Der Lappe und das Rentier. (Ein Winter in Lappland und Schweden. Von Arthur de Capell Brooke. (Aus dem Englischen übersetzt.)

Die Lappen der Finnmark**) können als die echtesten Proben von dieser besonderen Menschenart angesehen werden. Die Fortschritte der Gesittung, die Ausdehnung des Ackerbaues und andere Gewerbe beeinträchtigen wesentlich die Rechte und beschränken die Freiheit eines Volkes, welches noch in dem ursprünglichen Zustande des Hirtenlebens verharrt. Vor Zeiten zogen die Lappen in einem großen Teil der skandinavischen Halbinsel ungehindert umher, jetzt verengert jeder Tag ihre Grenzen und bringt sie den übrigen Einwohnern näher. Der Lappe, welcher unter dem fortschreitenden Einflusse der Urbarmachung lebt, kann also als eine Art Mischling betrachtet werden, dessen ganzes Wesen durch den Verkehr mit den Ansiedlern in hohem Grade verändert wurde. Dies ist mit den Lappen der Finnmark nicht der Fall. Die natürliche Unfruchtbarkeit ihrer Felder wird sie immer gegen ähnliche Angriffe auf ihre Freiheit schützen; ihre kahlen Gebirge bieten keine Versuchungen, keine Hoffnungen dar, dass der Ackerbau sich bis dahin erstrecke; nach Verlauf von Jahrhunderten werden sie wahrscheinlich noch Dasselbe sein, was sie jetzt sind: rohe, ungebildete Menschen mit einem natürlichen Widerwillen gegen das zivilisierte Leben und heftiger Liebe zur Freiheit, welche ihnen die wilden Gebirge von Kindesbeinen an geben.

*) Ein Winter in Lappland und Schweden. Von Arthur de Capell Brooke. (Aus dem Englischen übersetzt.)


**) Die Finnmark, welche den nördlichsten Teil der wilden und weiten Gegenden bildet, die den Schweden und Norwegern unter dem Namen Lappmark, und südlicheren Nationen unter dem allgemeineren Namen Lappland bekannt sind, bildet das äußerste Ende von Norwegen, wozu sie gehört.


In allen Teilen des schwedischen und russischen Lapplands gibt es eine Anzahl armer Lappen, Skogslappar — Waldlappen — genannt, welche meist in den Waldgegenden wohnen, und deren Rentierherden zu klein sind, um sie in den Stand zu setzen, auf den Gebirgen zu leben und von ihren Tieren allein ihren Unterhalt zu ziehen. Während des Sommers leben sie unter Zelten; allein bei Annäherung des Winters errichten sie sich eine dauerhaftere Wohnung von Rasen und Erdschollen. In letzterer Zeit bleiben sie an demselben Ort und leben teils von ihren Herden, teils von der Jagd auf Wildpret, wovon es einen Überfluss gibt, und dessen beständige Verfolgung sie zu sehr geübten Bogenschützen macht.

Lappländer dieser Art sind in dem norwegischen Lappland unbekannt, da das Land viel Gebirge, aber wenig Wälder hat. Die Lappen in der Finnmark können in zwei Klassen geteilt werden: die Fischer- oder Uferlappen und die Rentier- oder Berglappen, welche Sommer und Winter herumziehen, keine andere Wohnung als ihre Zelte haben und in ihrem ganzen Wesen das Bild nordischer Nomaden bieten. Von diesen sollen einige charakteristische Züge hier mitgeteilt werden.

Die Lebensweise des nomadischen Lappländers im Sommer weicht gänzlich von der im Winter ab. Die Ursachen, welche diese Menschen bewegen oder vielmehr zwingen, ihre weiten und alljährlichen Wanderungen aus den inneren Teilen Lapplands nach der Küste zu unternehmen, sind dringend genug, wie sonderbar sie auch scheinen mögen. Im Sommer sind die inneren Teile von Lappland, namentlich dessen grenzenlose Wälder, von verschiedenen Arten Mücken und anderen Insektenarten so heimgesucht, dass kein Tier ihren unaufhörlichen Verfolgungen entgehen kann. Große Feuer werden angezündet, in deren Rauch das Vieh die Köpfe hält, um den Angriffen seiner Feinde zu entgehen. Die Eingebornen selbst sind genötigt, ihre Gesichter mit Teer zu beschmieren, als das einzige Schutzmittel gegen das Stechen und Beißen derselben. Kein Tier leidet indessen mehr als das Rentier von den größeren Arten der Infekten (Oestrus tarandi), da sie es nicht allein durch ihr Stechen unaufhörlich plagen, sondern auch ihre Eier in der Wunde, die sie auf der Haut machen, niederlegen. Wollte sich der Lappländer in den Monaten Juni, Juli und August in den Wäldern aufhalten, so liefe er Gefahr, den größten Teil seiner Herde zu verlieren; die Tiere würden auch von selbst auf die Gebirge entfliehen, um nicht von der großen Wespe gestochen zu werden.

Aber noch andere Gründe treiben den Lappländer an, nach den Gebirgen, die über die Küsten von Norwegen und Lappland hervorragen, zu ziehen. Während des Winters hat er von den Rentieren, die er zu seinem und seiner Familie Unterhalt geschlachtet, eine große Anzahl Häute und Geweihe aufgehäuft; vielleicht hat er auch Gelegenheit gesunden, einige Bären zu erlegen; auch mag er einige Fuchs-, Vielfraß- und Marderfelle gesammelt haben. Die Federn von den Berghühnern, die er schießt oder in Schlingen fängt, werden ebenfalls aufbewahrt. Alle diese Dinge sind für ihn wichtige Handelsartikel, und indem er dieselben an die Kaufleute der Küsten vertauscht, wird er in den Stand gesetzt, sich andere Waren zu verschaffen, die er im Winter braucht, als: grobes Tuch, Mehl, Pulver und Tabak.

Was den Lappen ferner an die Küsten treibt, ist das Salzwasser der See, das seine Rentiere notwendig ein Mal des Jahres trinken müssen. Sobald die Rentiere das Meer zu Gesicht bekommen, eilen sie in vollem Lauf samt und sonders auf dasselbe zu und schlürfen das Wasser wie einen Labetrunk, obwohl man sie später nicht mehr davon trinken sieht. Man erzählte mir, dieses Trinken sei sehr wirksam zur Vernichtung der Larven der großen Wespe, welche ihre Eier in die Haut des Tieres legt, bevor es die Wälder verlässt. Der Instinkt treibt es zu diesem Heilmittel hin.

