Nebenresidenz Doberan (Heiligendamm)

Doberan, ein ehemaliges, schon in der frühesten Zeit des christlichen Mecklenburgs gestiftetes Kloster, angesehen und reich begütert, auch als Wallfahrtsort von großer Celebrität, stieg aufs Neue und herrlich aus seinen Ruinen empor, als 1795 der Landesherr am nahen Meeresufer ein Seebad — Deutschlands erstes, und jetzt weit und breit berühmt — anlegte, und zugleich den Ort zu seiner Sommer-Residenz erwählte. Aber nicht nur geschichtliches Interesse hat Doberan vor Ludwigslust voraus, sondern auch die unvergänglichen Reize der Natur, in einer lachenden, höchst anmutigen Umgebung, deren Schönheit noch durch den nahen Spiegel des baltischen Meeres gesteigert wird.

Ein weites länglichtes Tal erstreckt sich von Südost gegen Westen in sehr mannigfaltigen Abwechselungen von Wiesen und Kornfeldern; mäßige Hügel und höhere Berge von den verschiedensten Formen, zum Teil mit Laubholz bekränzt, umgeben dies liebliche Tal fast von allen Seiten. Am äußersten südöstlichen Ende und in naher Berührung der sich hier umher rundenden Berge liegt Doberan und bildet, wenn man es von einer nahen Höhe bemerkt, mit seiner schönen gotischen Kirche, seinen Palästen und freundlichen Häusern, seinen Gärten und lieblichen Anlagen eine vortreffliche Gruppe. Der Ort hat jetzt 220 Privathäuser, zwei Großherzogliche Palais, verschiedene Zwecks der Badeanstalt errichtete herrschaftliche Gebäude, ein Amtshaus, Posthaus, einen Ober-Forsthof; und 2447 Einwohner (1834) mit Inbegriff des Kammerhofes und des heiligen Dammes. Er ist nicht regelmäßig gebaut, hat aber durchweg ein freundliches, heiteres Ansehen, und auch unter den Privatwohnungen viele von sehr geschmackvoller Bauart und beträchtlicher Größe; die neuern Häuser sind fast alle massiv, grau, gelb, grün oder weiß angestrichen, teils von zwei, teils von einem Geschosse. Außer der Hauptstraße, welche sich in mehreren Krümmungen und in einer Länge von 280 Ruthen von der Kirche bis zum Forsthofe erstreckt, und über den Kamp und neuen Markt führt, sind noch 8 Nebenstraßen vorhanden, meistens ungepflastert und nur weitschichtig bebaut. Der schönste und beliebteste Teil von Doberan ist der Kamp, wo zur Badezeit fast ein beständiger Zusammenfluss von Menschen statt findet, und wo sich die vornehme Welt in ihrem Glänze zeigt. Es ist dies ein 1.200 Quadrat-Ruthen großer mit Schattengängen und Gesträuchen eingefasster Rasenplatz von dreieckiger Gestalt, in dessen Mitte ein kleines achteckiges Restaurationsgebäude, der Trichter genannt, sich befindet. Gerade gegenüber, auf der Grundfläche des Dreiecks, steht der schöne Musiktempel, und zu beiden Seiten desselben im Halbkreise breiten mehrere mit allerlei Putz- und Modewaren versehene Kaufladen ihre Flügel aus. Alle diese Gebäude sind mit Säulengängen im chinesischen Geschmack aufgeführt, und geben dem Ganzen ein eigenes ungemein heiteres Ansehen. Einige von den Kaufläden sind zur Brunnenschenke eingerichtet, und beleben daher auch schon früh Morgens den Kamp mit wandernden Brunnengästen. Ringsum den mit Barrieren eingefassten Kamp läuft ein chaussierter Fahrweg, und dann an allen drei Seiten eine Reihe von Häusern, von denen die am östlichen Schenkel befindlichen aus den vornehmsten Gebäuden bestehen; es sind nämlich folgende:


