Der Sognefjord.**)

Wir befanden uns auf der Hochstraße von Bergen nach Christiania. Die Fahrt von Vossevangen nach Vinje war ausnehmend schön. Zuerst folgten wir dem Fuße der äußerst nackten schwarzen Hügel, einem Teile der Gebirgskette zwischen Vossevangen und Bergen, auf der zu Anfang August in umfangreichen Stellen Schnee lag. Bei Tvinde, der ersten Station, sieht man einen sehr schönen Wasserfall, und von dort bis Vinje ist die Gegend wahrhaft entzückend — die größte Abwechslung von Grün, Wald, Flüssen, hier und da kultiviertem Lande, im Hintergrunde Berge von überraschenden Formen. Ich wurde an die reizendsten Gegenden von Cumberland und Westmoreland erinnert. Als wir Vinje erreichten, war es unglücklicherweise schon dunkel.

*) Norwegen und seine Gletscher von James de Forbes (deutsch von Ernst A. Zuchold, Leipzig, 1855).


**) Fjord = Busen, Bai; Fjeld = Hochfläche.


Wir schliefen vortrefflich und setzten am nächsten Morgen die Reise nach Gudvangen fort. Wir erreichten die Ufer eines kleinen Sees und gelangten auf einen neuen, schön gebauten Weg, der uns an einem Abhange durch Wald und Schluchten führte und reich war an höchst malerischen Aussichten. Für das Auge des Geologen wurden diese noch interessanter durch das Vorkommen kristallinischer Gesteine von außerordentlicher Schönheit, durch welche der Weg seine Durchschnitte machte. Dieselben gehören zu der von Esmark sogenannten Neritformation, welche dem Gneiß augenscheinlich untergeordnet ist, während der Feldspath darin rein weiß mit Quarz und schöner grüner Hornblende vermischt vorkommt, auch Granatkristalle von prächtiger Orangefarbe sich beigemengt finden, eine höchst auffallende Verbindung.

Bei Stalheim wird die Szenerie wilder. Wir befinden uns in dem obersten Teile des Näroedal, einer jener sonderbaren in Norwegen so gewöhnlichen Schluchten, auf beiden Seiten von senkrechten Felswänden in einer Höhe von vielleicht 1.500, ja selbst 2.000 Fuß eingeschlossen, mit ebenem Talgrunde aus Alluvialboden und an der Spitze plötzlich durch einen steilen, wenn auch nicht gerade abfallenden Abhang geschlossen. An diesem Abhange hinab ist der Weg in einer Reihe Zickzacks oder Windungen auf eine meisterhafte Weise in einer Entfernung von 800 Fuß senkrechter Höhe angelegt. Auf beiden Seiten stürzen sich Wasserfälle hinab und tragen dazu bei, dass die Aussicht auf der entgegengesetzten Seite einen Anblick von wunderbarer Größe gewährt. Von dem Fuße des Abhanges bei Gudvangen aus an den Ufern des Näroe-Fjords ist der Weg fast ganz eben; denn die ganze Steigung betragt auf einer Entfernung von einigen Meilen wenig mehr als 300 Fuß. Die Gebirge erheben sich jedoch zu beiden Seiten in unveränderter Höhe; die Felsmassen zur Rechten steigen bis zu einer Höhe von 5.000— 6.000 Fuß an, während sich ein Wasserstrahl, der Keelfoß, von einer 2.000 Fuß hohen Felswand herunterstürzt.

Bei der Ankunft in Gudvangen ist man sehr überrascht. Die Wände des Tales setzen sich ununterbrochen fort, aber die Alluvialebene macht dem von keiner Welle gekräuselten, fast süßen Wasser der Meeresbucht Platz, so dass der Wassersaum bis zur Tür des Gasthauses heranreicht. Nachdem wir das Mittagessen eingenommen, bestiegen wir ein Boot mit drei tüchtigen Ruderern, und setzten die Fahrt im ausgedehnten Sogne-Fjord fort, von welchem der Näroe-Fjord eine der verwickeltsten Ausbuchtungen bildet. Das Wetter, welches glücklicherweise eine Zeit lang schön gewesen war, sing wieder an zu drohen, und als wir das Boot bestiegen, fiel ein kleiner Regen. Dabei zogen ununterbrochen Wolken am Himmel herauf und fetzten sich zuletzt an den Gipfeln der Felsen fest, welche meilenweit diese öde, ja schreckenerregende Gegend einschließen. Ich weiß nicht, welche Nebenumstände zu diesem Eindrucke beigetragen haben; doch hat sich meiner selten das Gefühl der Einsamkeit und Verlassenheit so sehr bemächtigt als hier. Mein Begleiter war in tiefen Schlaf versunken; die feuchte Luft ruhte still über dem Wasser, die Ruder schlugen in trägem Takte in die rabenschwarze, unergründliche Tiefe, während dieselbe auf beiden Seiten von senkrechten Felswänden eingeschlossen war, ohne den geringsten Abhang oder Raum am Fuße derselben, so dass auch nicht einmal eine Ziege daneben hätte klettern können. Die Gipfel, so hoch sie an sich waren, erschienen noch höher, da sie in den Wolken verborgen blieben, welche gleichsam ein nasses Dach über uns, mit dem Wasserspiegel unter uns korrespondierend, bildeten. So oben, unten und von beiden Seiten eingeschlossen, ruderten wir in der zunehmenden Dunkelheit und dem dichten Regen weiter, bis wir einige Befreiung erhielten, als wir in den weiteren, obgleich auch noch finstern Aurlands-Fjord einfuhren, in welchem die See ein natürlicheres und bewegteres Ansehen annimmt. Man kann kaum begreifen, dass eine solche Fahrt einen Teil der regelmäßigen Reise zwischen Bergen und Christiania ausmacht.

Wir übernachteten in Lekanger, einem Landungsplatz auf der Nordseite des Sogne-Fjord an einer Stelle, wo er Sy-Strand genannt wird. Welche Überraschung am andern Morgen, als sich das Wetter etwas aufgeklärt hatte! In einer Entfernung von zwei englischen Meilen zwischen der Kirche von Lekanger und dem Gasthause kamen wir an eine Reihe hübscher Wohnungen, mit prächtigen Obstgärten abwechselnd, vorüber. In dem Garten, welcher zur Predigerwohnung gehörte, standen Eichen und Wallnussbäume von ausgezeichneter Schönheit. Nicht weit von Lekanger sahen wir völlig gelbe und anscheinend ganz reife Kornfelder, welche gegen das unreife Grün jener bei Bergen und Vost einen gewaltigen Kontrast bildeten. Es ist auffallend, dass das Innere des Sogne-Fjord, in der unmittelbaren Nachbarschaft der bedeutendsten Erhebungen Norwegens und seiner ausgedehntesten Schneefelder, hinsichtlich des Klimas weit schöner zu nennen ist, als die Küste mit ihren unaufhörlichen Regengüssen.