Mit dem Anfange des Juni fängt der Lappländer feine Wanderung an. Der Boden ist um diese Zeit gewöhnlich vom Schnee befreit, folglich fährt er nicht länger auf Schlitten. Er lässt daher diese samt allen seinen Wintergerätschaften zurück, als eine zu große Last auf seinem Sommerzuge, und verwahrt sie in dem Vorratshause, das fast jeder Lappe in der Nähe der Kirche besitzt, die im Winter den Mittelpunkt ihres Aufenthaltes bildet.

Der Weg, den er zurücklegen muss, wechselt von 2 — 300 (engl.) Meilen, je nach der Lage der Küste, die er aufsucht. Die Gesundheit und Sicherheit der Herde ist der Gesichtspunkt, nach welchem die Gegend ausgewählt wird; die Bequemlichkeit des Menschen kommt hierbei nicht in Betracht, da dieser ganz von seinen Rentieren abhängt. Die vielen Inseln an der westlichen Küste von Norwegen und Lappland werden als Sommeraufenthalt vorgezogen, sowohl wegen der frischeren Luft, als der größeren Sicherheit, die sie gegen Wölfe und Bären gewähren. Wenn diese Raubtiere auch, durch den Geruch der Rentiere angezogen, gelegentlich hinüberschwimmen, so werden sie doch alsbald von den wachsamen Lappen bemerkt und zurückgescheucht, was um so leichter wird, da kein Wald vorhanden ist, in welchem sie sich verbergen könnten. Um die Inseln zu erreichen, muss die Herde oft einige (engl.) Meilen von dem festen Lande aus schwimmen, was ohne Gefahr abläuft.

Die Inseln bieten zugleich dem Lappländer viele Vorteile, denn hier sind bequeme Stationen für den Fischfang und gute Häfen; die Fische kommen am zahlreichsten in die vielen Buchten und engen Kanäle zwischen denselben, und das ladet natürlich die Kaufleute ein, sich daselbst anzusiedeln.

Der Lappländer begibt sich dann nach der Fischereistation des Kaufmanns; und wenn ein Trunk Salzwasser der Gesundheit seiner Herde notwendig ist, so scheint er einen Schluck Branntwein als unentbehrlich für die seinige zu halten. In der Bude des Kaufmanns findet man ihn bei jeder sich darbietenden Gelegenheit, und seine Begierde nach geistigen Getränken geht so weit, dass der ganze Betrag für seine Tierfelle, Pelze und andere Handelsartikel oft für Branntwein vertauscht wird, so dass er, im Begriff nach seinen Winterquartieren zurückzukehren, nicht selten, obwohl mit großem Widerwillen, genötigt ist, einen Teil seiner Herde zu verkaufen, um sich mit den unentbehrlichsten Dingen versehen zu können.

Die häusliche Einrichtung und Wirtschaft des Berglappen ist äußerst einfach. Er wählt für sein Gezelt eine bequeme Lage an den Ufern eines Sees, wo nicht allein Wasser leicht zu haben ist, sondern auch Schutz vor den gewaltigen Winden, die leicht die winzige Wohnung wegraffen würden.

Das Zelt selbst (Lawo) ist buchstäblich wenig mehr als ein Lumpen von einer Art groben Tuchs, im Norden unter dem Namen „Wadmal“ bekannt, welches hauptsächlich in Schweden und Norwegen gemacht wird und einen Hauptartikel des Handels mit den Lappländern bildet. Viel von diesem Tuche wird auch von den Küstenlappländern gewoben, die es gegen Rentierfelle an den Gebirgslappen vertauschen, um aus den Fellen ihre Winterkleider und Betten zu machen. Dieses von ästigen Birkenstämmen unterstützte Zelt bildet seine einzige Wohnung, und unter diesem schwachen Gedeck hält der Gebirgs- und Lappländer der Finnmark die lange dauernde strenge Kälte der Wintermonate in den inneren Gegenden aus. Die Höhe des Zeltes ist ungefähr 6 Fuß, und der ganze Umfang des Innern übersteigt selten 15—18 Fuß. In diesen engen Raum drängen sich der Lappländer, sein Weib und seine Kinder und sehr oft eine zweite Familie, die dem Mitbesitzer der Herde gehört, zusammen, und lassen noch Ecken für ihr einfaches Hausgerät, als Näpfe, eiserne Töpfe, Löffel, hölzerne Kästchen usw. übrig. Dabei bleibt noch immer ein Plätzchen für die Hunde, die treuen Wächter der Herde, welche ich zu zwanzigen als Genossen eines Zeltes gesehen habe, wovon freilich viele auf den Leibern ihrer Herren eine bequeme Ruhestätte fanden. In der Mitte ist das Feuer, von einigen großen Steinen eingeschlossen; ein Teil des Rauches geht oben durch die Öffnung des Zeltes, der übrige erfüllt den unteren Raum fast immer mit einer dicken Wolke, hüllt die Bewohner gänzlich ein, so dass der Eintretende sie kaum erkennt, und fällt dem Fremden beißend in die Augen. Mir war der höchste Grad von Kälte noch erträglicher vorgekommen, als eine Stunde in einem lappischen Zelte. Der Lappländer gewöhnt sich früh an alle Unbequemlichkeiten, und eben das dichte Zusammengedrängtsein ist für ihn eine Hauptquelle von Wärme und Behaglichkeit, die ihm die strenge Winterkälte besiegen hilft, und zugleich vorbereitet, die für jeden Anderen unerträgliche Hitze im Sommer, die aus den nämlichen Ursachen entsteht, da das Zelt unverändert bleibt, zu ertragen.

Oben an der Spitze des Zeltes, dicht an der Öffnung für den Rauch, ist eine Art Reck aufgehangen, worauf die Käse gelegt werden, um schneller zu trocknen. Das Innere des Zeltes ist gewöhnlich mit Birkenzweigen, an welchen das Laub gelassen ist, bestreut, und darauf eine Decke von Rentierfellen gelegt, welche dem Lappländer in allen Jahreszeiten zum Bette dient. Der einzige Eingang zum Zelt ist durch eine schmale Öffnung oder einen Schlitz an der einen Seite, vor welcher ein Lappen hängt, welcher, in die Höhe gehoben, von selbst wieder in seine vorige Lage zurückfällt und die äußere Luft abhält. Die Gebirgszelte, welche ich in Lappland antraf, waren nie ohne eine Art Speisekammer in ihrer Nähe. Die Errichtung derselben ist eben so einfach, wie die des Zeltes: ein paar Zweige in Form eines Dreiecks in die Erde gesteckt und grobes Tuch darüber gespannt. Besonders dienen diese kleineren Hütten zur Aufbewahrung der Käse.

