Stadtgeschichte

Schwerin, früher Schwerin, lat. Suerinum, genannt, war schon ums Jahr 1018 eine wendische Burg und Stadt, welche Fürst Niclot 1160 niederbrannte, da er sie gegen Heinrich den Löwen, der mit großer Macht anrückte, nicht behaupten zu können glaubte. Der siegreiche Heinrich aber ließ die Burg wieder aufbauen, und gab dem daneben liegenden Orte die deutsche Stadtgerechtigkeit und Verfassung 1161, ließ die erste Domkirche, auf der Stelle wo noch die jetzige steht, erbauen, und verlegte den früher zu Mikilinburg errichteten Bischofssitz Hieher; so dass 1170, gleichzeitig mit der Domkirche, der würdige Berno, ein Zisterzienser Mönch, als erster Bischof eingeweiht wurde. Als Burgvoigt setzte Heinrich seinen tapfern Ritter, Gunzelin von Hagen ein, den er drei Jahre später (1164) in den Grafenstand erhob, und ihn mit einem ansehnlichen Gebiete des eroberten Wendenlandes, unter dem Namen einer Grafschaft Schwerin, belehnte. Die neue Stadt, deren erstes Rathaus Gunzelin 1187 erbaute, war übrigens nur von sehr geringem Umfange; sie umfasste wahrscheinlich nicht mehr, als die westliche Hälfte der jetzigen Altstadt, und war ganz von Wasser umflossen, so dass man nur vermittelst einer Fähre, die in der Folge in eine Zugbrücke verwandelt wurde, dahin gelangen konnte. Auch die vielleicht bald darauf entstandene Schelfe hing nur durch zwei Brücken mit der Altstadt zusammen, und wird 1351 ebenfalls eine Insel genannt; sie war noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts von geringer Bedeutung und nur aus zerstreut liegenden Höfen bestehend. Kaiser Otto bestätigte 1211 die der Stadt erteilten Gerechtsame, begnadigte auch die Bürger mit der Befugnis, in dem Wismarschen Hafen zwei große Handelsschiffe, Koggen genannt, und eine willkürliche Zahl kleiner Fahrzeuge halten zu dürfen. In der Folge scheint Schwerin durch den Anbau der Neustadt, die aber nicht die Schelfe, sondern wahrscheinlich der nordöstliche Teil der jetzigen Altstadt, von Minetshofe bis zur Salzstraße, begriff, vergrößert zu sein (der große Moor mit dessen Nebenstraßen sind jedoch erst später entstanden). Befestigt ist die Stadt zu dreien Malen; zuerst von Gunzelin, dann 1340, wo Graf Heinrich der Stadt den Ort Bolbrüe zum Lehne gab, um eine neue Mauer aufführen zu können, welche denn auch um die westliche und nördliche Seite bis zum Moor erbaut wurde; endlich stellte man 1390 die verfallenen Mauern und sonstigen Werke wieder her, und errichtete das Schmiedetor und Mühlentor mit den Rondelen. Hinter dem Klosterhofe bis an den Burgsee waren ebenfalls Festungswerke, und die Wälle und Gräben nach der Schelfe zu, sind erst zu Anfange des vorigen Jahrhunderts demoliert; da wo jetzt Minetshof ist, stand der alte Schützenturm. Der Ursprung des jetzigen Schlosses ist ungewiss; der größere Turm ist der älteste Teil; unter den Herzogen Magnus, Johann Albrecht, Heinrich dem Friedfertigen und Adolph Friederich sind verschiedene Gebäude hinzugefügt, bis zuletzt Herzog Christian Ludwig vor 1750 den Anbau von Fachwerk errichtete. Johann Albrecht ließ auch das Schloss von einem italienischen Baumeister befestigen. — Im Jahr 1283 erhielte Schwerin von dem Grafen Helmold die Dörfer Zippendorf, Göhren, Mües und Ostorf, 1550 kaufte es Thurow, welches Gut zum Stadtfelde gelegt wurde.

