Heu und Kornernte in Norwegen (Nach dem Englischen von Dr. Eduard Zill)

In einem Lande, wie Norwegen, welches eigentlich nur zwei Jahreszeiten, Sommer und Winter, besitzt, muss man „Heu machen, während die Sonne scheint.“ Der Frost bleibt gewöhnlich vom Oktober bis zum Mai oder bis zum Anfang Junius in der Erde, und kein vorübergehendes Tauwetter vermag die Oberfläche des Bodens zu durchdringen, wenn dieselbe einmal festgefroren ist. Häufig tritt der Winter so schnell ein, dass die Früchte nur mit genauer Not eingeerntet werden können und keine Zeit zum Pflügen übrig bleibt. Hat die Sonne aber im Frühling ein mal das Eis gesprengt, so ist sie durchaus nicht blöde und ruft mit lauter Stimme die Kräuter und Pflanzen hervor. Ein zweifelhafter Sommer bringt dem Landmann sicheren Verlust, denn die schöne Jahreszeit ist so kurz, dass jeder verlorene Tag nicht zu ersetzen ist. Selbst in gewöhnlichen Jahren wendet der Ackerbauer manche kleine Kunstgriffe an, welche in mehr begünstigten Ländern nicht allein unbekannt, sondern auch unnötig sind.

***) Nach dem Englischen von Dr. Eduard Zill.


Die Heuernte dauert vom Ende des Julius bis zum Ende des August oder Anfang des Septembers; alle arbeitsfähigen Hände sind dann in Anspruch genommen, und das Pferd, welches der Postreisende verlangt, wird nur mit Murren und Grollen hergegeben. Die Wiesen gleichen den englischen nicht; das niedrige Gras ist dick mit Unkraut und wilden Blumen durchwachsen. Weiber sowohl als Männer sind mit Mähen beschäftigt; das geschnittene Gras wird gemeiniglich auf besondere Gerüste im Felde gelegt, damit es von jedem Sonnenstrahl und Lüftchen Vorteil ziehe. Sobald dasselbe trocken genug ist, wird es auf Heuschleifen eingefahren — Karren, welche einer auf hölzernen Schlittschuhen ruhenden Krippe gleichen und hinten zwei kleine Räder von der Größe eines Tellers haben. Diese vermögen nur eine sehr geringe Ladung fortzuschaffen und kontrastieren sehr mit den großen englischen Heuwagen.

Das Heu wird nicht in Schobern aufgestapelt, sondern es wird auf den Boden der großen Scheune gebracht, welche einen Teil jeder Hausstätte bildet. Man schafft es vermittelst einer geneigten Ebene hinauf, die gewöhnlich von kreuzweise gelegten Stämmen gemacht und so stark ist, dass Pferde und Karren dieselben passieren können. Auf der Höhe angelangt, wird das Heu abgeladen und auf dem Boden über dem Stall niedergelegt. Zur Ernährung des Viehs während des langen Winters heimset man nicht allein Heu und Stroh ein, sondern auch noch die Blätter verschiedener Bäume, z. B. die der Erlen und Pappeln, welche zur Ergänzung der übrigen Vorräte dienen. Wenn der Herbst herannaht, sieht man Weiber und Kinder überall beschäftigt, die Blätter von jenen Bäumen abzustreifen und in Bündeln auf dem Kopfe heimzutragen. Für die Erlaubnis, auf diese Weise ihre Wintervorräte zu vermehren, bezahlen manche Leute den Eigentümern sogar einen gewissen Zins!

Unmittelbar auf die Heuernte folgt die Kornernte. Weizen wird wenig gebaut; nur hier und da erblickt man kleine Felder mit dieser Getreideart, die aber meist sehr dünn und ärmlich wächst, so dass die Kosten des Bestellens kaum gedeckt werden. *) Gerste, Roggen und Hafer sind die Feldfrüchte, die am meisten gebaut werden. Beim Mähen entwickeln die Frauen fast eine eben so große Tätigkeit als die Männer. Um so viel Stroh als möglich zu gewinnen, schneidet man die Halme unmittelbar über der Erde ab. Nachdem die Schwaden einige Tage gelegen haben, werden sie zum Trocknen und Nachreifen aufgestapelt, jedoch nicht ganz in derselben Weise wie das Heu. Das ganze Feld ist in regelmäßigen Zwischenräumen mit starken, 10—12 Fuß hohen Pfählen besetzt; diese werden von oben bis unten mit Garben bebunden, und zwar so, dass die Spitzen derselben sich sämtlich nach Süden der Sonne zuneigen. Diese Einrichtung verleiht einem Kornfelde ein höchst seltsames Aussehen, namentlich gegen Abend, wenn die Sonne sich dem westlichen Horizonte nähert und die Pfähle nun lange Schatten werfen; es ist, als ob auf den Feldern Riesen Wacht hielten. Mitunter muss das Getreide noch ganz grün abgemäht werden. Man hängt es wohl auch auf horizontal gelegte Balken, welche durch ein Dach teilweise vor der Kälte geschützt sind, während der Wind frei durch das Gebäude streichen kann. Nicht selten schlagen alle diese Mittel fehl, wie im Herbst des Jahres 1851, wo der Roggen sehr feucht und grün blieb, und der Genuss dieses unreifen Korns manche Krankheiten verursachte.

*) Die äußerste Nordgrenze des Weizens ist 57 °.

Den Hafer benutzt man vielfach zur Bereitung von Fladbrod (Fladenbrod), welches viel Ähnlichkeit mit dem schottischen Haferkuchen (Bannodi) hat. Man rollt einen Teig aus Hafermehl so dünn als möglich aus, legt die einzelnen Fladen auf eine runde eiserne Platte und röstet sie etwa fünf Minuten lang auf einem hellen Holzfeuer. Nur die Reicheren essen Roggenbrot; Hafer- und Gerstenbrot sind verbreiteter, in Hungerjahren muss auch Rindenbrot aushelfen.