Die Gebirgslappen der Finnmark sind meistenteils wild und roh von Ansehen, Kleidung und Manieren. Man bemerkt an ihnen einen Grad von Trotz und stolzer Unabhängigkeit des Geistes, die man bei den Bewohnern der Ebenen des russischen Lapplandes nicht wahrnimmt. Ihre Gemütsart ist finster und verdrießlich, durch ein Geschenk aber leicht gemildert. Die Gastfreiheit, welche die meisten halb- und nicht zivilisierten Völker auszeichnet, ist bei ihnen nicht zu bemerken und wird durch ihren Hang zum Misstrauen verdunkelt. Ein Fremder, der ohne Begleitung eines seine Lage und Wünsche erklärenden Dolmetschers oder ohne ein besänftigendes Geschenk plötzlich vor einem dieser Lappen erschiene, würde nicht bloß keine Gastfreundschaft finden, sondern sich auch einiger Gefahr aussetzen. Entferne indes sein natürliches Misstrauen, überzeuge ihn, dass er keine Ursache hat, Furcht vor dir zu hegen, erkläre ihm, was dich bewegt, seine Wüste zu besuchen, und unterstütze deine Rede mit einem Glase Branntwein oder einem Päckchen Tabak: so wirst du ihn ganz umgewandelt, zu jedem Dienst bereit finden. Aber das Edle des Arabers bekommt er nie. Wo die Pechtannen und die Birken nicht wohl mehr gedeihen und wachsen können, da scheint auch die menschliche Natur mangelhaft bleiben zu müssen. Sie sinkt im Kampfe mit der Not und dem Klima. Die feineren Gefühle des Lappländers müssen durch Branntwein hervorgelockt werden, und wie im Morgenlande ein Besuch durch Geschenke angekündigt wird, so mildert auch nur das Glas ihre feindselige Gesinnung.

Die Kleidung der Fjeld-Finner (Gebirgs-Lappen) unterscheidet sich nicht sehr von der Tracht der übrigen herumziehenden Stämme in den anderen Gegenden von Lappland. Im Winter sind sie ganz mit Rentierfell bekleidet. Während der Monate Juli, August und September, von denen nur die zwei ersteren nicht zu dem „Winter“ gehören, zwingt sie indessen die heiße Witterung, statt des Pelzes einen Rock von dem Wadmal anzuziehen, der mit einem breiten ledernen Gürtel, woran ein Messer hängt, um den Leib festgebunden wird. Diese Gappe (Sommerrock) reicht gerade bis unter die Knie; unter dem Rock werden lange Beinkleider getragen, welche aus dünnem Leder junger Rentiere verfertigt werden. Auf den Knöcheln kommen sie mit den Komagers, einer Art lederner Socken, zusammen. Auf dem Kopfe wird eine kleine niedrige Kappe von Tuch (Gappie), an allen Seiten mit Pelzwerk von Rentier eingesaßt, getragen. Doch trifft man auch mitten im Sommer Gebirgslappen beiderlei Geschlechts, die ganz in Fellen stecken. Die Hitze dieser Kleider, namentlich auch der von dem dicken und fest gewebten Wadmal, würde unerträglich sein, wenn der Rock nicht sehr weit gemacht und vorn teilweise offen wäre. Kein Hemd wird darunter getragen, da Leinwand ein Artikel ist, womit die Lappländer fast ganz unbekannt sind, so wie sie auch die Strümpfe nicht kennen, indem sie ihre bloßen Füße in die Komagers stecken, welche mit weichem, trockenem Gras, Sena genannt, ausgestopft werden. Die Kleidung der Frauen ist ganz wie die der Männer.

Wenn von den Lappländern im Allgemeinen die Rede ist, so muss man gestehen, dass sie eine kleine Rasse sind, wie alle nördlichen Völkerschaften, die wahrscheinlich von einem Stamme sind. Es ist jedoch bemerkenswert, dass die Lappen der Finnmark nicht so klein sind, als die in den übrigen Teilen von Lappland, wenn sie auch einige Grade südlicher liegen. Ich schreibe die überwiegende Größe der norwegischen Lappländer der freieren und reineren Gebirgsluft zu, welche sie größer, rüstiger und mutvoller macht. Darum sind sie auch größer als die, welche an der Küste leben, um ihren Unterhalt durch Fischfang zu gewinnen, indem letztere beständig den Nebel des Meeres einatmen. Die gewöhnliche Größe der Gebirgslappen ist fünf Fuß und fünf Fuß zwei Zoll. Leute von fünf Fuß fünf Zoll sind eine Seltenheit.

Die auszeichnenden Züge der Rasse sind kleine, längliche Augen, hohe Backenknochen, ein breiter Mund und ein spitziges Kinn mit wenig oder gar keinem Bart. Ihr Haar ist gewöhnlich braun oder von dunkler Farbe, während die Küstenlappen meist helles Haar haben. Ihre Hände und Füße sind, wie bei den Eskimos, klein; aber der ganze Bau ist knochig und muskelstark. Die Stimme ist schwach und klingt dem Ohr des Fremden etwas quiekend.

Was die Farbe der Haut anbetrifft, so fand ich dieselbe nicht dunkelbraun, wie sie oft beschrieben wird, sondern von Natur weiß, und nur durch den Rauch in der Hütte und das Leben im Freien gebräunt. Hatte ich doch selbst während meines Aufenthalts unter diesen Menschen eine braune Farbe bekommen, die sich erst in Stockholm wieder verlor. Eine sehr strenge Kälte bringt in vielen Fällen dieselben Wirkungen hervor, als sehr große Hitze.