1) Das Großherzogliche Palais, im schönen italienischen Style aufgeführt, 170 Fuß lang, 54 Fuß tief, mit zwei hinterwärts gehenden Flügeln von 60 Fuß Länge, ist weiß getüncht und von zwei Geschossen. Die Vorderfronte hat in der Mitte eine Rücklage mit vier jonischen Säulen von 30 1/2 Fuß Höhe, die Hintere Fassade eine ovalförmige Vorlage mit jonischen Pilastern, das flache Dach, auf welchem bei Anwesenheit des Großherzogs ein große Fahne mit den mecklenburgischen Farben weht, ist durch eine Attika versteckt. Das Innere ist mit den schönsten, im Lande verfertigten, Möbeln geziert. Gartenanlagen im englischen Geschmack umgeben die hintere Seite dieses und des folgenden Gebäudes.

2) Der Speisesaal mit dem Kaufhaus, ein eben so großes als geschmackvolles Gebäude, 177 Fuß lang und mit dem an der hintern Seite befindlichen Flügel 161 Fuß tief. Nach der Straße zu sind im ersten Stock 8 Kaufmannsgewölbe, zum Teil mit den kostbarsten Waren angefüllt, jedes mit zwei Fenstertüren, und im zweiten Stock die Wohnzimmer für die Inhaber der Laden. Hinterwärts aber erstreckt sich der überaus große, prachtvolle Speisesaal, eigentlich aus zwei Sälen bestehend, von denen der erste ältere 96 Fuß lang, 58 Fuß breit, durch drei Arkaden in einen zweiten, gedachten Flügel einnehmenden, Saal von 97 Fuß Länge uud 53 Fuß Breite führt. Beide Säle sind 36 Fuß hoch, gewölbt und aufs glänzendste dekoriert; oft speisen hier über 400 Personen, und wenn bei festlichen Gelegenheiten das Ganze erleuchtet und mit Musik und Tanz belebt ist, so gewahrt es einen Anblick, der an die Zaubergebilde der Feenwelt erinnert. An den ersten Saal stößt noch ein großes Konversationszimmer; im Souterrain sind Küche und Keller.

5) Das Logierhaus[/i], von Fachwerk erbaut, mit einem grauen Anstrich, 166 Fuß lang, zwei Stock hoch, nebst zwei rückwärts gelegenen Flügeln und einem geräumigen Stallgebäude. Es ist hauptsächlich zur ersten Aufnahme der Badegäste und für solche Fremde bestimmt, die nur kurze Zeit hier verweilen, und deshalb kein eigenes Logis mieten. Eingangs linker Hand ist ein 42 Fuß langes und 22 Fuß breites Konversationszimmer, zur Rechten die Goldbank*) mit dem Roulette in einem 58 Fuß langen Saale, der auch, wenn die Tischgesellschaft noch nicht sehr zahlreich ist, zum Speisezimmer dient. Im rechten Flügel ist unter andern die Wohnung des Badearztes und die Bibliothek; das obere Stockwerk enthält Logierzimmer.

*) Die [b]Silberbank
ist im zweiten Gasthause des Orts, dem Lindenhofe

6) Das Schauspielhaus[(b], massiv und im italienischen Geschmack nach dem Vorbilde des Mailändischen aufgeführt, 138 Fuß lang, 62 Fuß tief und bis zum Dache 34 Fuß hoch, hat einen rötlichen Anstrich und über dem Eingänge die Inschrift: „Erkenne dich selbst“. Es ist sehr zweckmäßig eingerichtet, und fasst über 300 Zuschauer.

8) Das kleinere, sonst [b]Erbgroßherzogliche Palais
, von einfach schöner Bauart, weiß getüncht und mit einem auf Säulen ruhenden Balkon versehen. Es liegt nicht unmittelbar am Kamp, sondern an der südlichen verlängerten Spitze desselben, wo, aus einer Quelle des Jungfernberges herabgeleitet, ein Springbrunnen sein Wasser aus dem Schnabel eines Schwanes 37 Fuß hoch steigen lässt.