Zur ersten Aufnahme der Stadt Schwerin trugt unzweifelhaft das Domkapitel und der Bischofssitz das meiste bei, und bald musste eine wundertätige Reliquie, die Entstehung mehrerer Klöster u. s. w. einen größeren Verkehr herbeiführen. Graf Heinrich machte nämlich 1220 einen Kreuzzug nach Palästina mit, und wurde daselbst vom Kardinal Pelagius mit einem, in Jaspis gefassten angeblichen Tropfen vom Blute des Erlösers beschenkt. Dies Kleinod überlieferte er bei seiner Heimkehr dem Bischöfe Brunward von Schwerin, der es in feierlicher Prozession in der Domkirche aufstellte. Mehrere Ablasserteilungen des heil. Vaters für die hierher Wallfahrenden verschafften dem heiligen Blute bald Ruf und Schätze und in kurzer Zeit war so viel Sündengeld zusammengebracht, dass der dritte Teil desselben zur Errichtung des Franziskanerklosters, welches da, wo jetzt das Collegiumpalais steht, vor 1287 erbauet wurde, hinreichte. Wahrscheinlich ist auch die jetzige Domkirche, die von 1222 bis 1248 erbauet, und im letztgenannten Jahre feierlich eingeweiht wurde, aus dem Ertrage des heil. Blutes aufgeführt, gewölbt ward die Kirche jedoch erst 1421 und zwar auf Kosten der Stadt Stralsund, zur Sühne für die daselbst geschehene Verbrennung dreier Priester. Eine andere Reliquie, nämlich einen Dorn aus der Krone Christi, brachte Bischof Rudolph 1263 von einer Reise nach Frankreich als ein Geschenk des Königs Ludwig IX. mit, und stellte sie ebenfalls im Dome auf, wo sie als Mittel gegen Stolz, Kopfweh und Unkeuschheit sehr empfohlen und gebraucht wurde. Etwa 1272 stiftete die Gräfin Audacia das Barfüßerkloster, wahrscheinlich in der Schlossstraße gelegen, und eines Fischers Haus in der Faulengrube ward in ein heiliges Geisthaus verwandelt; endlich lag noch vor dem Mühltore die St. Jürgen-Kapelle nebst einem dritten Mönchskloster, da wo jetzt das Armenhaus steht. Die erste Kirche auf der Schelfe erbaute Graf Heinrich 1228 aus Dankbarkeit gegen Gott für den bei Bornhöft erfochtenen Sieg, und widmete sie dem heil. Nicolaus, ein eigener Prediger ward hier jedoch erst 1588 angestellt. Auch eine Kalandsbrüderschaft existierte zu Schwerin.


Die Reformation nahm ihren Anfang zu Schwerin 1527, zu welcher Zeit Herzog Heinrich der Friedfertige es gestattete, dass zwei evangelische Prediger aus Sachsen hierher kommen, und in der Jürgen-Kapelle ihre Vorträge halten durften. Da aber dies Lokal bald zu klein wurde, so predigten jene Geistlichen auf dem Rosengarten unter freiem Himmel, bis der Herzog 1531 den Bürgern erlaubte, eine eigene Kirche in der Salzstraße zu erbauen. In der Folge ward auch das Franziskanerkloster den Evangelischen eingeräumt, wiewohl die Mönche noch darin blieben, bis 1882 hier eine Schule errichtet wurde; gleichzeitig reformierte auch Herzog Johann Albrecht den Dom und ließ das heil. Blut verbrennen.

Eine große Feuersbrunst zerstörte 1531 den größten Teil der Stadt; auch das Rathaus und die Neustadt (nicht die Schelfe) gingen in Feuer auf; 1558 verbrannte durch Blitz das Rathaus nebst 44 Gebäuden; 1651 brach wieder eine Feuersbrunst aus, die 160 Häuser in Asche legte, so dass fast nichts stehen blieb, als der Dom und die wenigen Häuser auf der Schelfe — damals war also Schwerin noch ein unbedeutendes Städtchen; — endlich brannten noch 1697 einige und 20 Gebäude ab. Jetzt befahl aber Herzog Friederich Wilhelm, dass alle noch vorhandenen Strohdächer in der Stadt abgeschafft, und nur Ziegeldächer geduldet werden sollten. Dieser Fürst ließ sich die Aufnahme der Schelfe, die bis dahin als ein bloßes Anhängsel der Stadt betrachtet war, sehr angelegen sein; er erhob sie unterm 26. Juli 1705 zu einer besondern Stadt, erbaute die Kirche und das Rathaus daselbst, und verordnete, dass den Baulustigen, außer den freien Plätzen, noch 25 Prozent Bauhilfsgelder aus der Renterei gegeben werden sollten. Erst seit dieser Zeit hat sich Schwerin immer mehr vergrößert. Die Pest wütete hier besonders 1565 und 66, und raffte damals 900 Menschen hinweg.