Der Lappländer ist sowohl von Natur als aus Not ein Nomade. Da sein Unterhalt völlig von seinen Rentieren abhängt, welche ganz frei und sich selbst überlassen sind, so kann man sagen, dass seine Bewegungen durch sie geleitet werden, und dass seine ganze Lebensweise durch sie bestimmt wird. Die Anzahl der Rentiere, die zu einer Herde gehören, ist von 300 — 500; mit einer solchen Herde kann ein Lappe sich wohl befinden und leidlich leben. Er kann im Sommer eine hinreichende Menge Käse machen für das Bedürfnis des Jahres; und im Winter kann er so viele Rentiere schlachten, dass er und seine Familie fast beständig Fleisch essen können. Mit 200 Rentieren kann ein Mann mit kleiner Familie sich so einrichten, dass er auskommt. Hat er nur 100, so ist sein Auskommen sehr unsicher; bei 50 ist er nicht mehr sein eigener Herr, kann nicht mehr eine eigene Wirtschaft führen, muss vielmehr seine kleine Herde mit der eines reicheren Lappen vereinigen und verrichtet nun die Dienste eines Knechtes, indem er die Herde begleitet und hütet, nach Hause zum Melken bringt usw. Es geschieht auch häufig, dass, wenn die Herde eines Lappländers durch Krankheit oder Unglück bis auf diese Zahl herunter kommt, er den Überrest einem Andern verkauft und sich selbst nach der Seeküste begibt. Da sucht er entweder Arbeit bei den norwegischen Ansiedlern, oder, was noch häufiger der Fall ist, er lässt sich an den Ufern einer der benachbarten Meerbuchten auf der Küste nieder, treibt den Fischfang zu seinem Unterhalt und wird aus einem Gebirgslappen ein Küstenlappe. Aber die Sehnsucht nach dem freien Nomadenleben verlässt ihn nicht, und zuweilen gelingt es ihm, die frühere Lebensart wieder zu beginnen.

Ein Lappländer, der Herr einer Herde von 1.000 Rentieren ist, wird als ein reicher Mann angesehen, obgleich die Beispiele nicht selten sind, dass einige 1.500, ja 2.000 haben.

Das Leben dieser Menschen ist einer beständigen Veränderung unterworfen und wechselt zwischen größter Untätigkeit und größter körperlicher Anstrengung, zwischen höchstem Überfluss und Mangel, zwischen höchster Kälte und Hitze. Wenn der Lappe hungrig ist und seine Esslust ungehindert befriedigen kann, so ist er ganz gefräßig; die Masse, welche er verschlingt, ist ganz erstaunlich, und wie die wilden Tiere des Waldes isst er so viel, um auf einige Tage satt zu sein, falls er einem unvermuteten Mangel ausgesetzt werden sollte. Während der Wanderzeit im Sommer ist indes die Nahrung des Lappländers außerordentlich einfach und spärlich. Da genießt er nicht mehr seine Lieblingsspeise, das Rentierfleisch: dies ist die leckere Winterkost. Im Sommer ist er nur darauf bedacht, seine Herde zu vermehren. Er begnügt sich mit der Milch seiner Tiere und den Überbleibseln von Lab und Molken nach der Bereitung der Käse. Von der Milch genießt er sparsam und ist geizig damit, denn ein Rentier gibt nicht viel Milch, und sie muss für den Käse verwendet werden, der auch für den Winter vorhält. Da die Herde nur des Sommers gemolken wird, so setzt er, wenn dieser zu Ende geht, etwas Milch bei Seite, um diese gefrieren zu lassen, die ihm dann nicht bloß zum eigenen Genuss während des Winters, sondern auch zu einem Handelsartikel dient, der wegen des großen Wohlgeschmacks sehr gesucht wird.

Als die Lappen in der Nähe von Fuglenäs verweilten, hatte ich das Glück, zuweilen etwas Rentiermilch zu meinem Frühstück abzubekommen (was sehr schwer hält), und ich fand den Geschmack so köstlich, dass ich meine, ein mit Muße gesegneter Feinschmecker würde seine Zeit nicht verschwenden, wenn er einen Abstecher nach der Finnmark auf seinen Reisen machte. An Farbe und Dicke gleicht die Milch einem fetten Rahm; ihrer Fettigkeit willen kann man nur wenig genießen, obschon der Geschmack höchst lieblich und gewürzhaft ist, letzteres wegen der mancherlei Bergkräuter, die das Tier im Sommer frisst.

Sonderbar ist es, dass der Käse von dieser schönen Milch hart, weiß von Farbe, unangenehm schmeckend und nur dem Lappländer genießbar ist. Die Zubereitung ist sehr einfach, indem man die Milch in einem großen eisernen Topfe über das Feuer stellt, wo sie mit Hilfe des Labs aus dem Magen des Rentiers schnell gerinnt, dann gepresst und, nachdem die Molken davon getrennt sind, in kleine Formen von geringer Tiefe gebracht wird.

Die gewöhnliche Größe des Käses ist die eines kleinen Tellers, und er ist nicht viel dicker als einen halben Zoll. Es ist möglich, dass diese Dünne auf seine Güte Einfluss hat, da, indem er geschnitten wird, die harte Rinde den größten Teil des Käses bildet. Schlecht, wie er ist, wird er von den Lappen, die ihn sowohl roh als geröstet essen, sehr geschätzt; in letzterem Zustande erscheint er auf den Tischen der Kaufleute und ist dann etwas schmackhafter. Seiner scheinbaren Härte und Trockenheit ungeachtet tröpfelt von ihm, wenn er auf das Feuer gelegt wird, ein fettes, reines Öl, das man sehr wirksam findet gegen die Wirkungen des Frostes; denn auf den erfrorenen Teil gelegt, verhindert es den kalten Brand, der leicht dazu kommt, wenn man das Reiben mit Schnee versäumt hat.

Da der Käse eine viel größere Nutzbarkeit hat, als die Butter, zu der Brod erfordert würde, das die Lappen nicht kennen, so wird aus der Rentiermilch fast nie Butter gemacht. Diese ist immer ganz weiß.

Der Lappländer bringt zuweilen eine Veränderung in seinen Speisen hervor, dadurch, dass er Heidelbeeren, Zwergmaulbeeren und ähnliche Früchte seiner Gegend in die Molken mischt, nachdem er sie vorher zu einem dicken Saft eingekocht hat. Nicht weniger gern essen sie auch die Angelikawurzel, die gut gegen den Skorbut sein soll. Darum mögen sie auch für das Blut des Rentiers so große Vorliebe haben; beim Schlachten des Tieres wird es sorgfältig gesammelt und aufbewahrt und in verschiedenen Gerichten zubereitet. Warm genossen, soll das Blut ein sicheres Mittel gegen den Scharbock sein.