Längs der Fronte dieser eben beschriebenen Gebäude läuft ein Fußsteig mit rot und weißen Fliesen belegt. An den beiden übrigen Seiten des Kamps stehen ebenfalls durchgehends ansehnliche, wohlgebaute Häuser, so wie auch am Neuen-Markte, einem kleinen Platze von oblonger Form an der Westseite des Kamps. Ohngefähr 300 Schritte von der südlichen Spitze des letztern, dem Haupteingange des Ortes gegenüber, liegt das Stahlbad in einem Wiesengrund und an einem Lustwäldchen unter hohen Buchen. Es ist eins der schönsten Gebäude von Doberan, von einem Geschosse auf hohem Souterrain, weiß übersetzt, hat eine bedeutende Länge und über dem Eingange ein auf Säulen ruhendes Fronton. Außer dem Konversationszimmer und dem des Arztes sind hier 12 Stahl- und 2 Douche-Bäder, so wie in einem nahe gelegenen kleinen Badehause vier Zimmer zu Malz- und andern Bädern in süßem Wasser eingerichtet sind.

Am östlichen Ende des Ortes, in einer niedrigen wiesengründigen Ebene, die in einem anmutigen Park umgeschaffen ist, liegt die Kirche, unstreitig das schönste Denkmal altgotischer Baukunst in Mecklenburg, und nebst der Rostocker Petrikirche auch wohl eine der ältesten des Landes; denn schon im Jahre 1186 wurde ihr Grundstein gelegt und 1232 das Ganze vollendet. In Form eines Kreuzes erstreckt sich ihre Länge auf 220, die Breite in den Kreuzgängen auf 100 und die Höhe des Gewölbes auf 98 Fuß; auf der Mitte des Daches erhebt sich eine ansehnliche Turmspitze. Die ganze Anlage ist sehr geschmackvoll; alles ist im schönsten Ebenmaß und nirgends Überladung; das Gemäuer ist von vortrefflichen Ziegeln mit musterhafter Genauigkeit und Festigkeit aufgeführt, und ausgezeichnet das Gewölbe, welches von 22 schlanken Pfeilern, in der Peripherie des Schiffs getragen wird. Außerdem stehen noch zwei Pfeiler in den Kreuzgängen, die durch die Kühnheit ihrer Form sich besonders auszeichnen und bis ins höchste Gewölbe hinaufreichen. Altäre hatte die Kirche ehedem 22, jetzt sind, außer dem mit reichen Vergoldungen geschmückten Hochaltar, noch 13 vorhanden, so wie auch ein fürstliches Chor und in zwei Reihen 87 mit zierlichem Schnitzwerk versehene Mönchsstühle. Auffallend ist es, dass die Orgel nicht wie gewöhnlich am untern Ende des Schiffs, sondern hinter der Kanzel angebracht ist, wodurch jene Wand ganz leer geblieben. Die Fenster enthalten die schönste Glasmalerei und verbreiten überall ein gehöriges Licht; das ganze Mauerwerk im Innern ist vor einigen Jahren neu getüncht, wobei die ursprüngliche Farbe der Steine beibehalten wurde. Es macht dies einen ganz eigenen Effekt. Wir übergehen die hier noch befindlichen Reliquien und sonstigen Altertümer, auch die sehr zahlreichen Gemälde und Statuen, die verschiedenen Fürsten und Privatpersonen errichtet sind, und erwähnen dagegen des neuesten Schmuckes, den die Kirche erhalten. Es ist dies ein schönes Ölgemälde von der Meisterhand des Professors Suhrlandt, vorstellend den Großherzog Friedrich Franz in Lebensgroße; dasselbe umschließt ein vergoldeter Rahmen mit einer Krone, und ist zur Linken vom Altar an einen Pfeiler ausgestellt. Die Doberaner Gemeinde hat dies schöne und passende Denkmal von der Gnade des verewigten Großherzogs, bei dessen Jubelfeste erbeten, und mit dankbarer Freude ihren Wunsch erfüllt gesehen. Zu bemerken ist endlich noch die fürstliche Grabkapelle, in welcher eine Menge Leichen des mecklenburgischen Regentenhauses beigesetzt sind, darunter: Pribislav I., der Stifter Doberans, dem auf seiner Grabschrift noch der königliche Titel beigelegt worden, Fürst Heinrich der Löwe, dessen Grabmal in Ziegel-Mosaik gearbeitet ist, Herzog Albrecht I., Adolph Friedrich I., Christian Louis und Karl Leopold. Die Leiche des Großherzogs Friedrich Franz ist einstweilen in der Kirche beigesetzt, wird aber eine eigne Kapelle erhalten. Neben der Kirche steht noch eine alte Kapelle, die jetzt zur Aufbewahrung solcher Leichen bestimmt ist, die nicht gleich beerdigt werden sollen.

