, besonders der Landschaftsformen, sucht der vorliegende Bilderatlas nachzukommen, indem er eine doppelte Betrachtungsweise einführt. In seinem eigentlichen Hauptteile, dem Bilderatlas, wird jedes Bild mit Hilfe des darunterstehenden erläuternden Textes für sich betrachtet. Die Bilder sind mit der größten Sorgfalt so ausgewählt, dass jedes mal eine Reihe von Ihnen zu einem Gesamtbilde eines geschlossenen Landschaftsgebietes zusammengefügt; keine wichtige Landschafts- und Siedlungsform ist übergangen. Während die Bilderunterschriften gewissermaßen den Zusammenklang der einzelnen Erscheinungen jedes Landschaftsbildes zu einem Naturganzen betonen, hat der dem eigentlichen Bilderatlas beigegebene zusammenhängende Text die Aufgabe, durch vergleichende Betrachtung der Landschafts- und Siedlungsformen den Leser zu eigenen Beobachtungen in der Natur anzuregen.
Die Sammlung des nötigen umfangreichen Bildmaterials gestaltet sich sehr mühsam und zeitraubend. Photographien, die allen wissenschaftlichen und technischen Anforderungen gleichzeitig entsprechen, sind an und für sich schon nicht zahlreich, und die Notwendigkeit, die wichtigsten Landschafts- und Siedlungsformen möglichst vollständig zusammenbringen, zwang überdies zum Verzicht auf viele schöne, aber für den vorliegenden Zweck minder wertvolle und bei dem beschränkten Raum entbehrliche Aufnahmen. Eins sehr wertvolle Unterstützung bedeutete es unter diesen Umständen, dass eine Reihe geographischer und geologischer Universitätsinstitute Deutschlands und Österreichs so wie einige andere wissenschaftliche Institute und Behörden, unter denen besonders das Kgl. Bayerische Oberbergamt in München, die Deutsche Moorversuchsstation in Bremen und die von Herrn Geheimrat Walter in Königsberg i. Pr. zusammengebrachte und verwaltete Bildersammlung zur Landeskunde von Ostpreußen zu nennen sind, ihr vielfach sehr umfangreiches Bildermaterial, soweit nicht urheberrechtliche Bedenken Entgegenständen, für den "Geographischen Bilderatlas" zur Verfügung stellten. Ebenso überließ uns eine Anzahl angesehener Fachleute bereitwilligst sowohl ihre eigenen Aufnahmen wie die sonst in ihrem Besitz befindlichen Photographien, soweit sie darüber verfügen konnten. Ihnen allen sei auch an dieser Stelle unser herzlicher Dank ausgesprochen. Mit den aus diesen Sammlungen ausgewählten Vorlagen sowie den Photographien welche den reichen Beständen des Bibliographischen Instituts entnommen wurden, konnte ein großer Teil des Bedarfs befriedigt werden. Vieles war aber trotzdem noch aus anderen Quellen zu beschaffen, und gerade für das deutsche Vaterland selbst, das, wie billig, an erster Stelle behandelt und mit 250 Bildern im Verhältnis ausführlicher als die übrigen Länder Europas und die außereuropäischen Erdteile dargestellt wird, war die Erwerbung charakteristischer Aufnahmen aus manchen Landschaften, die Abseits vom Reiseverkehr liegen, mit größeren Schwierigkeiten verknüpft als die Beschaffung von Bilder aus den fernsten um am schwersten zugänglichen, aber schon von wissenschaftlichen Reisenden besuchten Teilen der Erde. An einigen Stellen mussten bei der Wahl der Bilder die politischen Grenzen des Deutschen Reichs (nach dem Stande des Jahres 1913) ein wenig überschritten werden.
Leipzig, im August 1913.
Der Verfasser
Verzeichnis der Bilder

Geographischer Bilderatlas von Europa

Geographischer Bilderatlas von Europa, Titel

001. Die Südwestseite von Helgoland. Photographie von F. Schensky in Helgoland

002. Ostfriesische Inseln. Der Außenabfall und das Seebad von Borkum. Phot. von A. Havemann in Großgerau

003. Ostfriesische Inseln. Blick vom Watt auf die Südostseite von Norderney. Phot. von W. Lubinus

004. Nordfriesische Inseln. Das Rote Kliff bei Kampen auf Sylt. Phot. von B. Lassen in Westerland auf Sylt

005. Nordfriesische Inseln. Dünenlandschaft im Innern von Sylt. Phot. von B. Lassen in Westerland auf Sylt

006. Nordfriesische Inseln. Friesisches Bauerngehöft auf Sylt. Phot. von C. Lohmann in Hamburg

007. Halligen. Marschniederungen der Hallig Oland. Phot. von W. Lind in Wyk auf Föhr

008. Halligen. Eine Warft auf der Hallig Oland. Nach Photographie

009. Der Nordseestrand und das Watt bei Büsum in Holstein zur Ebbezeit. Nach Photographie

010. Unbedeichte Vorlandsmarsch bei Husum. Nach Photographie

011. Die Unterelbe bei Blankenese. Phot. von J. Mühler in Leipzig

012. Blick auf die Vierlande oberhalb Hamburgs. Phot. von W. Lindemann