Die geringe Entfernung, in welcher die Herden von Fuglenäs waren, setzte mich in den Stand, ihr Leben und Treiben fast jeden Tag zu sehen. Besonders malerisch und für Lappland charakteristisch war der Anblick des Abends zur Melkzeit, wenn sich die Herde um die Gamme (das Zelt) versammelte. Auf allen Höhen rund umher wird Alles in einem Nu voller Bewegung und Leben. Die geschäftigen Hunde bellen überall, und treiben die Herden immer näher; die Rentiere springen und rennen, stehen still und springen wieder in einer unbeschreiblichen Mannigfaltigkeit von Bewegungen. Welch schönen und majestätischen Anblick gewährt es, wenn das weidende Tier, von dem Hunde geschreckt, sein Haupt erhebt und seine breiten und mächtigen Augsprossen zeigt! Und wenn es läuft, wie flink und leicht ist sein Schritt! Nie hören wir seinen Fußtritt auf der Erde, und nur das beständige Knarren seiner Kniegelenke, als wäre es durch die Wiederholung elektrischer Schläge hervorgebracht; ein sonderbares Geräusch, das wegen der Menge von Rentieren, die es hervorbringen, in großer Ferne gehört wird. Hat endlich die ganze Herde die Gamme erreicht, so stehen die Tiere still, ruhen aus oder springen zutraulich herum, spielen mit ihren Geweihen gegen einander, oder umringen gruppenweis einen Moosstock, um ihn abzuweiden. Während die Mädchen von einem Tiere zum andern mit ihren Milchgefäßen herumlaufen, wirft der Bruder oder der Knecht einen Strick von Bast um die Augsprossen des Tieres, das ihm die Mädchen bezeichnen, um es heranzuziehen. Das Tier sträubt sich gewöhnlich und will der Halfter nicht folgen; und das Mädchen lacht und freut sich über die Mühe, welche dies verursacht. Auch lässt es zuweilen aus Mutwillen ein Rentier wieder los, damit es noch einmal für sie eingefangen werde. Unterdessen hört man den Vater oder die Mutter schelten wegen des Mutwillens, der oft die Wirkung hat, die ganze Herde scheu zu machen. Wer würde bei diesem Schauspiele nicht an Laban und Lea, Jakob und Rahel denken? Wenn die Herde sich zuletzt hinstreckt, so viele hundert Tiere auf einmal rund um die Gamme, so bilden wir uns ein, ein ganzes Lager zu sehen, den Befehlshaber des Ganzen in der Mitte.

Wir müssen die Vorsehung bewundern, welche ein Tier geschaffen hat, das dem Menschen es möglich macht, unter dem Schnee und Eis der Polarzone auszudauern, und ihm das ganze übrige in Kälte erstarrte Naturleben ersetzt.

So anmutig und zierlich in seinem Äußern, als etwa das Pferd und der Hirsch, ist freilich das Rentier nicht; denn es hat einen kurzen, dicken Hals, welcher macht, dass das Tier, statt den Kopf in die Höhe zu halten, ihn in einer gebückten Stellung trägt, die fast eine gerade Linie mit dem Rücken bildet. Die eigentümliche Bildung und Stärke des Halses, der Schultern und des Vorderbuges deuten schon darauf hin, dass das Tier zum Ziehen bestimmt sei; die Muskelkraft der Lenden und die Dicke der Knochen bestätigen dies. Die Hufe sind dem Lande wohl angepasst; statt schmal und spitzig zu sein, wie die Hufe der Rehböcke und Damhirsche, sind sie sehr breit, platt und weit; auch hat das Rentier es in seiner Gewalt, beim Niedersetzen den Huf auszubreiten oder zusammenzuziehen, je nach der Beschaffenheit der Oberfläche, auf der es sich bewegt. Wenn der Schnee auf dem Boden liegt, so gibt ihm die Breite seiner Hufe, die es dann so weit macht, dass sie einem Pferdehuf gleichkommen, eine feste Haltung auf dem Schnee, und hindert es, so tief hineinzusinken, als es sonst geschehen würde, besonders nach frischem Schnee, dessen Oberfläche noch nicht gefroren ist.

Die Augsprossen (Hörner) des Tieres sind breit und sehr zierlich, auch während des vornehmsten Teiles vom Jahre mit einem weichen, dunkeln, samtartigen Flaum bedeckt, der bis zum Winter bleibt. Die Hörner beginnen im Mai aufzuschießen und in einem Zeitraume von sieben bis acht Wochen erreichen sie ihre völlige Ausbildung; die Böcke bekommen die ihrigen zuerst, die Kühe zuletzt, werfen aber die ihrigen nicht vor dem Frühlinge ab. Weil diese Tiere das Geweih so notwendig brauchen (zum Aufscharren des Schnees), so gab die Natur auch dem Weibchen Hörner.

Das schnatternde und klappernde Getöse, welches gehört wird, wenn das Tier geht, kommt von dem Zusammenziehen der Hufe beim Aufheben von dem Boden und von dem daraus folgenden Schlagen der inneren Teile im Hufe gegen einander. Dieses Geräusch ist von keinem unbeträchtlichen Vorteil, da es die zerstreute Herde sammelt. Die Rentiere mit ihrem feinen Gehör können es in bedeutender Ferne hören.

Kaum hat wohl irgend ein anderes Geschöpf ein so dickes Fell als das Rentier, das sich selbst, wie die Menschen, damit gegen die Strenge des Klimas schützt. Von allen Kleidern, welche die Bewohner der Polargegenden tragen, kann keins mit den von Rentierfellen gemachten verglichen werden in Bezug aus die Wärme. Darum besteht die Winterkleidung des Lappen ganz aus Rentierfellen. Die Haare darauf stehen so dick und dicht, dass, wenn man sie auf irgend eine Weise trennen wollte, um die bloße Haut zu decken, dies gar nicht möglich ist. An dem niedern Teile des Halses verstärkt noch ein Haarbüschel den natürlichen Schutz des Tieres gegen die Kälte.

Die Farbe ist während des Sommers viel dunkler als im Winter. Im Anfang des Sommers, wo das Tier eine neue Behaarung erhält, ist das Haar dünn, nimmt aber gegen den Winter hin außerordentlich an Dicke zu, bekommt eine graubraune Farbe, und die Seiten, Brust und Unterleib sind dann grauweiß. In mancher Herde trifft man auch ein Paar ganz weiße Rentiere an.

Die Rentierkuh wirft gegen Ende Mai ein Junges, während es noch Winter ist, und der Schnee die Erde bedeckt. Zögert der Sommer mit seiner Ankunft, so tritt oft großer Mangel an Milch ein. Das gewöhnliche Alter des Rentiers ist neun oder zehn Jahre; seltener bis fünfzehn Jahre, noch seltener sechzehn.