Übrigens ist die Kirche mit ihren Umgebungen in einem Welten unregelmäßigen Umkreise, der vormals das Kloster enthielte und dessen Durchmesser bis auf 100 Ruthen steigt, von einer alten massiven Mauer von beträchtlicher Höhe eingeschlossen. Ein zum Teil mit hohen Bäumen besetzter Fahrweg durchschneidet dies ehemalige Klostergebiet und verbindet es dadurch auf der einen Seite mit der Ortsstraße, auf der andern mit dem Buchenberge. Die linke Seite vom gedachten Wege abwärts nimmt die schon erwähnte parkartige Anlage um die Kirche ein; zur Rechten liegt zunächst das Amtshaus, dann, der Kirche gegenüber das neue, im gotischen Style erbaute Schulhaus, weiter zurück das Pfarrhaus, die große Amtsbrennerei und Brauerei, endlich wieder unmittelbar am Wege der Begräbnisplatz mit geebneten Gängen, Ruhesitzen und mehreren geschmackvollen und sinnigen Monumenten.

Gleich außerhalb der Klostermauer erhebt sich, 70 Fuß über die Grundfläche der Kirche, der Buchenberg; er ist mit Buchen und Tannen bewachsen, mit Schattengängen, Lauben und Ruhebänken versehen) und gewährt von dem chinesischen Sonnenschirme aus einen freundlichen Anblick auf einen Teil von Doberan und der Umgegend. Bei weitem schöner und freier ist jedoch die Aussicht vom Jungfernberge, der ebenfalls in unmittelbarer Angrenzung, westlich von Doberan liegt, und sich 103 Fuß über die Meeresfläche erhebt. Man übersieht von hier das ganze Tal, in welchem Doberan liegt, zahlreiche Dörfer, Rostock, Warnemünde und das majestätische Meer. Im Rücken des Jungfernberges ist ein mit Fahrwegen und Spatziergängen durchschnittenes Lustgehölz; auf der Höhe steht ein kleiner Pavillon und am Fuße ein Schießhaus. Südlich vom Orte, in der Nähe des Stahlbades, ist ein anderer mit Buchen bestandener Hügel von 116 Fuß, der ähnliche interessante Fernsichten darbietet. Das Klima von Doberan ist bedeutend milder, als in den benachbarten höher und freier gelegenen Orten, dabei doch sehr rein und gesund.

Die Seebadeanstalt, zu welcher wir uns nunmehr wenden wollen, befindet sich 3/4 Meile von Doberan beim sogenannten heiligen Damme. Ein sehr angenehmer mit Bäumen besetzter und chaussierter Weg führt dahin; zur Rechten hat man anfangs ein fruchtbares Ackerfeld, dann fortwährend ein Gehölz von Eichen und Buchen, links ist ein flaches Wiesental, von Höhen umgeben. Gegen das Ende des Weges zieht sich das Holz zu beiden Seiten hin, und plötzlich, bei einer Biegung der Straße, eröffnet sich die Aussicht auf das Badehaus und die weite Fläche des Ozeans. Welch ein Anblick für jeden, der noch nie am Ufer des Meeres stand! Mag es sich bei heiterer, stiller Luft nur sanft in seiner glatten Fläche bewegen, oder bei stärkerem Winde in höhern schäumenden Wogen daher brausen — stets trägt es eine schauerliche Größe, und in seiner unübersehbaren Weite das Bild der Unendlichkeit an sich.

