Abschnitt. 1

Äußere Form der Gebirge.

Schlesiens Gebirge sind die südwestliche Begrenzung, einer Ungeheuern Ebene, der größten die Europa enthält. Nur unbedeutende Hügel (Dünen) erheben sich zwischen der Oder und Wolga, zwischen der Ostsee und den Carpathen, zwischen dem schwarzen Meere und Finnlands Granitbergen, und nur die geringe Erhebung dieser gewaltigen Fläche, vermag den Waldaischen Hügeln am Ursprung der Wolga den Schein eines Gebirges zu geben. Die Ufer dieses großen Meeres (von welchem noch ein schwacher Wasserort in der seichten Ostsee übrig ist), sind im Verhältnis seiner Ausdehnung nicht hoch. Die Gebirge die Schlesien umgeben, haben noch wenig vom Charakter der hohen Alpengebirge, und nur ein kleiner Theil derselben, das Riesengebirge, scheint ihn haben annehmen zu wollen. - Es ist ein Irthum, wenn man glaubt, die ganze Gebirgsreihe von der Lausitz bis zu den Carpathen unter dem Nahmen des Riesengebirges begreifen zu können *).


Die ganze Bergreihe bildet eine Gebirgsebene, auf welcher sich höhere aber schmälere Gebirge, gleich Dämmen, erheben, und nach einem kurzen Lauf entweder in das flache Land oder wieder in die Gebirgsfläche abfallen. Diese Dämme zeichnen sich sehr aus, durch ihre äußere Gestalt und durch die Natur ihrer Gebirgsarten, und man würde einen wenig klaren Begriff vom Ganzen bekommen, wenn man sie nicht von einander durch eigene Benennungen unterscheiden wollte. Auch hat dies der Sprachgebrauch gröstentheils schon in Schlesien gethan. Man nennt dort das Riesengebirge nur die Reihe von Bergen, die sich ohnweit des Zusammenflusses der schlesischen, lausitzer und böhmischen Grenzen erhebt, dann sich ostwärts in einer fast gleichförmigen Höhe von 4000 Fuß fortzieht, bei Schmiedeberg einen kleinen Halbzirkel bildet, und steil in das Boberthal bei Kupferberg abfällt. Der Fuß dieses schnell ansteigenden, schmalen Gebirges liegt selbst schon sehr hoch. Schmiedeberg 1330 Fuß, Hirschberg 1046 Fuß, an der nördlichen Seite. Hohenelbe am südlichen Fuße 1488 Fuß über das Meer. Messersdorf, am westlichen Anfange 1330 Fuß. Kupferberg am östlichen Ende 1152 Fuß über das Meer. Ein großer Theil des sächsischen Erzgebirges ist nicht höher. -- Das Gebirge ist zweiy oder höchftens drei Meilen breit, sein südlicher Abfall länger und weniger steil, als der gegen Hirschberg, und gegen den Bober, ihr Verhältnis wie 1 zu 2 1/2. Es erreicht seine größte Höhe zwischen Schmiedeberg und Hohenelbe. Deutlich und schön sieht man sein treppenförmiges Ansteigen von den Bergen bei Hirschberg, oder von den malerischen Falckensteinen zwischen Hirschberg und Kupferberg: das Gebirge hat einen zu geringen Abhang, nach dieser Seite hin, der wenig gegen die Höhe desselben aufällt; es scheint eine Mauer zu sein, die das jenseitige Böhmen von Schlesien trennt; eine Mauer bis oben hinauf mit reicher Vegetation bedeckt, mit hoch hinan laufenden Dörfern; mit überall, bis auf den Gipfel zerstreueten Hütten (Bauden); die Höhen mit Schnee, bis spät im Jahre, bedeckt, dessen helleuchtende Farbe hier, wie auf allen hohem Gebirgen, dem Ganzen einen eigenen Reiz gibt. Die nackten und spitzen Felsen treten scharf und stolaz aus der weißen Decke hervor, und die unbeschneiten steilen Abhänge des Thales und Schluchten bringen eine neue Mannichfaltigkeit, in dem sonst eben scheinenden Abhange des Gebirges. - Die Schneekoppe hebt sich kühn über den hohen Gebirgskamm herauf; sie gleicht einem Kegel, der die Wolken mit der Fläche verbindet; sie steht nackt und felsig. über den waldreichen Bergen des Abhanges, und nur selten sieht man sie frei, von Wolkenbedeckung. Drittehalbtausend Fuß tiefe Abgründe, der Riesengrund gegen Böhmen, die Eule auf schlesischer Seite trennen sie von der Ebene, und sie ist nur durch einen schmalen Damm, vom hohen Gebirgsrücken her, zu besteigen. Sie steht mehr als tausend Fuß über diese Höhe; 3900 Fuß über die Fläche bei Hirschberg, und 4950 Fuß über die Fläche des Meeres. - In heitern Tagen sieht man von ihrer Spitze zu gleicher Zeit die Schlösser von Prag und die Thürme von Breslau; die Liegnitzer und Glogauer Ebenen gegen Norden; die reiche Fläche von Hirschberg, alle schlesischen Gebirgsreihen bis tief in Mähren hinein, und die über Böhmen zerstreueten Kegel der Trappformation. - Westwärts erheben sich noch mehrere ähnliche Kuppen, auf der in gleicher Höhe fortgehenden schmalen Ebene des Kammes; aber sie ruhen auf größeren Grundflächen als der Kegel der Riesenkoppe, und erreichen ihre Höhe nicht. - - Hirschberg wird auch auf der Nordseite von einem kleinen Gebirge eingeschlossen, das mit dem Riesengebirge gleichlaufend, in Höhe aber mit diesem nicht zu vergleichen ist. Es erhebt sich aus dem flachen Lande bei Jauer, geht in südwestlicher Richtung bis Kupferberg fort, ändert diese Richtung dann in eine westliche, und trennt sich in mehreren Armen, die sich theils im flachen Lande verlieren, theils durch den Lauf des Bobers abgeschnitten sind. Jenseit des Flusses, bei Boberröhrsdorf, setzt die Gebirgsreihe fort, oder vielmehr sie verbindet sich hier mit dem kleinen Arm des Riesengebirges, der weltlich von Schreiberhau sich vom Hauptstamm absondert.




*) Ein Irthum, der durch das klasische Werk von Schlesien vor und seit 1740, sich in vielen vortrefflichen Schriften verbreitet hat. Der Verfasser endigt den Lauf des Riesengebirges auf den hohen fast unzugänglichen Kalkspitzen über der Jablunkaer Schanze im Fürstenthume Teschen.