Im Sommer lebt das Rentier nicht bloß von Moos, sondern streift die Blätter von der Birke, Weide und Espe, besonders der ersteren, begierig ab, frisst auch das junge Gras und die zarten Sprossen der Sträucher auf den Bergen und mancherlei duftiges Kraut, das der warme Sonnenstrahl schnell hervorlockt. Im Winter ist aber, außer einigen Leberkräutern, das Rentiermoos seine einzige Nahrung. Dieses Gewächs, das die Vorsehung so reichlich über ein Land verbreitet hat, wo die größte Pflanzenarmut herrscht, ist äußerst nahrhaft, und selbst die Kühe, wenn sie davon fressen, geben mehr Milch, als von jedem andern Kraut.

Kein Geschöpf wird mehr von der Hitze angegriffen, als das Rentier; darum findet man sie, wenn die Witterung am heißesten ist, und das Thermometer von Fahrenheit bis auf 90 Grad steigt, sogar am Nordkap selbst, immer auf der Spitze der Gebirge, die Stellen aufsuchend, wo noch Schnee liegt; und wenn ein Windhauch entsteht, so kehren sie sich noch der Seite hin, wo er herkommt, und ziehen auf diese Weise mehrere Meilen von dem Orte weg, wo sie geweidet haben. Echte Geschöpfe der Polarwelt! Selbst ihre Größe und Kräftigkeit nimmt nicht wie bei den Pflanzen und meisten anderen Tieren ab, je weiter sie nach Norden vorrücken, sondern zu. Die lappländischen Tiere der Gebirgsfinnen sind im Stande, eine Last von zirka 300 Liespfund (à 20 Pfund) zu ziehen, obwohl man ihnen nur 240 Liespfund zuteilt. Der Schlitten (Pulk) kann nach seiner Einrichtung nur von einem Rentiere gezogen werden. In Sibirien und Kamtschatka gebraucht man das Tier auch zum Reiten, wozu es die Lappländer nicht verwenden. Die Schnelligkeit, mit der es die größten Lasten zieht, ist außerordentlich, denn sie beträgt im Durchschnitt acht Meilen in der Stunde, wohl zu merken, auf gebirgigem Terrain.

Der Gebirgslappe bricht mit seinen Herden auf, sobald das Laub von den Bäumen fällt, und zieht sich von der Küste zurück. Dieselben Umstände, die ihn nötigen, jetzt zurückzukehren, sind eben so dringend, als die ihn zu Anfang des Sommers vermögen, die Küste aufzusuchen. Der dringendste Grund ist ohne Zweifel die Seltenheit dessen, was der Herde am notwendigsten ist, nämlich des Rentiermooses, das an der Küste von Finnmark und auf den Inseln fast gar nicht zu finden ist, aber je weiter in das Festland und in die Wälder hinein immer reichlicher wächst, namentlich auf niedrigem Moorboden. Darum hat auch die Finnmark nicht jenen Überfluss, den die Ebenen und Moräste des russischen Lapplandes darbieten. Da sind oft unermessliche Strecken mit dem Moose bedeckt, dessen weißliche Farbe ihnen das Ansehen einer beschneiten Fläche gibt.

Ferner ist aber auch der Schutz, den zur Winterszeit das Innere der Wälder vor den heftigen Stürmen verleiht, ein wichtiger Grund, die Winterquartiere hier aufzuschlagen; sodann auch der reiche Vorrat an Brennholz, woran es der Küste fehlt — und endlich das jagdbare Wild, das er im Walde findet.

Die Abreise geht also von Statten. Nachdem der Lappe sein Zelt abgeschlagen hat, so wird es mit den Stangen, die es aufrecht erhielten, auf den Rücken eines Rentieres gepackt. Seine Käse und andere Esswaren, die er für den Winter angekauft hat, desgleichen die wenigen Hausgeräte, werden in eine Art Korb von Zweigen und Bast verpackt, oben mit Fellen und Birkenrinde zugedeckt und dann zugeschnürt. Ein solcher Korb hängt an jeder Seite des Tiers; zuweilen bloß einer, wenn auf der andern Seite die Wiege mit dem Kinde hängt. Diese Wiege ist in der Form eines Schlittens aus Holz gemacht, offen, aber mit einer Lederdecke über dem Kopfe des Kindes, wie auch mit Rentiermoos und einem jungen Rentierfell gepolstert *). Sind zwei kleine Kinder da, so werden zwei Wiegen auf jede Seite des Tieres gehängt, gerade wie die Körbe. Die Familie selbst geht zu Fuß; ein Teil derselben zieht an der Spitze und gibt Acht auf die Lasttiere. Dann folgt die Herde; die Nachhut wird von den übrigen Lappländern und den Hunden gebildet.

*) Diese Wiege wird an die Bäume gehängt, wenn Mutter und Mädchen mit der Herde beschäftigt sind, so hoch, dass das Kind vor Raubtieren sicher ist. Durch die Bewegung des Windes wird die Wiege von selbst geschaukelt und das Kind in Schlaf gelullt. Sollte es aufwachen, so zieht der Anblick der über seinem Kopfe hängenden Knöpfchen, die von der Luft an einander schlagen, seine Aufmerksamkeit an und unterhält es, bis es wieder einschläft. — Will die Mutter das Kind auf einem Zuge mitnehmen, so wird die Wiege auf ihrem Rücken befestigt, so dass der Kopf des Kindes über ihren Schultern erscheint. Da das Ganze wenig wiegt, und die Mutter ihre Hände frei hat, so kann sie ungehindert ihre Geschäfte verrichten. Gegen die Sonne und die Mücken ist oben an der Wiege ein Stück Tuch befestigt, das die Trägerin nach Gefallen herablässt.

Der Sorgfalt des Lappländers ungeachtet trifft es sich zuweilen, dass ein oder zwei Rentiere zurückbleiben, die sich vorher von der Herde verirrt haben. Diese findet er gewöhnlich wieder, wenn er den folgenden Sommer zurückkommt; wenn nicht, so werden sie bald wild.