Das große Badehaus, welches, 30 Schritte von der See, mit der Vorderfronte gerade vor dem Wege liegt, ruht auf einem starken Souterrain, ist massiv, 166 Fuß lang, und mit einem Frontispiz versehen, zu welchem neben dem Eingange zwei dorische Master hinaufreichen und das Fronton desselben tragen. In letzteren lieset man folgende schöne Inschrift aus den Antoninischen Bädern: Curae vacuus hunc locum adeas, ut morborum vacuus abire possis; nam hic non curatur, qui curat. Das Innere enthält 19 geräumige Zimmer zu warmen Seebädern, und in einem, durch einen verdeckten Gang verbundenen, Hintergebäude, noch 6 Schwefelbäder; im oberen Stockwerk sind 8 Wohnzimmer für solche Kranke, denen das tägliche Hinausfahren von Doberan nach dem Bade zu beschwerlich ist. Hinter dem großen Badehause sind, außer den Wasser-Reservoirs, dem Pumpenwerke und dem großen, 28 Fuß im Durchmesser haltenden Trittrade*), noch zwei kleine Badehäuser zu kalten Seebädern, Douche-, Regen-, Tropf- und Spritzbädern. An der Westseite befinden sich zu unmittelbaren Seebädern für Frauenzimmer, 12 vierrädrige wohl, verdeckte Wagen nebst einem Pavillon zum einstweiligen Aufenthalte bis ein Bad frei wird; östlich vom Badehause sind ähnliche Wagen für Männer nebst einem Pavillon zu gleichem Zwecke, und außerdem noch eine ziemliche Anzahl Schilderhäuser zum Aus- und Ankleiden für solche, die in der freien See baden wollen. Endlich ist noch ein besonderes Badehaus für Arme bestimmt, und solchen Kranken die unentgeldliche Benutzung desselben frei gestellt.

*) Dasselbe setzt, vermittelst eines einfachen Gestänges, die nötigen Kunstkreuze in Bewegung, die durch sechs Pumpen, aus den, in die See gelegten Röhren, das Wasser 35 Fuß hoch in einen Kessel heben, aus welchem es durch Fall-, Leitungs- und Steigeröhren in zwei mit einander verbundene große Wasserbehälter hinaufgehoben, und aus diesen in den großen Kessel zum Sieden, oder kalt in die Bäder geleitet wird. Dieses Pumpenwerk ist so ergiebig, dass in einer Stunde, über 700 Cub.fß. (Qubikfuß) Wasser in de Reservoirs gehoben werden kann.

Vor dem Badehause ist ein geräumiger Platz, an dessen rechten Seite ein höchst geschmackvolles Restaurationsgebäude im Jahre 1817 errichtet und durch eine Arkade mit dem Badehause verbunden ist. Dasselbe hat eine Länge von 134 Fuß, eine Tiefe von 49 Fuß und zwei nach hinten angehängte, 68 Fuß lange Flügel. Die Vorderfronte enthält unter 8 dorischen Säulen eine 88 Fuß lange und 15 Fuß breite Halle, über welche sich eine Attika erhebt; im Fronton der letztern steht die Inschrift: Huc te laetitia invitat post balnea sanum. Die in der Mitte der Halle befindliche Tür führt in einen 88 Fuß langen, 30 Fuß breiten und 24 Fuß hohen mit schweizer Bergpartien ausgemalten Salon, an welchem links zwei Kabinette zum Frühstücken sich befinden, und rechts ein großes, mit türkischen Ansichten tapeziertes, Zimmer, aus welchem man durch einen achteckigen Saal und die Arkade ins Badehaus gelangen kann. Die beiden Flügel des Hauptgebäudes bilden hinter demselben einen viereckigen verdeckten Gang, der einen kleinen Blumengarten einschließt und bei regnigtem oder stürmischem Wetter den Spazierenden Schutz gewährt. Von Außen ist dies Gebäude, so wie auch das Badehaus und sonstige Gebäude am heiligen Damme, weiß getüncht.