Von Kriegsbegebenheiten bemerken wir folgendes: Im Jahre 1199 wurde Schwerin vom Herzog Waldemar von Schleswig erobert und geplündert; 1350 in einem Kriege zwischen dem Herzoge Albrecht von Mecklenburg und dem Grafen Otto von Schwerin, von den Truppen des ersteren lange, wie wohl vergeblich, belagert. Im dreißigjährigen Kriege besetzten Kaiserliche 1627 die Stadt, welche 1630, wie ganz Mecklenburg, dem Wallenstein huldigen musste. Damals prophezeite der zehnjährige Sohn eines hiesigen Schneiders die hilfreiche Ankunft der Schweden und die Wiedereinsetzung der Herzoge, die auch wirklich bald erfolgte. Der König Gustav Adolph hatte nämlich im Sommer 1631 bereits so gute Fortschritte gemacht, dass Herzog Adolph Friederich es wagen konnte, sich wieder in den Besitz seiner Hauptstadt zu setzen. Er ging von Lübeck, wo er sich inzwischen aufgehalten, mit 900 Mann Fußvolk und 3 Reiter-Kompanien ab, und traf den 19. Juli vor Schwerin ein, wo er 10 Kompanien schwedischer Reiter an sich zog. Die Kaiserlichen mussten mit einigem Verluste die Stadt aufgeben, und zogen sich nach dem festen Schlösse zurück; als jedoch der General Tott mit 600 Mann und 6 Geschützen die Belagerer verstärkte, und Anstalten zur Beschießung des Schlosses machte, kapitulierte die nur noch 160 Mann starke Garnison. Ferner wurde Schwerin den 9. Febr. 1735 von den holsteinschen und schwarzburgischen Exekutionstruppen besetzt; worauf Herzog Karl Leopold zu Wasser nach Wismar sich begab; auch im siebenjährigen Kriege (1758 und 59) von den Preußen, die hier 20 Geschütze wegnahmen. Von den Kriegsdrangsalen der neuesten Zeit blieb die Stadt ebenfalls nicht verschont; bei der französischen Invasion, 1806, wurde sie von den Franzosen auf deren Zuge nach und von Lübeck hart mitgenommen, und hierauf der Sitz der französischen Gouvernements, bis den 11. Juli 1807 der geliebte Landesvater zum großen Jubel seiner Untertanen zurückkehrte und seine Lande wieder in Besitz nahm. In der Folge besetzte Davoust mit seinem Corps die Stadt, als sich die Verbündeten nach dem Gefechte bei Vellahn, den 20. August 1815 zurückgezogen hatten, jedoch nur auf kurze Zeit (bis 2. September).

In politischer Hinsicht kam die Altstadt, nach dem Aussterben der Schwerinschen Grafen, 1359 an Mecklenburg, und residierten seitdem die Herzoge der altern Linie gewöhnlich auf dem hiesigen Schlosse, bis zu Anfange des vorigen Jahrhunderts; die Schelfe dagegen nebst der Domkapitelsfreiheit gehörte immer zum Bistume, nachherigen Fürstentume Schwerin; letztere war bis 1648 bischöfliche Residenz und von 1750 bis 1833 Sitz der Landes-Regierung.

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Das städtische Gebiet enthält 0,26 Qu.-M. Areal, wovon beinahe 0,15 Qu.-M. auf die Stadt und deren Feldmark, von 716 3/4 Morgen Acker und 91 vierspännige Fuder Heu, das übrige auf die nachstehenden Kammereigüter kommt. Der Boden ist teils Sand, teils guter Mittelacker, begreift auch einige Hölzungen, bei welchen 1 Förster und 2 Holzwärter angestellt sind:

Göhren, Erbpachtgehöft, Holzwärterei und Käthen mit 68 Einwohnern, an einem in den Ostorfer See fließenden Bache.

Zippendorf, in anmutiger Gegend am Südende des Schweriner Sees, hat 104 Einwohner, einen Forsthof, ein Erbpachtgehöft, ein ansehnliches Gasthaus, 7 Bauern, 2 Büdner. Beide Dörfer sind zu 19.575 F in der Brandkasse versichert, und steuern von 2 Hufen 642 Scheffeln.