Die Lappländer, welche die Walfischinsel (Qualöe) und umliegenden Eilande besuchen, sind, wie wir bereits angedeutet, in die Notwendigkeit versetzt, ihre Rentiere quer über den Sund oder die Meerenge, die sie vom festen Lande trennt, schwimmen zu lassen. Dies ist dem Fremden ein neuer und interessanter Anblick, besonders wenn die Herde groß ist und vielleicht aus 1.000 Stück besteht. Sobald der Lappländer auf der Stelle ankommt, wo er übersetzen muss, mietet er mehrere Böte entweder von den Ansiedlern oder den Uferlappen. Da hinein stellt er die jungen Kälber, und hinter denselben werden die Tiere, welche schwach sind und Hülfe bei der Überfahrt nötig haben, gezogen. Da die ganze Herde dieses Übersetzen sieht, während sie zugleich von den Hunden und dem Geschrei der Lappländer im Rücken angegriffen wird, so geht sie ins Wasser. Kein vierfüßiges Tier schwimmt so leicht, wie das Rentier, das den Kopf und die Schultern über das Wasser hebt; es ist im Stande, mehrere Meilen zu schwimmen, selbst wenn die See unruhig ist.

Sobald der Lappländer das feste Land erreicht, setzt er seinen Weg in langsamen und bequemen Tagereisen fort, indem er selten über sechs oder sieben (engl.) Meilen des Tages geht, und gelegentlich einen Halt von zwei oder drei Tagen macht, wenn er eine Stelle findet, die ihm gefällt. So erreicht er endlich die Gegend, wo er zu überwintern gedenkt.

Das Winterzelt wird wieder in derselben Weise wie das Sommerzeit errichtet, die Herde weidet nach wie vor im Freien, und die Hirten müssen den Stürmen und Schneestürmen Trotz bieten. Die Winterkleidung des Menschen besteht nun ganz aus der Haut seines treuen Lebensgefährten. Der Pelz wird von der ganzen Haut des im Winter geschlachteten Tieres gemacht; die Gamaschen und Handschuhe werden von der Haut, welche die Beine und Schenkel des Tieres umgibt, die Schuhe von dem Teile des Felles, welcher zwischen den Hörnern ist und den oberen Teil des Kopfes bedeckt, verfertigt. Die Haare sind nach Außen gekehrt, und wegen der besondern Festigkeit und Dichtigkeit ihres Gewebes ist es unmöglich, dass die Kälte durchdringe. Um die innere Warme des Körpers zu unterhalten und den freien Umlauf des Blutes zu befördern, ist jeder Teil weit und bequem gemacht; insbesondere sind die Ärmel des Pelzes so weit, dass die Arme mit Leichtigkeit ausgezogen und wieder eingesteckt werden können, ohne dass man nötig hat, ihn auszuziehen. Wenn bei großer Kälte der Lappe genötigt ist, auf dem Schnee zu schlafen, und ihm ein Arm vor Frost erstarrt, so kann er denselben leicht aus dem Ärmel ziehen und an seinem Leibe wieder erwärmen. Eben so sind auch die Handschuhe weit und ohne Finger.

In ihrer Winterkapuze, welche Kopf und Schultern ganz bedeckt, und nur ein Loch für das Auge hat, laufen die Lappen zu jeder Stunde und bei jedem Wetter in ihren Schneeschlittschuhen hinaus, um nach ihren Rentieren zu sehen und sie gegen die Angriffe der Wölfe zu schützen. In diesem schwierigen Geschäft stehen ihnen die Weiber bei, die, sobald die Reihe an sie kommt, auch die Herde hüten, und jede Arbeit mit den Männern teilen.

Im Winter lebt der Lappe in einer Art von Überfluss. Bei einer mäßigen Herde von 500 Stück Rentieren wird wöchentlich eins geschlachtet; ist die Herde größer, zwei, ja zuweilen bei starker Familie drei. Das Rentierfleisch ist fast die ausschließliche Nahrung, auf die sich die Leute schon im Sommer freuen. Die einzige Weise, in der sie ihr Fleisch zubereiten, besteht im Kochen. Dadurch erhalten sie eine kostbare und nahrhafte Brühe, welche sie außerordentlich gern essen. Ehe sie das Fleisch in den Topf tun, wird es in lauter kleine Stücke zerschnitten, um den Saft besser herauszubekommen. Ist es hinreichend gar, so bekommt jeder einen Napf aus Birkenholz mit einer guten Quantität Brühe und einem Stück Fleisch, das er mit den Händen herausholt und verzehrt.

Der Kreis seiner Wanderungen ist auf den nächsten Kreis um die Kirche beschränkt, und geht selten über 10—20 Meilen, wenn die Herde einigermaßen Nahrung findet. In der Nähe der Kirche stehen auch die hölzernen Vorratshäuser, von denen jeder Familienvater eins besitzt. Sie sind von Tannendielen gebaut, nur einige Fuß hoch, mit einer Öffnung an der vorderen Seite, durch welche der Besitzer kaum hineinkriechen kann, und welche mit einer Tür verschlossen ist. In diesem Hause bewahrt er Alles auf, was er nicht nötig hat, auf seinen Sommerwanderungen nach der Küste mitzunehmen; zugleich ist es die allgemeine Lagerstätte für die Einkäufe, die gelegentlich von den Kaufleuten herübergebracht sind.

Der Rentierlappe hat verschiedene Arten von Schlitten, sowohl für seine eigenen Fahrten, als für seine Sachen. Zuerst der Pulk, welcher hauptsächlich zum Gebrauch der Kaufleute oder anderer Reisenden bestimmt ist. Der Form nach ist er einem Boote ähnlich, 7 Fuß lang, ungefähr 16 Zoll breit, und 8 Zoll tief, der Hinterteil aber um das Doppelte erhöht. Das vordere Ende ist spitz, wie ein Kahn, das hintere breit, und der Boden oder Kiel ausgehöhlt (konkav). Über den Sitz wölbt sich das Fell von einem Seekalb als Decke. Der Lappländer bedient sich selten dieses bedeckten Schlittens. Die Notwendigkeit, in der er sich häufig befindet, auszusteigen, entweder um denen zu helfen, deren Tiere störrisch geworden sind, oder sein eigenes Tier zu erleichtern, wenn die große Tiefe des Schnees ihn nötigt, zu Fuß zu gehen, oder die Dunkelheit des Wetters ihn zwingt, den Weg zu suchen, nachdem er die rechte Richtung verloren hat — das Alles veranlasst ihn, sich des offenen Schlittens (Kjöre Achian) zu bedienen, welcher im Übrigen dem Pulk sehr ähnlich ist, und gleichfalls aus Birkenholz gemacht wird. Die dritte Art ist der Packschlitten (Raid Achian), gleichfalls offen und in Kahnform, aber viel größer, 8 bis 9 Fuß lang, und verhältnismäßig breiter. In diesem werden Handelssachen und andere Packwaren verfahren.