Links vom Badehaus ist die offene See, an welcher, um die Aussicht zu heben, eine etwa 30 Fuß hohe steinerne Warte mit einem platten Dache erbaut worden; auch befindet sich hier noch ein großer Pferdestall und eine Wagenremiese. Der heilige Damm erstreckt sich vom Badehause bis zum Dorfe Rethwisch in der Länge von 3/4 Meilen, ist 60 bis 80 Fuß breit und in einem flachen gewölbten Bogen 8 bis 10 Fuß hoch; er gewährt, durch die ungeheure Menge verschiedenartig gefärbter, glatter Kieselsteine, die das Meer hier ausgeworfen hat, einen ganz eigentümlichen Anblick. Das aus Eichen und Buchen bestehende Gehölz, welches die Badeanstalten von der Landseite umschließt, ist für Freunde von Promenaden, oder vielmehr absichtlich zum diätischen Gebrauch derselben nach dem Bade, in einen angenehmen Park umgeschaffen, auch mit einem Pavillon und mehreren Bänken zum Ausruhen versehen.

Die Anzahl der Fremden, die Doberan jährlich während der Badezeit — vom Juni bis September — besuchen, steigt gewöhnlich auf 1.400 und darüber. Hier unter sind jedoch nur diejenigen zu verstehen, die entweder wirklich baden, ober doch einige Zeit hier verweilen. Größtenteils besteht diese Badegesellschaft aus Mecklenburgern, Preußen, Hannoveranern, Hamburgern, Holsteinein und Engländern. Sehr ansehnlich ist ferner die Zahl der Bewohner aus der nahen und fernen Umgegend, besonders aus Rostock, Güstrow, Wismar, die zum Vergnügen hierher kommen, namentlich an den Sonntagen; am stärksten jedoch ist der Zusammenfluss von Fremden am 10. Aug. — an welchem Tage die, 1807 erfolgte, höchst erfreuliche Wiederkehr des Großherzogs in seine Staaten gefeiert wird — und während des daraus folgenden sechstägigen Pferderennens*). Der verstorbene Großherzog verweilte bekanntlich jeden Sommer in dieser seiner herrlichen Schöpfung, auch der damalige Erbgroßherzog, jetzige Großherzog, und seine Gemahlin gewöhnlich auf längere Zeit; die höchsten Herrschaften speisen mit an der Gasttafel, und befördern in jeder Beziehung durch ihre gütevolle Herablassung den Genuss aller gesellschaftlichen Freuden. Nicht selten sind auch Besuche auswärtiger Monarchen, von denen in den, 10 bis 12 Jahren namentlich hier anwesend waren: der Kaiser von Russland, der König von Preußen und mehrere Prinzen seines Hauses, die Königin von Baiern, der Herzog von Cambridge, der König von Griechenland, der Prinz Wasa, der Kronprinz von Schweden, der Herzog von Lukka u. a. m.

*) Die Rennbahn befindet sich 1/2 Meile von Doberan, links vom Wege nach dem Bade. Oft halten 4 bis 500 Wagen während des Rennens am Platze, und eine zahllose Menschenmenge umringt denselben.