Vor jeden Schlitten wird nur Ein Rentier gespannt; da aber die vor die Packschlitten gespannten Tiere natürlich gehindert werden, mit den vordersten leichteren Schlitten gleichen Schritt zu halten, so bekommen sie eigene Aufseher, welche voranfahren in leichten, offenen Schlitten, indem jedes der nachfolgenden Tiere an den vorhergehenden Schlitten befestigt wird. Ein Zug von fünf so an einander befestigten Schlitten heißt Raid (Reihe).

Die Rentiere werden schon im zweiten Jahre gewöhnt, den Schlitten zu ziehen, sind aber keineswegs die ruhigen, gelehrigen Tiere, die man sich vorstellt. Der Lappländer aber weiß sie zu behandeln. Wird das Tier widerspenstig, so fährt er von dem gebahnten Wege ab, mitten in den Schnee hinein, und macht es bald müde und zahm, so dass es sehr gehorsam auf die bequeme Straße zurückkehrt.

Das Geschirr der Rentiere besteht aus einer Halfter von Rentierfell, welche rund um den Hals geht; unten an demselben sind zwei Stück ausgestopften Leders von eirunder Form, welche zwischen den Beinen des Tieres hängen, und an welche der Zugriemen befestigt ist, dessen Ende sich um die Beine schlingt, unter dem Leibe hindurch geht, und durch ein kleines Querholz in einem eisernen Ring an den Vorderteil des Schlittens befestigt wird. Rund um den Leib des Tieres ist ein breiter Bauchgurt von gefärbtem Tuch, durch welchen der Zugriemen gezogen ist, damit er sich nicht in den Beinen des Tieres verwickelt. Um den Hals ist eine Art Halsbinde von weißem Tuch geschlungen, woran eine Glocke hängt, deren Klang die Partie zusammenhält. Das Kopfende des Zügels ist ein Stück Seekalbsfell, der Halfter ähnlich, wird nicht in den Mund gelegt, sondern nur um den Kopf gewunden. Das ganze Riemenzeug ist einfach, aber stark.

Sobald der Lappländer sich in seinen Schlitten gesetzt hat, läuft das Tier aus allen Kräften, aber immer von der geschickten Hand seines Herrn gezügelt und zu den kühnsten Wendungen gewöhnt. Am größten ist die Schwierigkeit, das Gleichgewicht des Schlittens zu erhalten, was in einzelnen Fällen beinahe unmöglich ist, wenn die Oberfläche des Bodens aus lauter glatten, steilen Abhängen besteht, der Schnee sich in Eis verwandelt hat, und der Schlitten wie im Fluge dahin saust. Ein Fremder würde in diesem Falle jeden Augenblick umgeworfen werden, obwohl wegen der Niedrigkeit des Fuhrwerks ohne üble Folgen. Man kann sich eine richtige Vorstellung von dem Gleichgewichte, das gehalten werden muss, machen, wenn man den Schlitten mit einem wirklichen Boote vergleicht, welches, auf das Land gezogen, immer auf eine Seite fällt, wegen des schmalen, scharfen Kiels. So ist es auch mit den hohlen Schlitten, und es liegt dem Fahrenden ob, so mit seinem Körper zu balancieren, dass das Gleichgewicht erhalten wird, auch bei dem schnellsten Lauf des Tieres. Wäre der Boden des Schlittens breiter, so würden die Unebenheiten des Grundes, den es passieren muss, die Tiefe des Schnees, die Steilheit der Gebirge und viele andere Umstände es dem Tiere unmöglich machen, ihn zu ziehen. So aber gleitet das kleine Fahrzeug über alle Hindernisse fort, ohne zu große Unbequemlichkeit für das Rentier, noch Mühe für den Lappen, der ein Meister ist im Fahren und Balancieren.

Die vornehmlichsten Unfälle, die den Eingebornen auf feinen Fahrten treffen, sind eine Folge der Dunkelheit, in der er seinen Weg verliert, oder der Windwehen, die ihn überfallen, namentlich bei trüber Nebelluft. In diesem Falle sichert er seinen Lauf durch scharfe Beobachtungen der Form und Richtung des Gebirges, auf dem er fährt, und von dem er aus langer Erfahrung weiß, dass es in seinen Zügen sich nach den verschiedenen Punkten des Kompasses richtet, und das ihm so statt des nützlichen Instrumentes dient, das er nicht kennt. Außerdem verlässt er sich in einem hohen Maße auf sein Rentier, wenn er die Richtung ganz verloren hat; ist das Tier schon einmal den Weg gekommen, oder stößt es auf Spuren von anderen Rentieren, so bringt es ihn gewöhnlich wohlbehalten nach bekannten Gegenden und Pässen. Kommt plötzlich ein Schneesturm, der die Weiterfahrt unmöglich macht, so hat der Lappe für diesen Notfall sein Zelt bei sich, das er an irgend einem geschützten Orte aufschlägt, und in dem er abwartet, bis das Unwetter vorüber ist. Nicht selten wird er auf diese Weise mehrere Tage aufgehalten. Indessen ist es in der Regel mit dem Mangel des Sonnenlichtes nicht so gefährlich. Ist der Himmel klar, so gibt der Mond, welcher mehrere Tage hinter einander fortscheint, ohne unterzugehen, ein Licht, das nur dem der Sonne nachsteht. Ist der Mond untergegangen, so verbreitet das Nordlicht und der außerordentlich helle Schimmer der Sterne einen solchen Lichtglanz, dass der Mensch sicher seine Schritte durch die pfadlose Wüste des Schnees findet. Weil seine Augen während der Reise beständig auf die Himmelskörper Acht geben, so erwirbt er sich ganz von selbst, wie der Hirt, eine für ihn ausreichende Kenntnis der Astronomie, die sich ans eine kleine Zahl von Sternbildern, wie des großen und kleinen Bären, des Orion usw. beschränkt. Diese Sterngruppen unterscheidet er durch Namen, die er ihnen selbst giebt, und sie ersetzen ihm die Magnetnadel, wenn das Wetter nicht ungünstig ist. So schlägt er sich mutig durch alle Gefahren und Hindernisse seines Klimas hindurch, und die größten Beschwerden dünken ihm leichte Unfälle, die notwendig zu seinem Leben gehören. Der ganze Verlauf seines Lebens zeigt uns, dass Glück und Unglück, Wohlsein und Genuss, Entbehrung und Überfluss mehr von Vorstellungen und Einbildungen als vom Körper abhängen. Sitten und Gewohnheiten versöhnen uns mit allen Dingen, bilden unfern Charakter und machen mit Einem Worte den Menschen zu dem, was er ist.