Es bedarf wohl keiner Erwähnung, dass die gewöhnlichen Lustbarkeiten der Badeorte, als da sind: Bälle, Konzerte, Theater, Hasard- und andere Spiele, auch in Doberan nicht fehlen, und wollen wir daher nur noch des schönen Genusses gedenken, den die großherzogliche Harmonie täglich im Musiktempel gewährt, und der Landpartien und kleinen Seereisen, die häufig von größern oder kleinern Zirkeln veranstaltet werden. Die Lustpartien über Land gehen am gewöhnlichsten zur Althöfer Mühle, wo in sehr anmutiger Gegend eine alte katholische Kapelle sich befindet, nach der Bademühle, nach Mönchweden, auch wohl nach dem Diedrichs» häger Berge. Dieser ist zwar 1 1/2 Meilen von Doberan entfernt, gewährt aber auch dafür von seinem Gipfel eine so ausgedehnte Fernsicht, wie sie sonst nirgends in Mecklenburg anzutreffen sein wird. Der Berg liegt unfern der See und bildet die dritte Höhe des Landes von 502 Fuß. Bei gutem Wetter und reiner Atmosphäre sieht man hier: die Halbinsel Wustrow, die Insel Poel, einen Teil der mecklenburgischen und holsteinschen Küste, bis Femern und Laland, und die unübersehbare Fläche des Meeres, ferner Warnemünde, den Darß und Rügen, landeinwärts Rostock, Doberan, Kröpelin, Neubuckow, Wismar und zahllose Dörfer und Höfe. Außer den sehr häufigen kleinern Seefahrten, finden zuweilen auch größere nach Warnemünde, Travemünde usw. statt, und fehlt es nicht an Gelegenheit, Boote und größere Fahrzeuge zu erhalten; der Großherzog selbst besitzt ein sehr schon eingerichtetes Jagdschiff.

So geräuschvoll und lebendig es in Doberan während der Badesaison ist, eine so große Stille und geringer Verkehr herrscht hier nach Verlauf derselben. Die Einwohner haben daher auch wahrend der Badezeit ihren hauptsächlichsten Erwerb und Verdienst, ja manche, z. B. die vom Ertrage ihrer Hausmiete leben, und die Fuhrleute, fast keinen andern; doch gibt auch die umliegende volkreiche Gegend und der Sitz des Amtes eine, wenn gleich nicht so bedeutende, doch bleibendere Nahrungsquelle ab. Man zählt 206 Gewerbetreibende, darunter: 10 Kaufleute und Krämer, 4 Judenfamilien, 6 Gastwirte, 10 Tischler, 22 Weber, 1 Tapezier, 23 Fuhrleute. Als Marktflecken steht der Ort unter dem hiesigen großherzogl. Amte, und die meisten Einwohner (220) besitzen ihre Häuser nach Büdnerrecht und haben, außer einigen Wiesen und Kartoffelstücken, keinen Acker. Die sämtlichen Bade-Anstalten, so wie auch das Logierhaus, gehören privative dem Großherzoge, werden daher auch auf herrschaftliche Rechnung verwaltet und bewirtschaftet.

Alt-Doberan stand nicht an der Stelle, wo das jetzige erbaut ist, sondern mehr südwärts bei Altenhof. Hier war schon im Jahr 1164 eine Kapelle, und Fürst Prjbislav erbaute daselbst von 1171 bis 1173 eine Kirche und ein Kloster, dessen Mönche, Zisterzienser Ordens, in großer Zahl von Amelungsborn, im Braunschweigschen, herberufen wurden. Allein schon nach sieben Jahren, kurz nach dem Tode des Pribislav, überfielen die erbitterten Wenden das Kloster, zerstörten dasselbe gänzlich und erschlugen 78 Mönche. Fürst Heinrich Borowin I. begann hierauf, 1186, die Wiedererbauung der Kirche und Klostergebäude, und wählte dazu die Stelle, wo Doberan noch steht; der Sage nach deshalb, weil er ein Gelübde getan, dort zu bauen, wo er das erste Wild erlegen würde, und hier schoss er einen stattlichen Hirsch *). Sein Sohn Borowin II. vollendete den großartigen Bau, und 1232 ward die Kirche feierlich eingeweiht. Schon bei der Stiftung wurde Doberan mit großen Landbesitzungen und Privilegien dotiert, und wenn gleich das Kloster 1291 durch einen Blitzstrahl fast gänzlich zerstört und erst 1368 ganz wieder hergestellt wurde, so nahm es doch mit jedem Jahre, und besonders seit dieser Zelt, an Reichtum und Ansehn zu. Pilger aus den entferntesten Ländern, selbst aus Spanien, wallfahrteten hierher nach dem heiligen Blute, welches, der Legende zufolge, im Jahr 1201 hier Wunder verrichtete, oder nach den zahlreichen, in der Kirche befindlichen, Reliquien. Große Summen flossen dem Kloster auch zu durch Seelenmessen, Ohrenbeichte und besonders durch eine sehr blühende Ablassfabrik, und so besaß es endlich nicht nur das ganze jetzige Amt Doberan, sondern auch das Amt Redentin, verschiedene Mühlen, z. B. in Güstrow, den Zehnten aus einer Menge Ortschaften, Anteile an den Salzwerken zu Sülze und Lüneburg, an dem Heringsfange in der Ostsee etc. Eben so groß waren die Gerechtsame und Freiheiten des Klosters; es hatte seine eigene Gerichtsbarkeit, an vielen Orten selbst das Recht über Leben und Tod, eine fast gänzliche Steuerfreiheit, unumschränkte Handelsfreiheit in Rostock u. dgl. m. Wie bekannt Doberan sogar in weiter Ferne war, geht daraus hervor, dass 1465 der Erzbischof von Kreta allen denjenigen, welche zu Doberan, wegen des Sieges über die Türken, täglich dreimal das Vater Unser und Ave Maria beten würden, auf 40 Tage Ablass erteilte. Doch alle irdische Größe ist vergänglich, und so verlor auch Doberan bei dem aufgehenden Lichte der Reformation seinen Heiligenschein und seine Reichtümer; Herzog Johann Albrecht säkularisierte das Kloster 1552 und zog dessen weitläufige Besitzungen zu den Domainen. Im dreißigjährigen Kriege litt der Ort viel, sowohl durch die Kaiserlichen, als auch später durch die Schweden; die Kirche ward rein ausgeplündert, sogar das Kupfer und Blei vom Turmdache und das Zinn der fürstlichen Särge genommen. Übrigens blieb Doberan noch immer in einigem Ansehen; im Jahr 1608 nahmen Herzog Karl, und 1707 Herzog Karl Leopold hier ihre Residenz; der heilige Damm **) und die Kirche mit ihren Merkwürdigkeiten lockten häufig Fremde hierher, und die Anmut der Gegend bewog von Zeit zu Zeit einzelne Familien, sich hier niederzulassen; auch brachte der Amtssitz einigen Verkehr, so dass Doberan zu einem Marktflecken erwuchs und schon vor Anlegung des Seebades in 85 Häusern an 900 Einw. zählte. Endlich, im Jahr 1793, legte der Großherzog Friedrich Franz das Seebad an, und durch ihn entstanden nach und nach alle die schönen Anlagen und Gebäude, die jetzt den Ort verschönern, so wie auch 1823 das Stahlbad. Schon während der ersten Badesaison, 1794, fanden sich 308 Personen ein; alljährlich stieg die Zahl derselben und betrug 1804 schon 1.206; im Jahr 1827 enthielten die Badelisten 1.437 Fremde.

*) Das alte Klosterwappen führte einen Hirsch, einen Bischofsstab und einen Schwan. Der Abt hatte die Erlaubnis, im bischöflichen Ornat den Segen zu sprechen.

**) „heilig“ deshalb genannt, weil derselbe, der Legende zufolge, auf eifriges Beten der Mönche in einer Nacht vom Meere ausgeworfen wurde, und nun die sonst häufigen Überschwemmungen verhinderte.

Der Kamp in Doberan

Der Kamp in Doberan

Original-Cover 1939

Original-Cover 1939

Cover der Neuauflage

Cover der Neuauflage

Das Innere der Kapelle

Das Innere der Kapelle

Das Waldhaus

Das Waldhaus

Bad Doberan - das Palais

Bad Doberan - das Palais

Die Steilküste

Die Steilküste

Bad Doberan um 1800

Bad Doberan um 1800

Bad Doberan von Althof

Bad Doberan von Althof

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